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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Tcmdwucher

sante Volkswirtschaft dadurch einer gefährlichen Unsicherheit ausgesetzt werden
würden. Ähnliches hat zwar auf dein Kongreß des Vereins sür Sozialpolitik
im Jahre 1888 zu Frankfurt der Berichterstatter Professor von Miaskowsli
aus Breslau ausgeführt. Seine Auseinandersetzungen waren aber gegen einen
viel weitergehenden Vorschlag gerichtet, nämlich den, die Strafbestimmungen
über den Wucher allgemein auf alle betastenden Verträge auszudehnen. Dein
könnte mau in der That nicht beitreten, da dem Richter nicht das Amt eines
Censors für den gesamten wirtschaftlichen Verkehr übertragen werden kann.

Neben der hier vorgeschlagenen Ergänzung des Wuchergesetzes sind aber
auch noch andre Maßregeln beachtenswert, insbesondre die von dem deutsche"
Landwirtschaftsrat angeregte Ausdehnung der für die Pfandleiher geltenden
Gewerbebeschränkungen auf die Personen, die aus der Betreibung von Geld-
und .Kreditgeschäften mit der bäuerlichen Bevölkerung ein Geschäft machen.
Daran hat Landgerichtsdirektor Ernst Barre in seiner hauptsächlich rheinische
Verhältnisse behandelnden Schrift: Der ländliche Wucher (Berlin, N. v.
Denkers Verlag, 1890) die Forderung geschlossen, allen solchen Gewerbtreibenden
und denen, die sich mit dem Ankauf und Verkauf von Grundstücken und Cessions-
prvtvkvllen beschäftigen, die Pflicht einer ordnungsmäßigen Buchführung auf¬
zuerlegen und ihnen vorzuschreiben, ihren Schuldnern halbjährlich Rechnungs¬
auszüge zuzustellen. Die von dem Landwirtschaftsrat weiter geforderte Ein-
schränkung des gewerbsmäßig betriebenen Handels mit ländlichen Grundstücken
ist ein Borschlag, dessen Erörterung hier zu weit führen würde, und der sich
wohl kaum wird durchführen lassen, so lange das Grundeigentum dem Privat¬
recht unterstellt ist. Möge man zunächst den Anfang damit machen, durch
Erlaß eines Heimstättengesetzes und durch Gründung von Rentengüteru einen
Schutz des landwirtschaftlichen Besitzes gegen die rein marktmäßige Behandlung
anzubahnen. Erwähnen möchte ich noch folgende Vorschläge des Landwirt-
schaftsrats, die ebenfalls zeigen, daß der von mir beschriebene Wucherfall
keineswegs eine einzelne Erscheinung ist, sondern ganz ähnliches auch anderwärts
vorkommt: "1. Bei nlleu Verkäufe" von Grundstücke" ist eine Übereinkunft
dahin, ü) daß der Verkäufer für eine" bestimmten Erlös aus dein Verkaufs-
vbjekt Garantie leiste, b) daß der Verkäufer eines oder mehrere Stücke zu einem
bestimmte" Preis wieder an Zahlnngsstatt zurücknehmen müsse, wenn sie nicht
verkauft werden können -- unstatthaft und unverbindlich. 2. Bei allen Ver¬
läufen von Grundstücken dürfen außer deu gesetzlichen Abgaben und tarifmäßigen
Gebühren unter keinerlei Namen lind Vorwand Nebenkosten, wie z. B. Trink¬
geld, Provision, Zehrungsaufwand u. dergl. -- ich füge hinzu "Zählgroschen" --
ausbedungen werden."

Die gesamten bürgerlichen Gesetze über Vertragsabschlüsse müssen so ge¬
staltet werden, daß die Ausbeutung unerfahrener Leute möglichst erschwert
wird. In dieser Beziehung scheint mir eine Vorschrift des Entwurfes eines


Der Tcmdwucher

sante Volkswirtschaft dadurch einer gefährlichen Unsicherheit ausgesetzt werden
würden. Ähnliches hat zwar auf dein Kongreß des Vereins sür Sozialpolitik
im Jahre 1888 zu Frankfurt der Berichterstatter Professor von Miaskowsli
aus Breslau ausgeführt. Seine Auseinandersetzungen waren aber gegen einen
viel weitergehenden Vorschlag gerichtet, nämlich den, die Strafbestimmungen
über den Wucher allgemein auf alle betastenden Verträge auszudehnen. Dein
könnte mau in der That nicht beitreten, da dem Richter nicht das Amt eines
Censors für den gesamten wirtschaftlichen Verkehr übertragen werden kann.

Neben der hier vorgeschlagenen Ergänzung des Wuchergesetzes sind aber
auch noch andre Maßregeln beachtenswert, insbesondre die von dem deutsche»
Landwirtschaftsrat angeregte Ausdehnung der für die Pfandleiher geltenden
Gewerbebeschränkungen auf die Personen, die aus der Betreibung von Geld-
und .Kreditgeschäften mit der bäuerlichen Bevölkerung ein Geschäft machen.
Daran hat Landgerichtsdirektor Ernst Barre in seiner hauptsächlich rheinische
Verhältnisse behandelnden Schrift: Der ländliche Wucher (Berlin, N. v.
Denkers Verlag, 1890) die Forderung geschlossen, allen solchen Gewerbtreibenden
und denen, die sich mit dem Ankauf und Verkauf von Grundstücken und Cessions-
prvtvkvllen beschäftigen, die Pflicht einer ordnungsmäßigen Buchführung auf¬
zuerlegen und ihnen vorzuschreiben, ihren Schuldnern halbjährlich Rechnungs¬
auszüge zuzustellen. Die von dem Landwirtschaftsrat weiter geforderte Ein-
schränkung des gewerbsmäßig betriebenen Handels mit ländlichen Grundstücken
ist ein Borschlag, dessen Erörterung hier zu weit führen würde, und der sich
wohl kaum wird durchführen lassen, so lange das Grundeigentum dem Privat¬
recht unterstellt ist. Möge man zunächst den Anfang damit machen, durch
Erlaß eines Heimstättengesetzes und durch Gründung von Rentengüteru einen
Schutz des landwirtschaftlichen Besitzes gegen die rein marktmäßige Behandlung
anzubahnen. Erwähnen möchte ich noch folgende Vorschläge des Landwirt-
schaftsrats, die ebenfalls zeigen, daß der von mir beschriebene Wucherfall
keineswegs eine einzelne Erscheinung ist, sondern ganz ähnliches auch anderwärts
vorkommt: „1. Bei nlleu Verkäufe» von Grundstücke» ist eine Übereinkunft
dahin, ü) daß der Verkäufer für eine» bestimmten Erlös aus dein Verkaufs-
vbjekt Garantie leiste, b) daß der Verkäufer eines oder mehrere Stücke zu einem
bestimmte» Preis wieder an Zahlnngsstatt zurücknehmen müsse, wenn sie nicht
verkauft werden können — unstatthaft und unverbindlich. 2. Bei allen Ver¬
läufen von Grundstücken dürfen außer deu gesetzlichen Abgaben und tarifmäßigen
Gebühren unter keinerlei Namen lind Vorwand Nebenkosten, wie z. B. Trink¬
geld, Provision, Zehrungsaufwand u. dergl. — ich füge hinzu »Zählgroschen« —
ausbedungen werden."

Die gesamten bürgerlichen Gesetze über Vertragsabschlüsse müssen so ge¬
staltet werden, daß die Ausbeutung unerfahrener Leute möglichst erschwert
wird. In dieser Beziehung scheint mir eine Vorschrift des Entwurfes eines


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[0170] Der Tcmdwucher sante Volkswirtschaft dadurch einer gefährlichen Unsicherheit ausgesetzt werden würden. Ähnliches hat zwar auf dein Kongreß des Vereins sür Sozialpolitik im Jahre 1888 zu Frankfurt der Berichterstatter Professor von Miaskowsli aus Breslau ausgeführt. Seine Auseinandersetzungen waren aber gegen einen viel weitergehenden Vorschlag gerichtet, nämlich den, die Strafbestimmungen über den Wucher allgemein auf alle betastenden Verträge auszudehnen. Dein könnte mau in der That nicht beitreten, da dem Richter nicht das Amt eines Censors für den gesamten wirtschaftlichen Verkehr übertragen werden kann. Neben der hier vorgeschlagenen Ergänzung des Wuchergesetzes sind aber auch noch andre Maßregeln beachtenswert, insbesondre die von dem deutsche» Landwirtschaftsrat angeregte Ausdehnung der für die Pfandleiher geltenden Gewerbebeschränkungen auf die Personen, die aus der Betreibung von Geld- und .Kreditgeschäften mit der bäuerlichen Bevölkerung ein Geschäft machen. Daran hat Landgerichtsdirektor Ernst Barre in seiner hauptsächlich rheinische Verhältnisse behandelnden Schrift: Der ländliche Wucher (Berlin, N. v. Denkers Verlag, 1890) die Forderung geschlossen, allen solchen Gewerbtreibenden und denen, die sich mit dem Ankauf und Verkauf von Grundstücken und Cessions- prvtvkvllen beschäftigen, die Pflicht einer ordnungsmäßigen Buchführung auf¬ zuerlegen und ihnen vorzuschreiben, ihren Schuldnern halbjährlich Rechnungs¬ auszüge zuzustellen. Die von dem Landwirtschaftsrat weiter geforderte Ein- schränkung des gewerbsmäßig betriebenen Handels mit ländlichen Grundstücken ist ein Borschlag, dessen Erörterung hier zu weit führen würde, und der sich wohl kaum wird durchführen lassen, so lange das Grundeigentum dem Privat¬ recht unterstellt ist. Möge man zunächst den Anfang damit machen, durch Erlaß eines Heimstättengesetzes und durch Gründung von Rentengüteru einen Schutz des landwirtschaftlichen Besitzes gegen die rein marktmäßige Behandlung anzubahnen. Erwähnen möchte ich noch folgende Vorschläge des Landwirt- schaftsrats, die ebenfalls zeigen, daß der von mir beschriebene Wucherfall keineswegs eine einzelne Erscheinung ist, sondern ganz ähnliches auch anderwärts vorkommt: „1. Bei nlleu Verkäufe» von Grundstücke» ist eine Übereinkunft dahin, ü) daß der Verkäufer für eine» bestimmten Erlös aus dein Verkaufs- vbjekt Garantie leiste, b) daß der Verkäufer eines oder mehrere Stücke zu einem bestimmte» Preis wieder an Zahlnngsstatt zurücknehmen müsse, wenn sie nicht verkauft werden können — unstatthaft und unverbindlich. 2. Bei allen Ver¬ läufen von Grundstücken dürfen außer deu gesetzlichen Abgaben und tarifmäßigen Gebühren unter keinerlei Namen lind Vorwand Nebenkosten, wie z. B. Trink¬ geld, Provision, Zehrungsaufwand u. dergl. — ich füge hinzu »Zählgroschen« — ausbedungen werden." Die gesamten bürgerlichen Gesetze über Vertragsabschlüsse müssen so ge¬ staltet werden, daß die Ausbeutung unerfahrener Leute möglichst erschwert wird. In dieser Beziehung scheint mir eine Vorschrift des Entwurfes eines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/170>, abgerufen am 23.07.2024.