Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Aus dänischer Zeit wundervolle Spukgeschichte erzählt hatte. In dieser Geschichte kamen minde¬ Mahlmann saß auf der Bank vor seiner Hausthür und streckte die fleisch¬ ,,So was hatt ich anno dunuemals in Pries auch maunichmal. Liebe Aus dänischer Zeit wundervolle Spukgeschichte erzählt hatte. In dieser Geschichte kamen minde¬ Mahlmann saß auf der Bank vor seiner Hausthür und streckte die fleisch¬ ,,So was hatt ich anno dunuemals in Pries auch maunichmal. Liebe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289910"/> <fw type="header" place="top"> Aus dänischer Zeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_395" prev="#ID_394"> wundervolle Spukgeschichte erzählt hatte. In dieser Geschichte kamen minde¬<lb/> stens ein halbes Dutzend Hexen und ein ganzes Dutzend Gespenster vor, und<lb/> ich war viele Abende nachher unter Thränen und nur unter der Bedingung<lb/> zu Bette gegangen, daß jemand bei mir süße, bis ich eingeschlafen wäre.<lb/> Aber der Reiz des Schauerlichen war doch so stark bei mir, daß ich Mahl-<lb/> mann seit der Zeit noch lieber besuchte und ihm manchmal aus den eignen<lb/> schmalen Mitteln etwas kaufte, nnr um ihn zum Erzählen zu bringen. Es<lb/> gelang das aber nicht immer, denn der Alte war Stimmungen unterworfen,<lb/> die ihn manchmal wortkarg und verdrießlich machten. Manchmal aber erzählte<lb/> er doch allerlei aus seinem Leben, dem es ehemals nicht an Abwechslung ge¬<lb/> fehlt hatte. Als Diener eines höhern dänischen Militärs war er zur Zeit der<lb/> Revolution in Paris gewesen, und seine Beschreibung, „wie die feinen Herrus<lb/> da alle in ein alten Slachterwagen mußten, damit ihnen der Kopf abgcslagen<lb/> wurde," war äußerst deutlich. „Mein Baron war da mit einemmal auch mit<lb/> mang und sollte auch zu die alte Tine oder wie das Ding hieß," erzählte<lb/> er mir eines Tages, als er zum Sprechen besonders aufgelegt war; „aber er<lb/> kam noch gut davon. Das war so einer, der konnte die Weihers bethören,<lb/> und die Weihers habe» ihn denn ja auch glücklich aus die Stadt gebracht!"</p><lb/> <p xml:id="ID_396"> Mahlmann saß auf der Bank vor seiner Hausthür und streckte die fleisch¬<lb/> losen Hände so, daß die Sonne darauf scheinen konnte. Um die Schultern<lb/> hatte er einen zerlumpten Rock, der ehemals rot gewesen war, nun aber in<lb/> allen Farben schillerte. Es war so heiß, daß ich mich in deu Schatten der<lb/> Hausthür flüchtete; der alte Mann aber zitterte vor Frost. Ich hatte ihm<lb/> ein großes Stück Kuchen gebracht und hielt es ihm jetzt hin. Langsam griff<lb/> er darnach, und langsam aß er es auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_397" next="#ID_398"> ,,So was hatt ich anno dunuemals in Pries auch maunichmal. Liebe<lb/> Zeit! Mein Baron war ein hübschen Mann, und für meine Jahraus, fnfzehn<lb/> oder sechzehn bin ich woll gewesen, hatte ich einen guten Verstand. Bloß,<lb/> ich konnte die alte fransche Sprache nich rend verstehen, und das war ärgerlich.<lb/> Aber die Geschichte mit die lütte Mamsell konnte ich begreifen, deu» sie wohnte<lb/> uns gegenüber, und ihr Vater hatte ein Krümergeschäft, wo sie mit in Laden<lb/> half. Zuerst kauften wir da nix; aber ein langer Engelländer erzählte an<lb/> meinen Baron, daß da bei diesen Krämer ein seinen Ungnrwein zu haben wär.<lb/> Der kam aus den König sein Weinkeller, der ja nun doch kein Wein mehr<lb/> trank, weil daß er anch zu die Gardine hatte fahren müssen. Und den Wein<lb/> hatten sich ein paar vernünftige Lenkers geteilt, was ja recht und billig war,<lb/> und er kostete ein Spottgeld. Da bin ich denn herüber gewesen und hab<lb/> was davon gekauft, und Mamsell Mnuou war im Laden und hat über meine<lb/> Sprache gelacht, bis sie weinte, lind ich bin bös gewesen, und als ich mit<lb/> dem Wein zu meinem Baron kam, hab ich gesagt, daß ich nich mehr zu die<lb/> dumme Mamsell wollte, die „ich mal deutsch verstände. Den andern Tag</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
Aus dänischer Zeit
wundervolle Spukgeschichte erzählt hatte. In dieser Geschichte kamen minde¬
stens ein halbes Dutzend Hexen und ein ganzes Dutzend Gespenster vor, und
ich war viele Abende nachher unter Thränen und nur unter der Bedingung
zu Bette gegangen, daß jemand bei mir süße, bis ich eingeschlafen wäre.
Aber der Reiz des Schauerlichen war doch so stark bei mir, daß ich Mahl-
mann seit der Zeit noch lieber besuchte und ihm manchmal aus den eignen
schmalen Mitteln etwas kaufte, nnr um ihn zum Erzählen zu bringen. Es
gelang das aber nicht immer, denn der Alte war Stimmungen unterworfen,
die ihn manchmal wortkarg und verdrießlich machten. Manchmal aber erzählte
er doch allerlei aus seinem Leben, dem es ehemals nicht an Abwechslung ge¬
fehlt hatte. Als Diener eines höhern dänischen Militärs war er zur Zeit der
Revolution in Paris gewesen, und seine Beschreibung, „wie die feinen Herrus
da alle in ein alten Slachterwagen mußten, damit ihnen der Kopf abgcslagen
wurde," war äußerst deutlich. „Mein Baron war da mit einemmal auch mit
mang und sollte auch zu die alte Tine oder wie das Ding hieß," erzählte
er mir eines Tages, als er zum Sprechen besonders aufgelegt war; „aber er
kam noch gut davon. Das war so einer, der konnte die Weihers bethören,
und die Weihers habe» ihn denn ja auch glücklich aus die Stadt gebracht!"
Mahlmann saß auf der Bank vor seiner Hausthür und streckte die fleisch¬
losen Hände so, daß die Sonne darauf scheinen konnte. Um die Schultern
hatte er einen zerlumpten Rock, der ehemals rot gewesen war, nun aber in
allen Farben schillerte. Es war so heiß, daß ich mich in deu Schatten der
Hausthür flüchtete; der alte Mann aber zitterte vor Frost. Ich hatte ihm
ein großes Stück Kuchen gebracht und hielt es ihm jetzt hin. Langsam griff
er darnach, und langsam aß er es auf.
,,So was hatt ich anno dunuemals in Pries auch maunichmal. Liebe
Zeit! Mein Baron war ein hübschen Mann, und für meine Jahraus, fnfzehn
oder sechzehn bin ich woll gewesen, hatte ich einen guten Verstand. Bloß,
ich konnte die alte fransche Sprache nich rend verstehen, und das war ärgerlich.
Aber die Geschichte mit die lütte Mamsell konnte ich begreifen, deu» sie wohnte
uns gegenüber, und ihr Vater hatte ein Krümergeschäft, wo sie mit in Laden
half. Zuerst kauften wir da nix; aber ein langer Engelländer erzählte an
meinen Baron, daß da bei diesen Krämer ein seinen Ungnrwein zu haben wär.
Der kam aus den König sein Weinkeller, der ja nun doch kein Wein mehr
trank, weil daß er anch zu die Gardine hatte fahren müssen. Und den Wein
hatten sich ein paar vernünftige Lenkers geteilt, was ja recht und billig war,
und er kostete ein Spottgeld. Da bin ich denn herüber gewesen und hab
was davon gekauft, und Mamsell Mnuou war im Laden und hat über meine
Sprache gelacht, bis sie weinte, lind ich bin bös gewesen, und als ich mit
dem Wein zu meinem Baron kam, hab ich gesagt, daß ich nich mehr zu die
dumme Mamsell wollte, die „ich mal deutsch verstände. Den andern Tag
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |