Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches "Aber wenn noch die. amtliche Statistik in höherm Grade, mis der Verfasser Auch die ans eine größere Zentralisation der Statistik gerichteten Wünsche des Der wichtigste dieser Wünsche geht dahin, daß das Verständnis für das Wesen Das Deutsche Wochenblatt vom 11. Juni 1891 enthält einen Aufsatz von Maßgebliches und Unmaßgebliches "Aber wenn noch die. amtliche Statistik in höherm Grade, mis der Verfasser Auch die ans eine größere Zentralisation der Statistik gerichteten Wünsche des Der wichtigste dieser Wünsche geht dahin, daß das Verständnis für das Wesen Das Deutsche Wochenblatt vom 11. Juni 1891 enthält einen Aufsatz von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0635" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210502"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1773"> "Aber wenn noch die. amtliche Statistik in höherm Grade, mis der Verfasser<lb/> anzunehmen scheint, ihrer Aufgabe gerecht wird, die veröffentlichten Zahlen zu<lb/> deuten, zu würdigen, zu erläutern und zu kritisiren, so hat doch anch die Private<lb/> statistische Litteratur ihre Daseinsberechtigung noch heute nicht verloren. Und hier<lb/> könnte schon deshalb mehr geschehn, als jetzt üblich ist, weil sich die amtliche<lb/> Statistik in ihren Urteilen doch immer einige Schranken auferlegen muß. Und<lb/> wenn Engel Recht hat mit der Behauptung: „Das befruchtende Element der<lb/> Statistik ist die Öffentlichkeit," so ist damit schon angedeutet, welchen heilsamen<lb/> Einfluß eine Private wissenschaftliche auf die amtliche Statistik haben könnte. Der¬<lb/> artige „Konsumenten" der Statistik dürften freilich nicht in der Weise vorgehn,<lb/> wie es heute Parlamentarier und Zeitungsschreiber zu thun Pflegen, indem sie<lb/> statistische Daten aus dem Zusammenhang reißen und willkürlich deuten. Wir<lb/> vermuten, daß viele Vorwürfe, die der Verfasser den Produzenten der Statistik<lb/> macht, eigentlich diesen Konsumenten gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1774"> Auch die ans eine größere Zentralisation der Statistik gerichteten Wünsche des<lb/> Verfassers können wir nicht teilen. In einem andern Sinne ist allerdings eine<lb/> größere Zentralisation in Dentschland erforderlich. Bekanntlich zerfällt die deutsche<lb/> Statistik in eine zentrale, eine föderirte und eine partikulare. Die zentrale Statistik,<lb/> der vom kaiserlichen statistischen Amt oder andern Neichsbehörden ohne Mitwirkung<lb/> die Landesbehörden aufgemacht wird, ließe sich nnr dann wesentlich erweitern,<lb/> wenn die Zuständigkeit der Reichsverwaltung wesentlich vergrößert würde. Auf<lb/> dem Gebiete der föderirten Statistik würde eine Zentralisation, die den Landes¬<lb/> zentralstellen ihren Arbeitsstoff wegnehmen wollte, nnr nachteilig wirken. Dagegen<lb/> ist eine derartige Zentralisation der föderirten Statistik nicht nur möglich, sondern<lb/> dringend erforderlich, die bei Neichserhebungen das Maß der fakultativen zu Gunsten<lb/> der obligatorischen einschränkt und das geringste Maß der übereinstimmenden<lb/> Leistungen wesentlich erhöht. Anderseits ist eine Dezentralisation dringend nötig<lb/> ans dem Gebiete der Organisation. Denn das Fehlen statistischer Einrichtungen<lb/> in den ländergleichen preußischen Provinzen ist ebenso nachteilig sür die Ver¬<lb/> waltung, wie für das nötige Interesse aller, auch der provinziellen Kreise, an der<lb/> statistischen Produktion und Konsumtion. Eine weitere Dezentralisation thut aber<lb/> auch noch auf dem Gebiete der Zuständigkeit not, indem den statistischen Ämtern<lb/> der Großstädte innerhalb der föderirten Statistik eine ähnliche Stellung eingeräumt<lb/> werden sollte, wie sie der Landes- zur Neichsstalistik einnimmt. Wenn der<lb/> Verfasser eine größere Belebung der Landeskunde durch die Statistik wünscht, so<lb/> können wir ihm darin nur beipflichten; anch darin, daß er ein ordentliches von<lb/> nationalen Zwecken bestimmtes Arbeitsprvgramm für staatswissenschaftliche und<lb/> sozialpolitische Forschungen fordert. Um dies zu ermöglichen, hätten wir aber eine<lb/> ganze Reihe von andern Wünschen für (nicht gegen) die Statistik.</p><lb/> <p xml:id="ID_1775"> Der wichtigste dieser Wünsche geht dahin, daß das Verständnis für das Wesen<lb/> und den Wert der Statistik mehr gefördert werden möge, als bisher. Nichts<lb/> entmutigt jetzt den Statistiker mehr, als daß er hier auf eine Überschätzung, dort<lb/> ans eine Unterschätzung der Statistik stößt, fast nirgends aber ans ein Verständnis<lb/> für ihre wirkliche Art und Bedeutung. Auch bei den nächsten Fachverwandten ist<lb/> ein solches selten zu finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1776" next="#ID_1777"> Das Deutsche Wochenblatt vom 11. Juni 1891 enthält einen Aufsatz von<lb/> Professor Friedrich Kleinwachter in Czernowitz über den österreichischen Gesetz¬<lb/> entwurf, bKreffend die Reform der juristischen Studien. Es wird darin gebilligt,<lb/> daß vom Ausschusse des österreichischen Herrenhauses der von einer Enguetekommission</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0635]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
"Aber wenn noch die. amtliche Statistik in höherm Grade, mis der Verfasser
anzunehmen scheint, ihrer Aufgabe gerecht wird, die veröffentlichten Zahlen zu
deuten, zu würdigen, zu erläutern und zu kritisiren, so hat doch anch die Private
statistische Litteratur ihre Daseinsberechtigung noch heute nicht verloren. Und hier
könnte schon deshalb mehr geschehn, als jetzt üblich ist, weil sich die amtliche
Statistik in ihren Urteilen doch immer einige Schranken auferlegen muß. Und
wenn Engel Recht hat mit der Behauptung: „Das befruchtende Element der
Statistik ist die Öffentlichkeit," so ist damit schon angedeutet, welchen heilsamen
Einfluß eine Private wissenschaftliche auf die amtliche Statistik haben könnte. Der¬
artige „Konsumenten" der Statistik dürften freilich nicht in der Weise vorgehn,
wie es heute Parlamentarier und Zeitungsschreiber zu thun Pflegen, indem sie
statistische Daten aus dem Zusammenhang reißen und willkürlich deuten. Wir
vermuten, daß viele Vorwürfe, die der Verfasser den Produzenten der Statistik
macht, eigentlich diesen Konsumenten gelten.
Auch die ans eine größere Zentralisation der Statistik gerichteten Wünsche des
Verfassers können wir nicht teilen. In einem andern Sinne ist allerdings eine
größere Zentralisation in Dentschland erforderlich. Bekanntlich zerfällt die deutsche
Statistik in eine zentrale, eine föderirte und eine partikulare. Die zentrale Statistik,
der vom kaiserlichen statistischen Amt oder andern Neichsbehörden ohne Mitwirkung
die Landesbehörden aufgemacht wird, ließe sich nnr dann wesentlich erweitern,
wenn die Zuständigkeit der Reichsverwaltung wesentlich vergrößert würde. Auf
dem Gebiete der föderirten Statistik würde eine Zentralisation, die den Landes¬
zentralstellen ihren Arbeitsstoff wegnehmen wollte, nnr nachteilig wirken. Dagegen
ist eine derartige Zentralisation der föderirten Statistik nicht nur möglich, sondern
dringend erforderlich, die bei Neichserhebungen das Maß der fakultativen zu Gunsten
der obligatorischen einschränkt und das geringste Maß der übereinstimmenden
Leistungen wesentlich erhöht. Anderseits ist eine Dezentralisation dringend nötig
ans dem Gebiete der Organisation. Denn das Fehlen statistischer Einrichtungen
in den ländergleichen preußischen Provinzen ist ebenso nachteilig sür die Ver¬
waltung, wie für das nötige Interesse aller, auch der provinziellen Kreise, an der
statistischen Produktion und Konsumtion. Eine weitere Dezentralisation thut aber
auch noch auf dem Gebiete der Zuständigkeit not, indem den statistischen Ämtern
der Großstädte innerhalb der föderirten Statistik eine ähnliche Stellung eingeräumt
werden sollte, wie sie der Landes- zur Neichsstalistik einnimmt. Wenn der
Verfasser eine größere Belebung der Landeskunde durch die Statistik wünscht, so
können wir ihm darin nur beipflichten; anch darin, daß er ein ordentliches von
nationalen Zwecken bestimmtes Arbeitsprvgramm für staatswissenschaftliche und
sozialpolitische Forschungen fordert. Um dies zu ermöglichen, hätten wir aber eine
ganze Reihe von andern Wünschen für (nicht gegen) die Statistik.
Der wichtigste dieser Wünsche geht dahin, daß das Verständnis für das Wesen
und den Wert der Statistik mehr gefördert werden möge, als bisher. Nichts
entmutigt jetzt den Statistiker mehr, als daß er hier auf eine Überschätzung, dort
ans eine Unterschätzung der Statistik stößt, fast nirgends aber ans ein Verständnis
für ihre wirkliche Art und Bedeutung. Auch bei den nächsten Fachverwandten ist
ein solches selten zu finden.
Das Deutsche Wochenblatt vom 11. Juni 1891 enthält einen Aufsatz von
Professor Friedrich Kleinwachter in Czernowitz über den österreichischen Gesetz¬
entwurf, bKreffend die Reform der juristischen Studien. Es wird darin gebilligt,
daß vom Ausschusse des österreichischen Herrenhauses der von einer Enguetekommission
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