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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Körners Braut

ihr der in der Zeichnung edler Frauengestalten wohlgeübte Geschichtschreiber
ein bleibendes Denkmal gesetzt, das ihn selbst nicht weniger als die Mutter ehrt.

Arneths Stil mutet uns wie die Manier eines vornehmen Hofmalers an.
Ihr erstes Kennzeichen ist die äußere Sauberkeit und Ruhe der Darstellung.
Arneth vertieft sich nicht allzusehr in die Zergliederung der Charaktere und
übergeht doch keinen für die Wahrheit des Bildes wesentlichen Zeitpunkt; aber
er vermeidet den längern Aufenthalt dort, wo er tadeln müßte, und erzählt
lieber ausführlich minder wichtige Dinge. Wenn man in seinen Büchern liest,
so überkommt einen das Gefühl, als durchwanderte man die hohen, weiten,
weißgetünchten Räume der Schlösser aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts:
da herrscht Kühle, Ruhe, Stille, jeder Schritt hallt darin wieder. Auffallend
ist die liebevolle Ausführlichkeit in der Beschreibung von Landschaften Ober¬
österreichs und der Alpenländer und der Erzählung der von Jugend auf ge¬
pflegten Fußpartien, die Arneth mit seinem um ein Jahr ältern Bruder
jährlich zu macheu pflegte. Die Schilderung der Wiener Gesellschaft jener
Zeit dagegen ist zu kurz weggekommen, und nur soweit sie die Mutter betrifft,
etwas Würmer geworden. Diese Geschichte der Mutter ist denn auch das
schönste Stück der Arnethschen Erinnerungen.

Antonie Arneth, geboren zu Wien am 30. Dezember 1790, war eine Frau
von künstlerischem Vollblut. Beide Eltern waren hochbegabte und vielgefeierte
Schauspieler. Der Vater, Valentin Adamberger, galt als der erste Tenorist
seiner Zeit und war Mitglied des Hoftheaters am Kärntnerthor, wo die
Oper gepflegt wurde; Mozart hat manche Arie eigens für ihn komponirt, da
Adamberger einer der schon damals selten gewordenen Vertreter dW o"1 cauto,
der italienischen Sängerschule in Deutschland war. Tonis Mutter, Maria
Anna Jacquet, hatte ihrerseits schou das Talent von ihren Eltern geerbt und
war gleich diesen Mitglied des Burgtheaters oder, wie es damals hieß, des
kaiserlich-königlichen Hof- und Nationaltheaters. Sie war Meisterin im Lust¬
spiel, und Kotzebue bewunderte sie wegen des Reichtums ihrer Charaktere; er
hat viele Rollen für sie geschrieben; beherrschte er doch damals das Repertoire
der Bühnen. Toni -- wie wir sie mit ihrem häuslichen Kosenamen nennen
wollen -- zeigte schon in früher Jugend Talent zur Schauspielkunst, schon
mit elf Jahren, bei einer Wohlthätigkeitsvorstellilng im kleinen Schlvßtheatcr
zu Schönbrunn. Sie selbst erzählt in den Bruchstücken von Lebenserimierungen,
die sie als Fünfundsechzigjährige (1855 -- 57) auf Andrängen ihrer Söhne
niedergeschrieben hat, und die den schönsten Schmuck des Arnethschen Buches
bilden: "Ich mußte die rührende Mutter (in dem Gelegenheitsstücke "Die kleine
Ährenleserin") darstellen. Meine Mutter teilte uns die Rollen zu und ließ
sie uns ganz allein studiren, ja sie versammelte nur wenig Zuhörer zur ersten
Probe. Offenbar hatte der Name meiner Mutter ihren Kindern Kredit ver¬
schafft, denn die Vorstellung selbst war zum Erdrücken voll. Meine Angst


Theodor Körners Braut

ihr der in der Zeichnung edler Frauengestalten wohlgeübte Geschichtschreiber
ein bleibendes Denkmal gesetzt, das ihn selbst nicht weniger als die Mutter ehrt.

Arneths Stil mutet uns wie die Manier eines vornehmen Hofmalers an.
Ihr erstes Kennzeichen ist die äußere Sauberkeit und Ruhe der Darstellung.
Arneth vertieft sich nicht allzusehr in die Zergliederung der Charaktere und
übergeht doch keinen für die Wahrheit des Bildes wesentlichen Zeitpunkt; aber
er vermeidet den längern Aufenthalt dort, wo er tadeln müßte, und erzählt
lieber ausführlich minder wichtige Dinge. Wenn man in seinen Büchern liest,
so überkommt einen das Gefühl, als durchwanderte man die hohen, weiten,
weißgetünchten Räume der Schlösser aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts:
da herrscht Kühle, Ruhe, Stille, jeder Schritt hallt darin wieder. Auffallend
ist die liebevolle Ausführlichkeit in der Beschreibung von Landschaften Ober¬
österreichs und der Alpenländer und der Erzählung der von Jugend auf ge¬
pflegten Fußpartien, die Arneth mit seinem um ein Jahr ältern Bruder
jährlich zu macheu pflegte. Die Schilderung der Wiener Gesellschaft jener
Zeit dagegen ist zu kurz weggekommen, und nur soweit sie die Mutter betrifft,
etwas Würmer geworden. Diese Geschichte der Mutter ist denn auch das
schönste Stück der Arnethschen Erinnerungen.

Antonie Arneth, geboren zu Wien am 30. Dezember 1790, war eine Frau
von künstlerischem Vollblut. Beide Eltern waren hochbegabte und vielgefeierte
Schauspieler. Der Vater, Valentin Adamberger, galt als der erste Tenorist
seiner Zeit und war Mitglied des Hoftheaters am Kärntnerthor, wo die
Oper gepflegt wurde; Mozart hat manche Arie eigens für ihn komponirt, da
Adamberger einer der schon damals selten gewordenen Vertreter dW o»1 cauto,
der italienischen Sängerschule in Deutschland war. Tonis Mutter, Maria
Anna Jacquet, hatte ihrerseits schou das Talent von ihren Eltern geerbt und
war gleich diesen Mitglied des Burgtheaters oder, wie es damals hieß, des
kaiserlich-königlichen Hof- und Nationaltheaters. Sie war Meisterin im Lust¬
spiel, und Kotzebue bewunderte sie wegen des Reichtums ihrer Charaktere; er
hat viele Rollen für sie geschrieben; beherrschte er doch damals das Repertoire
der Bühnen. Toni — wie wir sie mit ihrem häuslichen Kosenamen nennen
wollen — zeigte schon in früher Jugend Talent zur Schauspielkunst, schon
mit elf Jahren, bei einer Wohlthätigkeitsvorstellilng im kleinen Schlvßtheatcr
zu Schönbrunn. Sie selbst erzählt in den Bruchstücken von Lebenserimierungen,
die sie als Fünfundsechzigjährige (1855 — 57) auf Andrängen ihrer Söhne
niedergeschrieben hat, und die den schönsten Schmuck des Arnethschen Buches
bilden: „Ich mußte die rührende Mutter (in dem Gelegenheitsstücke »Die kleine
Ährenleserin«) darstellen. Meine Mutter teilte uns die Rollen zu und ließ
sie uns ganz allein studiren, ja sie versammelte nur wenig Zuhörer zur ersten
Probe. Offenbar hatte der Name meiner Mutter ihren Kindern Kredit ver¬
schafft, denn die Vorstellung selbst war zum Erdrücken voll. Meine Angst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/285>, abgerufen am 23.07.2024.