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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Hypotheken von dem Knnspreise bezahlt werden konnten. Sie wollten lieber
eine kleine Hypothek behalten, um später damit weiter zu arbeiten. Abgesehen
von einem an E. selbst gezählten Betrage von etwa 650 Mark wurden nun
alle Kaufgelder an M. und N. gezahlt. Diese ließen sich nämlich, obwohl sie
nicht Verkäufer, nur Unterhändler waren, von E. auch noch die Kaufgeld-
fvrderungen schriftlich abtreten, mit der teilweise zutreffenden Vegründnng, sie
müßten das Geld zur Abtragung der Hypothekenschulden bis zur Auslassung
an die Parzellenerwerber verwenden. Neben diesem dritten Strick wurde nun
aber noch der vierte gedreht und von E. willig angenommen, bestehend in
einer schriftlichen Vollmacht an M. und N. zur Auslassung. Nun war die
Klappe geschlossen, und der Vogel konnte wohl noch flattern oder piepsen,
aber ans dem Kasten konnte er nicht mehr heraus, da eine Vollmacht zwar
widerrufen werden kann, dies aber meist nur dann rechtlich wirksam ist. wenn
auch die Vollmachtschrift den Händen des Bevollmächtigten entwunden wird.
M. und N. waren nach allen Seiten gedeckt, auch wenn es dem deutschen
Michel noch Hütte einfallen sollen. Schwierigkeiten zu macheu. E. war tote
Puppe, ein lebloser Spielball seiner Gönner geworden, schon ehe das eintrat,
was bald daraus die Sachlage etwas änderte, nämlich der Tod des so leicht¬
gläubigen Menschen. E. starb, ehe die nur gegen Auflassung zur Entrichtung
des Kaufschillings verpflichteten Käufer die Gelder gezahlt hatten. Während
nun die Vermittler bei der Angelegenheit noch immer sehr beteiligt waren,
stand man zwar jetzt einer ebenfalls gänzlich unbeholfenen, auch in die
Sache von dem Verstorbenen wenig eingeweihten Witwe mit neun unmiindigeu
Kindern, aber auch dem Vormundschaftsgericht gegenüber, während die Voll¬
macht des E. für seiue Erben nicht verbindlich war. Daralls erwuchsen deu
Juden einige Schwierigkeiten, die denn auch dahin führten, die von ihnen
gehoffte Wucherbeute etwas zu verringern. Das Geschüft nahm folgenden
weiteren Verlauf- Die Juden wollten ausgerechnet haben, daß ihnen, da sie
in der That nicht nur die vier Parzellen von der Haft für die Hypotheken
von 14450 Mark gänzlich frei machten, sondern auch auf dem der Familie E.
verbleibenden Restgut für sich selbst nur eine Teilhypothek vou 3000 Mark
steheu ließen, ein etwa gleich hoher durch diese Hypothek zu denkender Geld¬
betrag noch zukäme. Das Vormundschaftsgericht genehmigte denn auch,
indem es zur Sicherung der Minderjährigen den sonst den Geschäftsleuten
zukommenden Hypothekenbrief über die 3000 Mark vorläufig in gerichtlicher
Verwahrung zurückbehielt, weil das Guthaben noch nicht nachgewiesen war,
die Auslassung, die dann durch die Witwe und den Gegenvormund an die vier
Parzelleukäufer nach Zahlung der Kaufgelder an die Mittelsmänner erfolgte.
Über die Abrechnung kam es aber zum Streit. Nach der zuerst eingereichten
Aufstellung der Juden hatten diese nur 14263,10 Mark eingenommen, aber
15587,93 Mark ausgegeben und beanspruchten deshalb, da sich diese Summe


Hypotheken von dem Knnspreise bezahlt werden konnten. Sie wollten lieber
eine kleine Hypothek behalten, um später damit weiter zu arbeiten. Abgesehen
von einem an E. selbst gezählten Betrage von etwa 650 Mark wurden nun
alle Kaufgelder an M. und N. gezahlt. Diese ließen sich nämlich, obwohl sie
nicht Verkäufer, nur Unterhändler waren, von E. auch noch die Kaufgeld-
fvrderungen schriftlich abtreten, mit der teilweise zutreffenden Vegründnng, sie
müßten das Geld zur Abtragung der Hypothekenschulden bis zur Auslassung
an die Parzellenerwerber verwenden. Neben diesem dritten Strick wurde nun
aber noch der vierte gedreht und von E. willig angenommen, bestehend in
einer schriftlichen Vollmacht an M. und N. zur Auslassung. Nun war die
Klappe geschlossen, und der Vogel konnte wohl noch flattern oder piepsen,
aber ans dem Kasten konnte er nicht mehr heraus, da eine Vollmacht zwar
widerrufen werden kann, dies aber meist nur dann rechtlich wirksam ist. wenn
auch die Vollmachtschrift den Händen des Bevollmächtigten entwunden wird.
M. und N. waren nach allen Seiten gedeckt, auch wenn es dem deutschen
Michel noch Hütte einfallen sollen. Schwierigkeiten zu macheu. E. war tote
Puppe, ein lebloser Spielball seiner Gönner geworden, schon ehe das eintrat,
was bald daraus die Sachlage etwas änderte, nämlich der Tod des so leicht¬
gläubigen Menschen. E. starb, ehe die nur gegen Auflassung zur Entrichtung
des Kaufschillings verpflichteten Käufer die Gelder gezahlt hatten. Während
nun die Vermittler bei der Angelegenheit noch immer sehr beteiligt waren,
stand man zwar jetzt einer ebenfalls gänzlich unbeholfenen, auch in die
Sache von dem Verstorbenen wenig eingeweihten Witwe mit neun unmiindigeu
Kindern, aber auch dem Vormundschaftsgericht gegenüber, während die Voll¬
macht des E. für seiue Erben nicht verbindlich war. Daralls erwuchsen deu
Juden einige Schwierigkeiten, die denn auch dahin führten, die von ihnen
gehoffte Wucherbeute etwas zu verringern. Das Geschüft nahm folgenden
weiteren Verlauf- Die Juden wollten ausgerechnet haben, daß ihnen, da sie
in der That nicht nur die vier Parzellen von der Haft für die Hypotheken
von 14450 Mark gänzlich frei machten, sondern auch auf dem der Familie E.
verbleibenden Restgut für sich selbst nur eine Teilhypothek vou 3000 Mark
steheu ließen, ein etwa gleich hoher durch diese Hypothek zu denkender Geld¬
betrag noch zukäme. Das Vormundschaftsgericht genehmigte denn auch,
indem es zur Sicherung der Minderjährigen den sonst den Geschäftsleuten
zukommenden Hypothekenbrief über die 3000 Mark vorläufig in gerichtlicher
Verwahrung zurückbehielt, weil das Guthaben noch nicht nachgewiesen war,
die Auslassung, die dann durch die Witwe und den Gegenvormund an die vier
Parzelleukäufer nach Zahlung der Kaufgelder an die Mittelsmänner erfolgte.
Über die Abrechnung kam es aber zum Streit. Nach der zuerst eingereichten
Aufstellung der Juden hatten diese nur 14263,10 Mark eingenommen, aber
15587,93 Mark ausgegeben und beanspruchten deshalb, da sich diese Summe


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[0167] Hypotheken von dem Knnspreise bezahlt werden konnten. Sie wollten lieber eine kleine Hypothek behalten, um später damit weiter zu arbeiten. Abgesehen von einem an E. selbst gezählten Betrage von etwa 650 Mark wurden nun alle Kaufgelder an M. und N. gezahlt. Diese ließen sich nämlich, obwohl sie nicht Verkäufer, nur Unterhändler waren, von E. auch noch die Kaufgeld- fvrderungen schriftlich abtreten, mit der teilweise zutreffenden Vegründnng, sie müßten das Geld zur Abtragung der Hypothekenschulden bis zur Auslassung an die Parzellenerwerber verwenden. Neben diesem dritten Strick wurde nun aber noch der vierte gedreht und von E. willig angenommen, bestehend in einer schriftlichen Vollmacht an M. und N. zur Auslassung. Nun war die Klappe geschlossen, und der Vogel konnte wohl noch flattern oder piepsen, aber ans dem Kasten konnte er nicht mehr heraus, da eine Vollmacht zwar widerrufen werden kann, dies aber meist nur dann rechtlich wirksam ist. wenn auch die Vollmachtschrift den Händen des Bevollmächtigten entwunden wird. M. und N. waren nach allen Seiten gedeckt, auch wenn es dem deutschen Michel noch Hütte einfallen sollen. Schwierigkeiten zu macheu. E. war tote Puppe, ein lebloser Spielball seiner Gönner geworden, schon ehe das eintrat, was bald daraus die Sachlage etwas änderte, nämlich der Tod des so leicht¬ gläubigen Menschen. E. starb, ehe die nur gegen Auflassung zur Entrichtung des Kaufschillings verpflichteten Käufer die Gelder gezahlt hatten. Während nun die Vermittler bei der Angelegenheit noch immer sehr beteiligt waren, stand man zwar jetzt einer ebenfalls gänzlich unbeholfenen, auch in die Sache von dem Verstorbenen wenig eingeweihten Witwe mit neun unmiindigeu Kindern, aber auch dem Vormundschaftsgericht gegenüber, während die Voll¬ macht des E. für seiue Erben nicht verbindlich war. Daralls erwuchsen deu Juden einige Schwierigkeiten, die denn auch dahin führten, die von ihnen gehoffte Wucherbeute etwas zu verringern. Das Geschüft nahm folgenden weiteren Verlauf- Die Juden wollten ausgerechnet haben, daß ihnen, da sie in der That nicht nur die vier Parzellen von der Haft für die Hypotheken von 14450 Mark gänzlich frei machten, sondern auch auf dem der Familie E. verbleibenden Restgut für sich selbst nur eine Teilhypothek vou 3000 Mark steheu ließen, ein etwa gleich hoher durch diese Hypothek zu denkender Geld¬ betrag noch zukäme. Das Vormundschaftsgericht genehmigte denn auch, indem es zur Sicherung der Minderjährigen den sonst den Geschäftsleuten zukommenden Hypothekenbrief über die 3000 Mark vorläufig in gerichtlicher Verwahrung zurückbehielt, weil das Guthaben noch nicht nachgewiesen war, die Auslassung, die dann durch die Witwe und den Gegenvormund an die vier Parzelleukäufer nach Zahlung der Kaufgelder an die Mittelsmänner erfolgte. Über die Abrechnung kam es aber zum Streit. Nach der zuerst eingereichten Aufstellung der Juden hatten diese nur 14263,10 Mark eingenommen, aber 15587,93 Mark ausgegeben und beanspruchten deshalb, da sich diese Summe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/167>, abgerufen am 26.08.2024.