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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Ca Sireifzug durch das Gestrüpp der ^rauenfrage

und Lebensstellung der Schüler in diese lege" mußte, nur einige besonders
gepflegt werden, die in dein Boden, der Lebenslust und dem Interessenkreise,
in den sie alle gelegt wurden, ein besten zu gedeihen, zu nützen und zu er¬
freuen versprechen. Die erwähnten Umstände führen jetzt die der ersten Jugend
entwachsenden strebsamen Mädchen der bessern Stände häufig zu planlosen
Aneignen der verschiedenartigsten Kenntnisse, die wohl den Bildungsgrad er¬
höhen, dadurch auch vorübergehend befriedigen, aber keinen wahren, dauernden
Wert haben. Vildnng als Selbstzweck wirkt verzehrend, wie uus das traurige
Begetiren so mancher geistig hochstehenden Menschen, die keine Pflichten haben,
zeigt; mir mit dem Ziele, zu eignem oder andrer Frommen verwertet zu
werden, beglückt sie. Ebenso verhält es sich mit körperlicher Arbeit, die neben
der geistigen vernachlässigt wird, trotzdem daß anch sie einen Quell der Be¬
friedigung in sich birgt. Erniedrigend ist Arbeit, gleich vielen andern Dingen,
uur dann, wenn ihr jeder sittliche Hintergrund fehlt. Je unabhängiger ein
Mädchen von fremder Arbeitskraft ist, desto beruhigter kann es in eine un¬
gewisse Zukunft sehen; denn es braucht dementsprechend weniger zu fürchten,
daß die bloßen Herstellungskosten sür standesgemäße Bekleidung und sonstige
Einrichtung dereinst den größten Teil dessen verschlingen werden, was es etwa
durch Arbeit auf höhern Gebieten erwirbt.

Damit soll nicht gesagt sein, daß die Frau der Bildung nnr um andrer
willen bedürfe. Des Mannes übrige, um nicht zu sagen überflüssige Zeit ist
die, die er seiner Frau widmet, während eine Frau nur die Zeit übrig hat,
>" der sie nicht für die Ihrigen lebt. Je mehr solche übrige Zeit eine Frau
hat, desto notwendiger ist es, daß sie sich für Dinge interessirt, deren Pflege
uicht uur diese Zeit, sondern während derselben auch ihre Gedanken ausfüllt.
Keine nicht nur gebildete, sondern wirklich gescheite Frau wird um dieser
Interessen willen Mann, Haus oder Kinder vernachlässigen. Pflegen doch
gerade die Frauen, die sich als Mädchen am eifrigsten mit den Wissenschaften
beschäftigen, am schnellsten alle Gelehrsamkeit über Bord zu werfen, sobald sie
Mutterpflichten zu erfüllen haben. Aber eben um dieser Pflichten willen be¬
gehen sie heranwachsenden Kindern gegenüber ein Unrecht damit; denn die
Mutter soll befähigt sein, nicht nnr den Körper, sondern auch die Seele und
den Geist des Kindes zu Pflegen. Die Losung sei deshalb nicht: häuslich
"der, sondern häuslich und gebildet.

Ich verlange also, daß die Männer sich mehr um ihre Frauen und beide
zusammen sich mehr um ihre Kiuder kümmern sollen. Damit hätten wir den
Übergang zur zweiten Abteilung.

Eduard von Hartmann sagt: Für die Frauen giebt es nnr eine Frage,
das ist die Kinderfrage. Ich stimme ihn: zu, wahre mir jedoch die Freiheit,
diesen Ausdruck in meinem Sinne aufzufassen, in dem Sinne nämlich, in dem
^' sich mit der Altjuugfernfragc vertrüge. Denn wenn andre, Hartmanns


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und Lebensstellung der Schüler in diese lege» mußte, nur einige besonders
gepflegt werden, die in dein Boden, der Lebenslust und dem Interessenkreise,
in den sie alle gelegt wurden, ein besten zu gedeihen, zu nützen und zu er¬
freuen versprechen. Die erwähnten Umstände führen jetzt die der ersten Jugend
entwachsenden strebsamen Mädchen der bessern Stände häufig zu planlosen
Aneignen der verschiedenartigsten Kenntnisse, die wohl den Bildungsgrad er¬
höhen, dadurch auch vorübergehend befriedigen, aber keinen wahren, dauernden
Wert haben. Vildnng als Selbstzweck wirkt verzehrend, wie uus das traurige
Begetiren so mancher geistig hochstehenden Menschen, die keine Pflichten haben,
zeigt; mir mit dem Ziele, zu eignem oder andrer Frommen verwertet zu
werden, beglückt sie. Ebenso verhält es sich mit körperlicher Arbeit, die neben
der geistigen vernachlässigt wird, trotzdem daß anch sie einen Quell der Be¬
friedigung in sich birgt. Erniedrigend ist Arbeit, gleich vielen andern Dingen,
uur dann, wenn ihr jeder sittliche Hintergrund fehlt. Je unabhängiger ein
Mädchen von fremder Arbeitskraft ist, desto beruhigter kann es in eine un¬
gewisse Zukunft sehen; denn es braucht dementsprechend weniger zu fürchten,
daß die bloßen Herstellungskosten sür standesgemäße Bekleidung und sonstige
Einrichtung dereinst den größten Teil dessen verschlingen werden, was es etwa
durch Arbeit auf höhern Gebieten erwirbt.

Damit soll nicht gesagt sein, daß die Frau der Bildung nnr um andrer
willen bedürfe. Des Mannes übrige, um nicht zu sagen überflüssige Zeit ist
die, die er seiner Frau widmet, während eine Frau nur die Zeit übrig hat,
>» der sie nicht für die Ihrigen lebt. Je mehr solche übrige Zeit eine Frau
hat, desto notwendiger ist es, daß sie sich für Dinge interessirt, deren Pflege
uicht uur diese Zeit, sondern während derselben auch ihre Gedanken ausfüllt.
Keine nicht nur gebildete, sondern wirklich gescheite Frau wird um dieser
Interessen willen Mann, Haus oder Kinder vernachlässigen. Pflegen doch
gerade die Frauen, die sich als Mädchen am eifrigsten mit den Wissenschaften
beschäftigen, am schnellsten alle Gelehrsamkeit über Bord zu werfen, sobald sie
Mutterpflichten zu erfüllen haben. Aber eben um dieser Pflichten willen be¬
gehen sie heranwachsenden Kindern gegenüber ein Unrecht damit; denn die
Mutter soll befähigt sein, nicht nnr den Körper, sondern auch die Seele und
den Geist des Kindes zu Pflegen. Die Losung sei deshalb nicht: häuslich
"der, sondern häuslich und gebildet.

Ich verlange also, daß die Männer sich mehr um ihre Frauen und beide
zusammen sich mehr um ihre Kiuder kümmern sollen. Damit hätten wir den
Übergang zur zweiten Abteilung.

Eduard von Hartmann sagt: Für die Frauen giebt es nnr eine Frage,
das ist die Kinderfrage. Ich stimme ihn: zu, wahre mir jedoch die Freiheit,
diesen Ausdruck in meinem Sinne aufzufassen, in dem Sinne nämlich, in dem
^' sich mit der Altjuugfernfragc vertrüge. Denn wenn andre, Hartmanns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/93>, abgerufen am 24.07.2024.