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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Antisemitische Litteratur

licher Aberglaube findet sich noch überall, und wenn Esther Solimosh in Tisza-
Eszlar wirklich ermordet worden ist, so darf dafür nicht das gesamte Judentum
verantwortlich gemacht werden. Sehr nützlich ist es dagegen, an Thatsachen
den verderblichen Einfluß der jüdischen Presse, der Miimvö israolite, der Ver¬
bündeten Geldmächte darzulegen. In dieser Beziehung liefert uoch viel reicheres
Material als Stilles Buch das zweibändige Werk von Carl Paasch (Leipzig,
Selbstverlag). Der Verfasser erhebt gegen eine Menge von Personen, zum Teil
hohe deutsche Staatsbeamte, so schwere Anschuldigungen, daß er aller Wahr¬
scheinlichkeit nach wird angehalten werden, sie zu beweise", und wir Austand
nehmen, ans diesen Kernpunkt der Publikation, die sichtlich in höchster Er¬
regung verfaßt worden ist, einzugehen. Aber danken muß man ihm, daß er
Beispiele eines unverantwortlichen Preßtreibens, von denen die große Menge
der Zeitungen aus übelverstaudener Kollegialität keine Notiz nimmt, mit aller
Gründlichkeit festgenagelt hat. Dahin gehört das Verhalten verschiedner Ber¬
liner Blätter bei dem Prozeß des Malers Graf. Was da gegen den Präsi¬
denten des Schwurgerichtes und den Staatsanwalt gewagt, was in Ver¬
drehung des Thatbestandes geleistet worden ist, muß in der That eine Signatur
der Zeit genannt werden. Und wie hübsch ist es, wenn eine angesehen Zei-
tung ankündigt, das Frauenzimmer aus der Hefe des Volkes, um deretwillen
der beklagenswerte Maler sich einen Meineid hatte zu schulden kommen lasse",
werde "unter sorgsam verschwiegenen Theaternamen el" Engagement an einer
auswärtigen Bühne antreten," und die "Künstlerin" unmittelbar darauf sich
in einem sogenannten Tingeltangel produzirte, natürlich unter ihrem wahren
Namen, der allem ihr zum Engagement verholfen hatte! Dahin gehört die
Hetze gegen Stöcker und vieles andre. Solche Dinge werden wohl vergessen.
Erscheint doch der viclgeschäftigc Feuilletonist, der sich anch in der Gräfschen
Sache hervorthat, und den die Veröffentlichung seiner Briefe an eine Schau¬
spielerin bestimmte, über das Weltmeer zu gehen, schon wieder mit seinem
vollen Namen als Mitarbeiter "großer" Blätter und wird wohl bald Berlin
wieder durch seine Gegenwart zieren! Der Redakteur der "Volkszeitung," der
gewagt hatte, den Skandal ans Licht zu ziehe", verlor deswegen seinen Posten,
und er hätte dazu schweigen müssen, wenn nicht die "Kreuzzeitung" ihm ihre
Spalten zu einem letzten Worte geöffnet hätte. Diese Thatsachen sprechen
und sind nicht abzuleugnen. Doch wozu davon viel Wesens machen? sagen
"humane" Leute; es ist nun einmal so, und wie es zu ändern sei, hat uus
uoch keiner gesagt. In allen andern Fällen finden sie es freilich ganz in der
Ordnung, daß Mißstände zur Sprache gebracht werden, damit aus allseitiger
Erörterung eine Verständigung über die mögliche Abhilfe hervorgehen könne.

Leidenschaftlicher als in Deutschland wird in Österreich der Kampf geführt,
und darüber kann sich "jemand wundern, der beobachtet, mit welcher Dreistig¬
keit dort das Judentum auftritt. Die jüngste Vergangenheit hat dafür wieder


Antisemitische Litteratur

licher Aberglaube findet sich noch überall, und wenn Esther Solimosh in Tisza-
Eszlar wirklich ermordet worden ist, so darf dafür nicht das gesamte Judentum
verantwortlich gemacht werden. Sehr nützlich ist es dagegen, an Thatsachen
den verderblichen Einfluß der jüdischen Presse, der Miimvö israolite, der Ver¬
bündeten Geldmächte darzulegen. In dieser Beziehung liefert uoch viel reicheres
Material als Stilles Buch das zweibändige Werk von Carl Paasch (Leipzig,
Selbstverlag). Der Verfasser erhebt gegen eine Menge von Personen, zum Teil
hohe deutsche Staatsbeamte, so schwere Anschuldigungen, daß er aller Wahr¬
scheinlichkeit nach wird angehalten werden, sie zu beweise«, und wir Austand
nehmen, ans diesen Kernpunkt der Publikation, die sichtlich in höchster Er¬
regung verfaßt worden ist, einzugehen. Aber danken muß man ihm, daß er
Beispiele eines unverantwortlichen Preßtreibens, von denen die große Menge
der Zeitungen aus übelverstaudener Kollegialität keine Notiz nimmt, mit aller
Gründlichkeit festgenagelt hat. Dahin gehört das Verhalten verschiedner Ber¬
liner Blätter bei dem Prozeß des Malers Graf. Was da gegen den Präsi¬
denten des Schwurgerichtes und den Staatsanwalt gewagt, was in Ver¬
drehung des Thatbestandes geleistet worden ist, muß in der That eine Signatur
der Zeit genannt werden. Und wie hübsch ist es, wenn eine angesehen Zei-
tung ankündigt, das Frauenzimmer aus der Hefe des Volkes, um deretwillen
der beklagenswerte Maler sich einen Meineid hatte zu schulden kommen lasse»,
werde „unter sorgsam verschwiegenen Theaternamen el» Engagement an einer
auswärtigen Bühne antreten," und die „Künstlerin" unmittelbar darauf sich
in einem sogenannten Tingeltangel produzirte, natürlich unter ihrem wahren
Namen, der allem ihr zum Engagement verholfen hatte! Dahin gehört die
Hetze gegen Stöcker und vieles andre. Solche Dinge werden wohl vergessen.
Erscheint doch der viclgeschäftigc Feuilletonist, der sich anch in der Gräfschen
Sache hervorthat, und den die Veröffentlichung seiner Briefe an eine Schau¬
spielerin bestimmte, über das Weltmeer zu gehen, schon wieder mit seinem
vollen Namen als Mitarbeiter „großer" Blätter und wird wohl bald Berlin
wieder durch seine Gegenwart zieren! Der Redakteur der „Volkszeitung," der
gewagt hatte, den Skandal ans Licht zu ziehe», verlor deswegen seinen Posten,
und er hätte dazu schweigen müssen, wenn nicht die „Kreuzzeitung" ihm ihre
Spalten zu einem letzten Worte geöffnet hätte. Diese Thatsachen sprechen
und sind nicht abzuleugnen. Doch wozu davon viel Wesens machen? sagen
„humane" Leute; es ist nun einmal so, und wie es zu ändern sei, hat uus
uoch keiner gesagt. In allen andern Fällen finden sie es freilich ganz in der
Ordnung, daß Mißstände zur Sprache gebracht werden, damit aus allseitiger
Erörterung eine Verständigung über die mögliche Abhilfe hervorgehen könne.

Leidenschaftlicher als in Deutschland wird in Österreich der Kampf geführt,
und darüber kann sich »jemand wundern, der beobachtet, mit welcher Dreistig¬
keit dort das Judentum auftritt. Die jüngste Vergangenheit hat dafür wieder


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[0229] Antisemitische Litteratur licher Aberglaube findet sich noch überall, und wenn Esther Solimosh in Tisza- Eszlar wirklich ermordet worden ist, so darf dafür nicht das gesamte Judentum verantwortlich gemacht werden. Sehr nützlich ist es dagegen, an Thatsachen den verderblichen Einfluß der jüdischen Presse, der Miimvö israolite, der Ver¬ bündeten Geldmächte darzulegen. In dieser Beziehung liefert uoch viel reicheres Material als Stilles Buch das zweibändige Werk von Carl Paasch (Leipzig, Selbstverlag). Der Verfasser erhebt gegen eine Menge von Personen, zum Teil hohe deutsche Staatsbeamte, so schwere Anschuldigungen, daß er aller Wahr¬ scheinlichkeit nach wird angehalten werden, sie zu beweise«, und wir Austand nehmen, ans diesen Kernpunkt der Publikation, die sichtlich in höchster Er¬ regung verfaßt worden ist, einzugehen. Aber danken muß man ihm, daß er Beispiele eines unverantwortlichen Preßtreibens, von denen die große Menge der Zeitungen aus übelverstaudener Kollegialität keine Notiz nimmt, mit aller Gründlichkeit festgenagelt hat. Dahin gehört das Verhalten verschiedner Ber¬ liner Blätter bei dem Prozeß des Malers Graf. Was da gegen den Präsi¬ denten des Schwurgerichtes und den Staatsanwalt gewagt, was in Ver¬ drehung des Thatbestandes geleistet worden ist, muß in der That eine Signatur der Zeit genannt werden. Und wie hübsch ist es, wenn eine angesehen Zei- tung ankündigt, das Frauenzimmer aus der Hefe des Volkes, um deretwillen der beklagenswerte Maler sich einen Meineid hatte zu schulden kommen lasse», werde „unter sorgsam verschwiegenen Theaternamen el» Engagement an einer auswärtigen Bühne antreten," und die „Künstlerin" unmittelbar darauf sich in einem sogenannten Tingeltangel produzirte, natürlich unter ihrem wahren Namen, der allem ihr zum Engagement verholfen hatte! Dahin gehört die Hetze gegen Stöcker und vieles andre. Solche Dinge werden wohl vergessen. Erscheint doch der viclgeschäftigc Feuilletonist, der sich anch in der Gräfschen Sache hervorthat, und den die Veröffentlichung seiner Briefe an eine Schau¬ spielerin bestimmte, über das Weltmeer zu gehen, schon wieder mit seinem vollen Namen als Mitarbeiter „großer" Blätter und wird wohl bald Berlin wieder durch seine Gegenwart zieren! Der Redakteur der „Volkszeitung," der gewagt hatte, den Skandal ans Licht zu ziehe», verlor deswegen seinen Posten, und er hätte dazu schweigen müssen, wenn nicht die „Kreuzzeitung" ihm ihre Spalten zu einem letzten Worte geöffnet hätte. Diese Thatsachen sprechen und sind nicht abzuleugnen. Doch wozu davon viel Wesens machen? sagen „humane" Leute; es ist nun einmal so, und wie es zu ändern sei, hat uus uoch keiner gesagt. In allen andern Fällen finden sie es freilich ganz in der Ordnung, daß Mißstände zur Sprache gebracht werden, damit aus allseitiger Erörterung eine Verständigung über die mögliche Abhilfe hervorgehen könne. Leidenschaftlicher als in Deutschland wird in Österreich der Kampf geführt, und darüber kann sich »jemand wundern, der beobachtet, mit welcher Dreistig¬ keit dort das Judentum auftritt. Die jüngste Vergangenheit hat dafür wieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/229>, abgerufen am 26.08.2024.