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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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stehender jüdischer Agent, dem man die cynische Äußerung in deu Mund legt:
"Für ein schönes Mädchen geht der Weg zu einem Engagement nur durch
mein Schlafzimmer." Ein andrer, sehr bekannter jüdischer Direktor brüstete
sich damit, daß niemals eine junge Künstlerin an seiner Bühne als "Gretchen"
habe nnstreten dürfen, bei der er nicht vorher den "Faust" gespielt habe. Ge¬
wisse Bühnen sind bei alleu Künstlerinnen, denen ein gütiges Geschick gestattet
hat, ihre Ehre zu bewahren, geradezu in Verruf. Und um denke man sich
die Lage junger Mädchen, die vielleicht im ersten Jahre ihrer Theaterlaufbahn
an einer kleinen Bühne Beweise von Talent gegeben haben und um weiter
streben nach größeren Theatern! Was steht ihnen bevor? Sie sind dem neuen
Direktor als schön und talentvoll angepriesen worden, und der neue Direktor
>se vielleicht eiuer von denen, die uicht nur das Talent, sondern auch die
Schönheit seiner Theatermitglieder geschäftlich verwerten wollen. Das kann
auf zweierlei Weise geschehe". Zunächst hat es der Direktor ganz in der Hand,
seine Mitglieder zu beschäftigen, wie er will. Gefällt ihm seine neue schöne
Schauspielerin persönlich, so kann er es ihr leicht nahelegen, daß sie nach Be¬
lieben ihre schönsten Rollen spielen kann, so viel, als sie will, wenn sie sich
seinen Gelüsten gefügig zeigt. Thut sie das nicht, so läßt er sie einfach wenig
oder in kleineren Rollen auftreten oder kündigt ihr wohl auch den Vertrag
nach Ablauf eines Monates. Die Laufbahn der Künstlerin ist dann sehr in
Frage gestellt. Oder aber, er hat für seine Person kein besondres Wohlgefallen
an der Dame, ist aber durchaus uicht damit einverstanden, daß sie überhaupt
unzugänglich sein will. Reiche Liebhaber aus dem Publikum sind für deu
Direktor' nämlich auch ein willkommener Anhang. Diese sorgen dafür, daß ihre
Lieblingskünstlerinnen Sträuße geworfen bekommen, kaufen oft eine ganze An¬
zahl Billets und verschenken sie an gewöhnliche Leute, unter der Bedingung,
daß sie tüchtig klatschen, und suchen nebenbei Einfluß auf die Kritik zu ge¬
winnen, damit die Vorstellungen im allgemeinen und die Lieblingsmitglieder
insbesondre tüchtig gelobt werden. Wie paßt nun in diese Geschaftsraisvn eine
inständige Dame, die auf ihre persönliche Ehre hält? Was bleibt ihr andres
übrig, als ihre Ehre preiszugeben, wenn sie nicht auf ihre Küustlerlaufbahu
verzichten will oder so bemittelt ist, daß sie den Spieß umkehren kann? Aber
ist es nicht ein schmählicher Gedanke, daß eine Dame, die das Publikum als
keusche Ophelia zu Thränen rührt, vielleicht nach der Vorstellung mit dem Herrn
Kommissivnsrat Jtzig oder dem Herrn Direktor Cohn unter vier Angen bei
Champagner und Austern soupiren wird? Man darf natürlich für solche Be¬
hauptungen keine Namen nennen, allein die Sache verhält sich so. Fast jede
Künstlerin muß auf ihrer Laufbahn über eine Stelle, wo ein Jude, sei es alö
Agent oder als Direktor oder als Kritiker, seinen Schlagbaum ausgeruhter lM.
ohne Zoll nicht zu passiren ist. und der Jude als Geschäftsman., reine.'-
Wegs alle Juden, uuter denen es bekanntlich ebenso reine und ehrenhafte ^ya-


Grenzbolen III 1891

stehender jüdischer Agent, dem man die cynische Äußerung in deu Mund legt:
„Für ein schönes Mädchen geht der Weg zu einem Engagement nur durch
mein Schlafzimmer." Ein andrer, sehr bekannter jüdischer Direktor brüstete
sich damit, daß niemals eine junge Künstlerin an seiner Bühne als „Gretchen"
habe nnstreten dürfen, bei der er nicht vorher den „Faust" gespielt habe. Ge¬
wisse Bühnen sind bei alleu Künstlerinnen, denen ein gütiges Geschick gestattet
hat, ihre Ehre zu bewahren, geradezu in Verruf. Und um denke man sich
die Lage junger Mädchen, die vielleicht im ersten Jahre ihrer Theaterlaufbahn
an einer kleinen Bühne Beweise von Talent gegeben haben und um weiter
streben nach größeren Theatern! Was steht ihnen bevor? Sie sind dem neuen
Direktor als schön und talentvoll angepriesen worden, und der neue Direktor
>se vielleicht eiuer von denen, die uicht nur das Talent, sondern auch die
Schönheit seiner Theatermitglieder geschäftlich verwerten wollen. Das kann
auf zweierlei Weise geschehe«. Zunächst hat es der Direktor ganz in der Hand,
seine Mitglieder zu beschäftigen, wie er will. Gefällt ihm seine neue schöne
Schauspielerin persönlich, so kann er es ihr leicht nahelegen, daß sie nach Be¬
lieben ihre schönsten Rollen spielen kann, so viel, als sie will, wenn sie sich
seinen Gelüsten gefügig zeigt. Thut sie das nicht, so läßt er sie einfach wenig
oder in kleineren Rollen auftreten oder kündigt ihr wohl auch den Vertrag
nach Ablauf eines Monates. Die Laufbahn der Künstlerin ist dann sehr in
Frage gestellt. Oder aber, er hat für seine Person kein besondres Wohlgefallen
an der Dame, ist aber durchaus uicht damit einverstanden, daß sie überhaupt
unzugänglich sein will. Reiche Liebhaber aus dem Publikum sind für deu
Direktor' nämlich auch ein willkommener Anhang. Diese sorgen dafür, daß ihre
Lieblingskünstlerinnen Sträuße geworfen bekommen, kaufen oft eine ganze An¬
zahl Billets und verschenken sie an gewöhnliche Leute, unter der Bedingung,
daß sie tüchtig klatschen, und suchen nebenbei Einfluß auf die Kritik zu ge¬
winnen, damit die Vorstellungen im allgemeinen und die Lieblingsmitglieder
insbesondre tüchtig gelobt werden. Wie paßt nun in diese Geschaftsraisvn eine
inständige Dame, die auf ihre persönliche Ehre hält? Was bleibt ihr andres
übrig, als ihre Ehre preiszugeben, wenn sie nicht auf ihre Küustlerlaufbahu
verzichten will oder so bemittelt ist, daß sie den Spieß umkehren kann? Aber
ist es nicht ein schmählicher Gedanke, daß eine Dame, die das Publikum als
keusche Ophelia zu Thränen rührt, vielleicht nach der Vorstellung mit dem Herrn
Kommissivnsrat Jtzig oder dem Herrn Direktor Cohn unter vier Angen bei
Champagner und Austern soupiren wird? Man darf natürlich für solche Be¬
hauptungen keine Namen nennen, allein die Sache verhält sich so. Fast jede
Künstlerin muß auf ihrer Laufbahn über eine Stelle, wo ein Jude, sei es alö
Agent oder als Direktor oder als Kritiker, seinen Schlagbaum ausgeruhter lM.
ohne Zoll nicht zu passiren ist. und der Jude als Geschäftsman., reine.'-
Wegs alle Juden, uuter denen es bekanntlich ebenso reine und ehrenhafte ^ya-


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[0185] stehender jüdischer Agent, dem man die cynische Äußerung in deu Mund legt: „Für ein schönes Mädchen geht der Weg zu einem Engagement nur durch mein Schlafzimmer." Ein andrer, sehr bekannter jüdischer Direktor brüstete sich damit, daß niemals eine junge Künstlerin an seiner Bühne als „Gretchen" habe nnstreten dürfen, bei der er nicht vorher den „Faust" gespielt habe. Ge¬ wisse Bühnen sind bei alleu Künstlerinnen, denen ein gütiges Geschick gestattet hat, ihre Ehre zu bewahren, geradezu in Verruf. Und um denke man sich die Lage junger Mädchen, die vielleicht im ersten Jahre ihrer Theaterlaufbahn an einer kleinen Bühne Beweise von Talent gegeben haben und um weiter streben nach größeren Theatern! Was steht ihnen bevor? Sie sind dem neuen Direktor als schön und talentvoll angepriesen worden, und der neue Direktor >se vielleicht eiuer von denen, die uicht nur das Talent, sondern auch die Schönheit seiner Theatermitglieder geschäftlich verwerten wollen. Das kann auf zweierlei Weise geschehe«. Zunächst hat es der Direktor ganz in der Hand, seine Mitglieder zu beschäftigen, wie er will. Gefällt ihm seine neue schöne Schauspielerin persönlich, so kann er es ihr leicht nahelegen, daß sie nach Be¬ lieben ihre schönsten Rollen spielen kann, so viel, als sie will, wenn sie sich seinen Gelüsten gefügig zeigt. Thut sie das nicht, so läßt er sie einfach wenig oder in kleineren Rollen auftreten oder kündigt ihr wohl auch den Vertrag nach Ablauf eines Monates. Die Laufbahn der Künstlerin ist dann sehr in Frage gestellt. Oder aber, er hat für seine Person kein besondres Wohlgefallen an der Dame, ist aber durchaus uicht damit einverstanden, daß sie überhaupt unzugänglich sein will. Reiche Liebhaber aus dem Publikum sind für deu Direktor' nämlich auch ein willkommener Anhang. Diese sorgen dafür, daß ihre Lieblingskünstlerinnen Sträuße geworfen bekommen, kaufen oft eine ganze An¬ zahl Billets und verschenken sie an gewöhnliche Leute, unter der Bedingung, daß sie tüchtig klatschen, und suchen nebenbei Einfluß auf die Kritik zu ge¬ winnen, damit die Vorstellungen im allgemeinen und die Lieblingsmitglieder insbesondre tüchtig gelobt werden. Wie paßt nun in diese Geschaftsraisvn eine inständige Dame, die auf ihre persönliche Ehre hält? Was bleibt ihr andres übrig, als ihre Ehre preiszugeben, wenn sie nicht auf ihre Küustlerlaufbahu verzichten will oder so bemittelt ist, daß sie den Spieß umkehren kann? Aber ist es nicht ein schmählicher Gedanke, daß eine Dame, die das Publikum als keusche Ophelia zu Thränen rührt, vielleicht nach der Vorstellung mit dem Herrn Kommissivnsrat Jtzig oder dem Herrn Direktor Cohn unter vier Angen bei Champagner und Austern soupiren wird? Man darf natürlich für solche Be¬ hauptungen keine Namen nennen, allein die Sache verhält sich so. Fast jede Künstlerin muß auf ihrer Laufbahn über eine Stelle, wo ein Jude, sei es alö Agent oder als Direktor oder als Kritiker, seinen Schlagbaum ausgeruhter lM. ohne Zoll nicht zu passiren ist. und der Jude als Geschäftsman., reine.'- Wegs alle Juden, uuter denen es bekanntlich ebenso reine und ehrenhafte ^ya- Grenzbolen III 1891

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/185>, abgerufen am 26.08.2024.