Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

von ehedem so wohl verdient habe. Freilich seien seine Gegner keine Franzosen,
Menschen, die für die Begründer der Freiheit niemals Verzeihung haben
würden, ihre Sympathien der antirevolutionären Partei der Nationalversammlung
zuwandten. Solche Menschen wagten jetzt seine Zuverlässigkeit in Zweifel zu
ziehen. Und doch gebe es für jeden Franzosen mit offnen Augen nur drei
Möglichkeiten: "Entweder befestigt sich die Republik inmitten aller Angriffe,
oder wir werden in einen Abgrund von Verwirrung, in die allgemeine Zer¬
störung gestürzt, oder das Königtum kehrt zurück, um uus mit noch größerer
Wut und Tyrannei zu knechten." Nur ein Verrückter könne nach 1792 die
Freiheit anderswo als in der Republik suchen, und der Name eines jeden,
der an ihrem Sturze arbeiten wolle, werde der Nachwelt mit dem allgemeinen
nuche belastet überliefert werden. Schließlich wendet er sich voll Entrüstung
gegen das verleumderische Gerücht, er habe in Amerika die weiße Kokarde an¬
gesteckt, und versichert, wenn nnr einer von den ihm gemachten Vorwürfen be¬
gründet wäre, würde er sich für "deu verbrecherischsten Beamten der Republik"
halten.

Wie schade, daß er sich dieses Schriftstückes nicht erinnert hat. das so
gut zu den von uns vorausgeschickten Sätzen gepaßt hätte, und noch besser zu
dem. was er zur Rechtfertigung des 18. Brumaire und seiner Annahme
des Ministerposteus von dem ersten Konsul Bonaparte anführt! "Wenn der
18. Brumaire von wirklichem Nutzen für das Land sein sollte, so mußte
wmi selbst die Monarchie wiederherstellen. Aber man brauchte deshalb noch
nicht gleich einen Thron zu errichten. Ich erkläre mich näher. Die Monarchie,
d- h. die Oberherrschaft eines Einzigen, kann unter drei Formen gedacht werden,
une Monarchie auf gewisse Jahre, oder eine auf Lebenszeit, oder endlich
eine mit Erblichkeit. Zu den beiden ersten gehört vorab (!) kein Thron,
denn sie bilden nur den Übergang zu der dritten. Ohne einen Übergang war
i" Frankreich in seiner jetzigen Lage an die dritte gar nicht zu denken,
oder man hätte uns eine solche dnrch fremde Bajonette aufzwingen müssen.
Es galt also, auf eine Ncngründnng der Monarchie in Frankreich hinzuarbeiten,
wobei aber das Haus Bourbon nicht in Betracht kommen konnte. Dann erst
"nahte man einen Souverän auf Zeit schaffen, um dadurch zu einem lebens¬
länglichen, und schließlich zu einem erblichen zu gelangen."

Wie wir sehen, hatte die Zeit vom 25. Messidor bis zum 18. Brumaire
(noch uicht vier Monate) hingereicht, um ihn mit dem Gedanken, der ver¬
brecherischste Beamte der Republik zu sein. völlig auszusöhnen! Zu diesem
Kapitel mag noch ein Zug erwähnt werden. Die Beziehungen zu Bonaparte
wurden durch einen Brief Talleyrands vom 24. Juli 1797 eingeleitet, worin er
seine Ernennung zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten dem in Ober¬
italien befehligenden General anzeigte, mit der Versicherung, daß dessen ruhm¬
voller Name ihm leicht alle Schwierigkeiten seines Amtes überwinden lassen


von ehedem so wohl verdient habe. Freilich seien seine Gegner keine Franzosen,
Menschen, die für die Begründer der Freiheit niemals Verzeihung haben
würden, ihre Sympathien der antirevolutionären Partei der Nationalversammlung
zuwandten. Solche Menschen wagten jetzt seine Zuverlässigkeit in Zweifel zu
ziehen. Und doch gebe es für jeden Franzosen mit offnen Augen nur drei
Möglichkeiten: „Entweder befestigt sich die Republik inmitten aller Angriffe,
oder wir werden in einen Abgrund von Verwirrung, in die allgemeine Zer¬
störung gestürzt, oder das Königtum kehrt zurück, um uus mit noch größerer
Wut und Tyrannei zu knechten." Nur ein Verrückter könne nach 1792 die
Freiheit anderswo als in der Republik suchen, und der Name eines jeden,
der an ihrem Sturze arbeiten wolle, werde der Nachwelt mit dem allgemeinen
nuche belastet überliefert werden. Schließlich wendet er sich voll Entrüstung
gegen das verleumderische Gerücht, er habe in Amerika die weiße Kokarde an¬
gesteckt, und versichert, wenn nnr einer von den ihm gemachten Vorwürfen be¬
gründet wäre, würde er sich für „deu verbrecherischsten Beamten der Republik"
halten.

Wie schade, daß er sich dieses Schriftstückes nicht erinnert hat. das so
gut zu den von uns vorausgeschickten Sätzen gepaßt hätte, und noch besser zu
dem. was er zur Rechtfertigung des 18. Brumaire und seiner Annahme
des Ministerposteus von dem ersten Konsul Bonaparte anführt! „Wenn der
18. Brumaire von wirklichem Nutzen für das Land sein sollte, so mußte
wmi selbst die Monarchie wiederherstellen. Aber man brauchte deshalb noch
nicht gleich einen Thron zu errichten. Ich erkläre mich näher. Die Monarchie,
d- h. die Oberherrschaft eines Einzigen, kann unter drei Formen gedacht werden,
une Monarchie auf gewisse Jahre, oder eine auf Lebenszeit, oder endlich
eine mit Erblichkeit. Zu den beiden ersten gehört vorab (!) kein Thron,
denn sie bilden nur den Übergang zu der dritten. Ohne einen Übergang war
i" Frankreich in seiner jetzigen Lage an die dritte gar nicht zu denken,
oder man hätte uns eine solche dnrch fremde Bajonette aufzwingen müssen.
Es galt also, auf eine Ncngründnng der Monarchie in Frankreich hinzuarbeiten,
wobei aber das Haus Bourbon nicht in Betracht kommen konnte. Dann erst
»nahte man einen Souverän auf Zeit schaffen, um dadurch zu einem lebens¬
länglichen, und schließlich zu einem erblichen zu gelangen."

Wie wir sehen, hatte die Zeit vom 25. Messidor bis zum 18. Brumaire
(noch uicht vier Monate) hingereicht, um ihn mit dem Gedanken, der ver¬
brecherischste Beamte der Republik zu sein. völlig auszusöhnen! Zu diesem
Kapitel mag noch ein Zug erwähnt werden. Die Beziehungen zu Bonaparte
wurden durch einen Brief Talleyrands vom 24. Juli 1797 eingeleitet, worin er
seine Ernennung zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten dem in Ober¬
italien befehligenden General anzeigte, mit der Versicherung, daß dessen ruhm¬
voller Name ihm leicht alle Schwierigkeiten seines Amtes überwinden lassen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0083" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209950"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_214" prev="#ID_213"> von ehedem so wohl verdient habe. Freilich seien seine Gegner keine Franzosen,<lb/>
Menschen, die für die Begründer der Freiheit niemals Verzeihung haben<lb/>
würden, ihre Sympathien der antirevolutionären Partei der Nationalversammlung<lb/>
zuwandten. Solche Menschen wagten jetzt seine Zuverlässigkeit in Zweifel zu<lb/>
ziehen. Und doch gebe es für jeden Franzosen mit offnen Augen nur drei<lb/>
Möglichkeiten: &#x201E;Entweder befestigt sich die Republik inmitten aller Angriffe,<lb/>
oder wir werden in einen Abgrund von Verwirrung, in die allgemeine Zer¬<lb/>
störung gestürzt, oder das Königtum kehrt zurück, um uus mit noch größerer<lb/>
Wut und Tyrannei zu knechten." Nur ein Verrückter könne nach 1792 die<lb/>
Freiheit anderswo als in der Republik suchen, und der Name eines jeden,<lb/>
der an ihrem Sturze arbeiten wolle, werde der Nachwelt mit dem allgemeinen<lb/>
nuche belastet überliefert werden. Schließlich wendet er sich voll Entrüstung<lb/>
gegen das verleumderische Gerücht, er habe in Amerika die weiße Kokarde an¬<lb/>
gesteckt, und versichert, wenn nnr einer von den ihm gemachten Vorwürfen be¬<lb/>
gründet wäre, würde er sich für &#x201E;deu verbrecherischsten Beamten der Republik"<lb/>
halten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_215"> Wie schade, daß er sich dieses Schriftstückes nicht erinnert hat. das so<lb/>
gut zu den von uns vorausgeschickten Sätzen gepaßt hätte, und noch besser zu<lb/>
dem. was er zur Rechtfertigung des 18. Brumaire und seiner Annahme<lb/>
des Ministerposteus von dem ersten Konsul Bonaparte anführt! &#x201E;Wenn der<lb/>
18. Brumaire von wirklichem Nutzen für das Land sein sollte, so mußte<lb/>
wmi selbst die Monarchie wiederherstellen. Aber man brauchte deshalb noch<lb/>
nicht gleich einen Thron zu errichten. Ich erkläre mich näher. Die Monarchie,<lb/>
d- h. die Oberherrschaft eines Einzigen, kann unter drei Formen gedacht werden,<lb/>
une Monarchie auf gewisse Jahre, oder eine auf Lebenszeit, oder endlich<lb/>
eine mit Erblichkeit. Zu den beiden ersten gehört vorab (!) kein Thron,<lb/>
denn sie bilden nur den Übergang zu der dritten. Ohne einen Übergang war<lb/>
i" Frankreich in seiner jetzigen Lage an die dritte gar nicht zu denken,<lb/>
oder man hätte uns eine solche dnrch fremde Bajonette aufzwingen müssen.<lb/>
Es galt also, auf eine Ncngründnng der Monarchie in Frankreich hinzuarbeiten,<lb/>
wobei aber das Haus Bourbon nicht in Betracht kommen konnte. Dann erst<lb/>
»nahte man einen Souverän auf Zeit schaffen, um dadurch zu einem lebens¬<lb/>
länglichen, und schließlich zu einem erblichen zu gelangen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_216" next="#ID_217"> Wie wir sehen, hatte die Zeit vom 25. Messidor bis zum 18. Brumaire<lb/>
(noch uicht vier Monate) hingereicht, um ihn mit dem Gedanken, der ver¬<lb/>
brecherischste Beamte der Republik zu sein. völlig auszusöhnen! Zu diesem<lb/>
Kapitel mag noch ein Zug erwähnt werden. Die Beziehungen zu Bonaparte<lb/>
wurden durch einen Brief Talleyrands vom 24. Juli 1797 eingeleitet, worin er<lb/>
seine Ernennung zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten dem in Ober¬<lb/>
italien befehligenden General anzeigte, mit der Versicherung, daß dessen ruhm¬<lb/>
voller Name ihm leicht alle Schwierigkeiten seines Amtes überwinden lassen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0083] von ehedem so wohl verdient habe. Freilich seien seine Gegner keine Franzosen, Menschen, die für die Begründer der Freiheit niemals Verzeihung haben würden, ihre Sympathien der antirevolutionären Partei der Nationalversammlung zuwandten. Solche Menschen wagten jetzt seine Zuverlässigkeit in Zweifel zu ziehen. Und doch gebe es für jeden Franzosen mit offnen Augen nur drei Möglichkeiten: „Entweder befestigt sich die Republik inmitten aller Angriffe, oder wir werden in einen Abgrund von Verwirrung, in die allgemeine Zer¬ störung gestürzt, oder das Königtum kehrt zurück, um uus mit noch größerer Wut und Tyrannei zu knechten." Nur ein Verrückter könne nach 1792 die Freiheit anderswo als in der Republik suchen, und der Name eines jeden, der an ihrem Sturze arbeiten wolle, werde der Nachwelt mit dem allgemeinen nuche belastet überliefert werden. Schließlich wendet er sich voll Entrüstung gegen das verleumderische Gerücht, er habe in Amerika die weiße Kokarde an¬ gesteckt, und versichert, wenn nnr einer von den ihm gemachten Vorwürfen be¬ gründet wäre, würde er sich für „deu verbrecherischsten Beamten der Republik" halten. Wie schade, daß er sich dieses Schriftstückes nicht erinnert hat. das so gut zu den von uns vorausgeschickten Sätzen gepaßt hätte, und noch besser zu dem. was er zur Rechtfertigung des 18. Brumaire und seiner Annahme des Ministerposteus von dem ersten Konsul Bonaparte anführt! „Wenn der 18. Brumaire von wirklichem Nutzen für das Land sein sollte, so mußte wmi selbst die Monarchie wiederherstellen. Aber man brauchte deshalb noch nicht gleich einen Thron zu errichten. Ich erkläre mich näher. Die Monarchie, d- h. die Oberherrschaft eines Einzigen, kann unter drei Formen gedacht werden, une Monarchie auf gewisse Jahre, oder eine auf Lebenszeit, oder endlich eine mit Erblichkeit. Zu den beiden ersten gehört vorab (!) kein Thron, denn sie bilden nur den Übergang zu der dritten. Ohne einen Übergang war i" Frankreich in seiner jetzigen Lage an die dritte gar nicht zu denken, oder man hätte uns eine solche dnrch fremde Bajonette aufzwingen müssen. Es galt also, auf eine Ncngründnng der Monarchie in Frankreich hinzuarbeiten, wobei aber das Haus Bourbon nicht in Betracht kommen konnte. Dann erst »nahte man einen Souverän auf Zeit schaffen, um dadurch zu einem lebens¬ länglichen, und schließlich zu einem erblichen zu gelangen." Wie wir sehen, hatte die Zeit vom 25. Messidor bis zum 18. Brumaire (noch uicht vier Monate) hingereicht, um ihn mit dem Gedanken, der ver¬ brecherischste Beamte der Republik zu sein. völlig auszusöhnen! Zu diesem Kapitel mag noch ein Zug erwähnt werden. Die Beziehungen zu Bonaparte wurden durch einen Brief Talleyrands vom 24. Juli 1797 eingeleitet, worin er seine Ernennung zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten dem in Ober¬ italien befehligenden General anzeigte, mit der Versicherung, daß dessen ruhm¬ voller Name ihm leicht alle Schwierigkeiten seines Amtes überwinden lassen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/83
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/83>, abgerufen am 04.07.2024.