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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

anders, als man denkt, und eines Abends wird mein Baron mich von so'n
paar lange Soldaten weggeholt. Das war nur delischen ungemütlich, kann
ich man bloß sagen: der Herr war wohl mnnnichmal mit die Peitsche ans
mir losgefahren, und so furchtbar viel machte ich mich nich ans ihn. Abersten
wenn man so ganz allein in so'n verdrehte Stadt is, wo kein Christenmensch
is, der ein Mund voll Snack verstehen kann, denn kriegt man doch das Grasen.
Und als am andern Morgen Mamsell Manon ankam und ans mir einredete
und furchtbar weinte und mich die Backen streichelte, konnte ich ihr günz gut
verstehen, obgleich die alte fransche Sprache einen ziemlichen Swabbelkram is.
Die Mamsell meinte, ein Käsäng (Cousin) von sie, der hätte den Baron ins
Prisong gekriegt, weil daß er schalln war. Was sie sonst noch sagte, weiß
ich nich mehr; abers was sie wollte, das konnte ich bald begreifen, und
die Haare fingen an, mich zu Berge zu stehen. Denn sie wollte meinen Kvnfir-
matschonsanzng geliehen haben, den ich erst dreimal angehabt hatte, einmal
bei die Kvnfirmatschon, dann helf heilige Abendmahl und dann, als ich mich
beim Herrn Baron meldete. Nun lag er in meinen Koffer, weil ich immer 'nen
bunten Rock trug, und nachher, als die Franschen keine Livreen mehr leiden
mochten, da gab der Baron mich einen alten grauen Anzug. Als die Mamsell
ümmerlos meinen besten Rock haben wollte, sagte ich natürlicherweise mort,
uonlc und schüttkoppte dabei, daß mich die Gedanken ordentlich vor die
Angers funkelten; Manon aber streichelte mir ümmer weiter, und sie kriegte
wahrhaftigen Gott ihren irdischen Willen, wie die Weihers das ümmer
thun. Mit einemmale hatte ich meinen Koffer offen geflossen, und sie
lief mit den Konfirmatschonsrvck fort und mit alles andre. Ich kuckte ihr
noch ganz verbaast nach, da kam sie all wieder und wie'n Mannsbild
angezogen!"

Mahlmann schwieg einen Augenblick und wickelte sich fröstelnd in seinen
roten Rock. "Liebe Zeit, was das jetzt ümmer so kalt is, früher wars in
Julimonat doch noch ümmer ein büschen warm. Aber allens wird anders, als
man denkt. Die kleine Mamsell halt^ mich auch himmelhvchens versprochen,
ich sollt mein gutes Zeug wieder haben. Ja woll -- Pröhle die Mahlzeit!
Aber was wahr is, muß wahr bleiben: reinemang niedlich hat sie ausgesehen
in das gute schwarze Zeug, und nun habe ich auch verstanden, warum sie
vom Bnron keine Klecdcische angezogen hat, und auch nicht von dem Krämer,
was ihren leiblichen Vater war. Der ist kurz und dick, und der Baron is
groß nud breit gewesen: in son Kram hätt die Kleine man slecht ausgesehen.
Nun konnte jedermann glauben, daß sie einen richtigen Jungen war. Und
wie ein paar Jungens siud wir hingelaufen nach einem von die vielen Ge¬
fängnisse, wo die Aristokraten in Prisong saßen, ich mit'n Korb und sie init'n
Korb, da is Brot und Briefpapier ein gewesen, und das haben wir an eine
Iran von die Wärters gebracht, die damit Handel getrieben und viel Geld


Aus dänischer Zeit

anders, als man denkt, und eines Abends wird mein Baron mich von so'n
paar lange Soldaten weggeholt. Das war nur delischen ungemütlich, kann
ich man bloß sagen: der Herr war wohl mnnnichmal mit die Peitsche ans
mir losgefahren, und so furchtbar viel machte ich mich nich ans ihn. Abersten
wenn man so ganz allein in so'n verdrehte Stadt is, wo kein Christenmensch
is, der ein Mund voll Snack verstehen kann, denn kriegt man doch das Grasen.
Und als am andern Morgen Mamsell Manon ankam und ans mir einredete
und furchtbar weinte und mich die Backen streichelte, konnte ich ihr günz gut
verstehen, obgleich die alte fransche Sprache einen ziemlichen Swabbelkram is.
Die Mamsell meinte, ein Käsäng (Cousin) von sie, der hätte den Baron ins
Prisong gekriegt, weil daß er schalln war. Was sie sonst noch sagte, weiß
ich nich mehr; abers was sie wollte, das konnte ich bald begreifen, und
die Haare fingen an, mich zu Berge zu stehen. Denn sie wollte meinen Kvnfir-
matschonsanzng geliehen haben, den ich erst dreimal angehabt hatte, einmal
bei die Kvnfirmatschon, dann helf heilige Abendmahl und dann, als ich mich
beim Herrn Baron meldete. Nun lag er in meinen Koffer, weil ich immer 'nen
bunten Rock trug, und nachher, als die Franschen keine Livreen mehr leiden
mochten, da gab der Baron mich einen alten grauen Anzug. Als die Mamsell
ümmerlos meinen besten Rock haben wollte, sagte ich natürlicherweise mort,
uonlc und schüttkoppte dabei, daß mich die Gedanken ordentlich vor die
Angers funkelten; Manon aber streichelte mir ümmer weiter, und sie kriegte
wahrhaftigen Gott ihren irdischen Willen, wie die Weihers das ümmer
thun. Mit einemmale hatte ich meinen Koffer offen geflossen, und sie
lief mit den Konfirmatschonsrvck fort und mit alles andre. Ich kuckte ihr
noch ganz verbaast nach, da kam sie all wieder und wie'n Mannsbild
angezogen!"

Mahlmann schwieg einen Augenblick und wickelte sich fröstelnd in seinen
roten Rock. „Liebe Zeit, was das jetzt ümmer so kalt is, früher wars in
Julimonat doch noch ümmer ein büschen warm. Aber allens wird anders, als
man denkt. Die kleine Mamsell halt^ mich auch himmelhvchens versprochen,
ich sollt mein gutes Zeug wieder haben. Ja woll — Pröhle die Mahlzeit!
Aber was wahr is, muß wahr bleiben: reinemang niedlich hat sie ausgesehen
in das gute schwarze Zeug, und nun habe ich auch verstanden, warum sie
vom Bnron keine Klecdcische angezogen hat, und auch nicht von dem Krämer,
was ihren leiblichen Vater war. Der ist kurz und dick, und der Baron is
groß nud breit gewesen: in son Kram hätt die Kleine man slecht ausgesehen.
Nun konnte jedermann glauben, daß sie einen richtigen Jungen war. Und
wie ein paar Jungens siud wir hingelaufen nach einem von die vielen Ge¬
fängnisse, wo die Aristokraten in Prisong saßen, ich mit'n Korb und sie init'n
Korb, da is Brot und Briefpapier ein gewesen, und das haben wir an eine
Iran von die Wärters gebracht, die damit Handel getrieben und viel Geld


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/188>, abgerufen am 23.07.2024.