Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rokokostudieu

lebens der Geist der Galanterie seine üppigsten Triebe zeitigte und das Wort
galant einen Übeln Klang erhielt, erscheint in der Bezeichnung "das so ge¬
lehrte und galante Obersachsen," wie es im "Hamburger Patrioten" einmal
genannt wird, Leipzig als das bewunderte Borbild. Mit Vorliebe wird es
das galante genannt, und in der Regel ist hier das Wort ein "zMböwn orimn".
Ein vielstimmiger Chor von Lobrednern hat den Ruhm der Stadt im siebzehnten
und achtzehnten Jahrhundert verkündet. Es erhöht den Wert dieser Hymnen,
daß meist Fremde, die vorübergehend oder dauernd hier eine Heimstätte fanden,
die Stadt in Wort und Lied verherrlichten. Besser, der Hofdichter Friedrichs I.
von Preußen, der in Leipzig seiue Gattin, "die unvergeßliche Kühleweinin"
gefunden hatte, nannte es "das nette und wohlgesittete, die Sang-Amme
beydes der Musen und der Gratien," einem gelehrte" Bewunderer galt der
berühmte Meß- und Handelsplatz auch als bmmriun in'tom et vie-MntmL
mei-ca-or-i,. Ju diesem Sinne ist auch die Stadt als vornehmste Bildungsstätte
Deutschlands im achtzehnten Jahrhundert das "galante Leipzig." Alle Reize
des Ortes umschloß dieser weite Begriff. So wird in Menantes Lehrbuche!
"Die allerneueste Art, zur reinen und galanten Poesie zu gelangen" der Preis
des galante" Leipzigs als Thema empfohlen und folgende Disposition an¬
gegeben: "Leipzig ist ein galanter Ort. Es hat el"e lustige Lage, schöne
Hänser, wohl-regulirte Gassen, schöne Kirchen, ein wohlbestelltes Rathhaus, eine
Welt-berühmte Universität, gelehrte und höfliche Einwohner und, was das Vor¬
nehmste, es findet sich hier vor andern Orten schön und oomMi8!i.ut, Frauen¬
zimmer."

Gleichen Anteil an dein Ruhmestitel haben die gelehrte Bildung, die
Tüchtigkeit und der Reichtum des Handelsstaudes, die Feinheit schicklicher
äußerer Formen, wie sie sich in der französischen Kolonie darstellte. Auch die
akademischen Bürger der Stadt dürften sich nnter die gelehrten und höflichen
Einwohner rechnen. Wie das studentische Wesen durch den Geist der Ga¬
lanterie veredelt wurde, ist aus Zacharins "Renommisten" und Goethes
"Wahrheit und Dichtung" bekannt. Schon äußerlich hob sich der Leipziger
Musensohn vorteilhaft von deu Jüngern andrer Universitäten ab. "Eine
lange Stoßklinge und ein gelbes Gefäß mit einem großen runden Stichblatte,
so läßt sich ein Kenner vernehmen, sind ein untrügliches Merkmal eines
Hallensers. Ein schwarzes eisernes Gefäß ist das Kennzeichen eines Jenensers.
Eine breite Klinge ist wittenbergisch. Und ein kleiner Galanteriedegen ist das
Kennzeichen eines Leipzigers." Die Klopffechter und Raufbolde sahen freilich
mit verächtlichem Lächeln herab "wenn etwa ein artiger Leipziger mit dem
Hut in dem Arm und mit eine," Affektationsbändcheu an seinem kleinen Ge-
wehrcheu über deu Markt geht."

Deu besten Trumpf hat sich Menantes für den Schluß aufbewahrt: den
schönsten Ruhm Leipzigs bilden die Frauen. Die kursächsischen Schönen


Rokokostudieu

lebens der Geist der Galanterie seine üppigsten Triebe zeitigte und das Wort
galant einen Übeln Klang erhielt, erscheint in der Bezeichnung „das so ge¬
lehrte und galante Obersachsen," wie es im „Hamburger Patrioten" einmal
genannt wird, Leipzig als das bewunderte Borbild. Mit Vorliebe wird es
das galante genannt, und in der Regel ist hier das Wort ein «zMböwn orimn«.
Ein vielstimmiger Chor von Lobrednern hat den Ruhm der Stadt im siebzehnten
und achtzehnten Jahrhundert verkündet. Es erhöht den Wert dieser Hymnen,
daß meist Fremde, die vorübergehend oder dauernd hier eine Heimstätte fanden,
die Stadt in Wort und Lied verherrlichten. Besser, der Hofdichter Friedrichs I.
von Preußen, der in Leipzig seiue Gattin, „die unvergeßliche Kühleweinin"
gefunden hatte, nannte es „das nette und wohlgesittete, die Sang-Amme
beydes der Musen und der Gratien," einem gelehrte» Bewunderer galt der
berühmte Meß- und Handelsplatz auch als bmmriun in'tom et vie-MntmL
mei-ca-or-i,. Ju diesem Sinne ist auch die Stadt als vornehmste Bildungsstätte
Deutschlands im achtzehnten Jahrhundert das „galante Leipzig." Alle Reize
des Ortes umschloß dieser weite Begriff. So wird in Menantes Lehrbuche!
„Die allerneueste Art, zur reinen und galanten Poesie zu gelangen" der Preis
des galante» Leipzigs als Thema empfohlen und folgende Disposition an¬
gegeben: „Leipzig ist ein galanter Ort. Es hat el»e lustige Lage, schöne
Hänser, wohl-regulirte Gassen, schöne Kirchen, ein wohlbestelltes Rathhaus, eine
Welt-berühmte Universität, gelehrte und höfliche Einwohner und, was das Vor¬
nehmste, es findet sich hier vor andern Orten schön und oomMi8!i.ut, Frauen¬
zimmer."

Gleichen Anteil an dein Ruhmestitel haben die gelehrte Bildung, die
Tüchtigkeit und der Reichtum des Handelsstaudes, die Feinheit schicklicher
äußerer Formen, wie sie sich in der französischen Kolonie darstellte. Auch die
akademischen Bürger der Stadt dürften sich nnter die gelehrten und höflichen
Einwohner rechnen. Wie das studentische Wesen durch den Geist der Ga¬
lanterie veredelt wurde, ist aus Zacharins „Renommisten" und Goethes
„Wahrheit und Dichtung" bekannt. Schon äußerlich hob sich der Leipziger
Musensohn vorteilhaft von deu Jüngern andrer Universitäten ab. „Eine
lange Stoßklinge und ein gelbes Gefäß mit einem großen runden Stichblatte,
so läßt sich ein Kenner vernehmen, sind ein untrügliches Merkmal eines
Hallensers. Ein schwarzes eisernes Gefäß ist das Kennzeichen eines Jenensers.
Eine breite Klinge ist wittenbergisch. Und ein kleiner Galanteriedegen ist das
Kennzeichen eines Leipzigers." Die Klopffechter und Raufbolde sahen freilich
mit verächtlichem Lächeln herab „wenn etwa ein artiger Leipziger mit dem
Hut in dem Arm und mit eine,» Affektationsbändcheu an seinem kleinen Ge-
wehrcheu über deu Markt geht."

Deu besten Trumpf hat sich Menantes für den Schluß aufbewahrt: den
schönsten Ruhm Leipzigs bilden die Frauen. Die kursächsischen Schönen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0588" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210455"/>
          <fw type="header" place="top"> Rokokostudieu</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1631" prev="#ID_1630"> lebens der Geist der Galanterie seine üppigsten Triebe zeitigte und das Wort<lb/>
galant einen Übeln Klang erhielt, erscheint in der Bezeichnung &#x201E;das so ge¬<lb/>
lehrte und galante Obersachsen," wie es im &#x201E;Hamburger Patrioten" einmal<lb/>
genannt wird, Leipzig als das bewunderte Borbild. Mit Vorliebe wird es<lb/>
das galante genannt, und in der Regel ist hier das Wort ein «zMböwn orimn«.<lb/>
Ein vielstimmiger Chor von Lobrednern hat den Ruhm der Stadt im siebzehnten<lb/>
und achtzehnten Jahrhundert verkündet. Es erhöht den Wert dieser Hymnen,<lb/>
daß meist Fremde, die vorübergehend oder dauernd hier eine Heimstätte fanden,<lb/>
die Stadt in Wort und Lied verherrlichten. Besser, der Hofdichter Friedrichs I.<lb/>
von Preußen, der in Leipzig seiue Gattin, &#x201E;die unvergeßliche Kühleweinin"<lb/>
gefunden hatte, nannte es &#x201E;das nette und wohlgesittete, die Sang-Amme<lb/>
beydes der Musen und der Gratien," einem gelehrte» Bewunderer galt der<lb/>
berühmte Meß- und Handelsplatz auch als bmmriun in'tom et vie-MntmL<lb/>
mei-ca-or-i,. Ju diesem Sinne ist auch die Stadt als vornehmste Bildungsstätte<lb/>
Deutschlands im achtzehnten Jahrhundert das &#x201E;galante Leipzig." Alle Reize<lb/>
des Ortes umschloß dieser weite Begriff. So wird in Menantes Lehrbuche!<lb/>
&#x201E;Die allerneueste Art, zur reinen und galanten Poesie zu gelangen" der Preis<lb/>
des galante» Leipzigs als Thema empfohlen und folgende Disposition an¬<lb/>
gegeben: &#x201E;Leipzig ist ein galanter Ort. Es hat el»e lustige Lage, schöne<lb/>
Hänser, wohl-regulirte Gassen, schöne Kirchen, ein wohlbestelltes Rathhaus, eine<lb/>
Welt-berühmte Universität, gelehrte und höfliche Einwohner und, was das Vor¬<lb/>
nehmste, es findet sich hier vor andern Orten schön und oomMi8!i.ut, Frauen¬<lb/>
zimmer."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1632"> Gleichen Anteil an dein Ruhmestitel haben die gelehrte Bildung, die<lb/>
Tüchtigkeit und der Reichtum des Handelsstaudes, die Feinheit schicklicher<lb/>
äußerer Formen, wie sie sich in der französischen Kolonie darstellte. Auch die<lb/>
akademischen Bürger der Stadt dürften sich nnter die gelehrten und höflichen<lb/>
Einwohner rechnen. Wie das studentische Wesen durch den Geist der Ga¬<lb/>
lanterie veredelt wurde, ist aus Zacharins &#x201E;Renommisten" und Goethes<lb/>
&#x201E;Wahrheit und Dichtung" bekannt. Schon äußerlich hob sich der Leipziger<lb/>
Musensohn vorteilhaft von deu Jüngern andrer Universitäten ab. &#x201E;Eine<lb/>
lange Stoßklinge und ein gelbes Gefäß mit einem großen runden Stichblatte,<lb/>
so läßt sich ein Kenner vernehmen, sind ein untrügliches Merkmal eines<lb/>
Hallensers. Ein schwarzes eisernes Gefäß ist das Kennzeichen eines Jenensers.<lb/>
Eine breite Klinge ist wittenbergisch. Und ein kleiner Galanteriedegen ist das<lb/>
Kennzeichen eines Leipzigers." Die Klopffechter und Raufbolde sahen freilich<lb/>
mit verächtlichem Lächeln herab &#x201E;wenn etwa ein artiger Leipziger mit dem<lb/>
Hut in dem Arm und mit eine,» Affektationsbändcheu an seinem kleinen Ge-<lb/>
wehrcheu über deu Markt geht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1633" next="#ID_1634"> Deu besten Trumpf hat sich Menantes für den Schluß aufbewahrt: den<lb/>
schönsten Ruhm Leipzigs bilden die Frauen.  Die kursächsischen Schönen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0588] Rokokostudieu lebens der Geist der Galanterie seine üppigsten Triebe zeitigte und das Wort galant einen Übeln Klang erhielt, erscheint in der Bezeichnung „das so ge¬ lehrte und galante Obersachsen," wie es im „Hamburger Patrioten" einmal genannt wird, Leipzig als das bewunderte Borbild. Mit Vorliebe wird es das galante genannt, und in der Regel ist hier das Wort ein «zMböwn orimn«. Ein vielstimmiger Chor von Lobrednern hat den Ruhm der Stadt im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert verkündet. Es erhöht den Wert dieser Hymnen, daß meist Fremde, die vorübergehend oder dauernd hier eine Heimstätte fanden, die Stadt in Wort und Lied verherrlichten. Besser, der Hofdichter Friedrichs I. von Preußen, der in Leipzig seiue Gattin, „die unvergeßliche Kühleweinin" gefunden hatte, nannte es „das nette und wohlgesittete, die Sang-Amme beydes der Musen und der Gratien," einem gelehrte» Bewunderer galt der berühmte Meß- und Handelsplatz auch als bmmriun in'tom et vie-MntmL mei-ca-or-i,. Ju diesem Sinne ist auch die Stadt als vornehmste Bildungsstätte Deutschlands im achtzehnten Jahrhundert das „galante Leipzig." Alle Reize des Ortes umschloß dieser weite Begriff. So wird in Menantes Lehrbuche! „Die allerneueste Art, zur reinen und galanten Poesie zu gelangen" der Preis des galante» Leipzigs als Thema empfohlen und folgende Disposition an¬ gegeben: „Leipzig ist ein galanter Ort. Es hat el»e lustige Lage, schöne Hänser, wohl-regulirte Gassen, schöne Kirchen, ein wohlbestelltes Rathhaus, eine Welt-berühmte Universität, gelehrte und höfliche Einwohner und, was das Vor¬ nehmste, es findet sich hier vor andern Orten schön und oomMi8!i.ut, Frauen¬ zimmer." Gleichen Anteil an dein Ruhmestitel haben die gelehrte Bildung, die Tüchtigkeit und der Reichtum des Handelsstaudes, die Feinheit schicklicher äußerer Formen, wie sie sich in der französischen Kolonie darstellte. Auch die akademischen Bürger der Stadt dürften sich nnter die gelehrten und höflichen Einwohner rechnen. Wie das studentische Wesen durch den Geist der Ga¬ lanterie veredelt wurde, ist aus Zacharins „Renommisten" und Goethes „Wahrheit und Dichtung" bekannt. Schon äußerlich hob sich der Leipziger Musensohn vorteilhaft von deu Jüngern andrer Universitäten ab. „Eine lange Stoßklinge und ein gelbes Gefäß mit einem großen runden Stichblatte, so läßt sich ein Kenner vernehmen, sind ein untrügliches Merkmal eines Hallensers. Ein schwarzes eisernes Gefäß ist das Kennzeichen eines Jenensers. Eine breite Klinge ist wittenbergisch. Und ein kleiner Galanteriedegen ist das Kennzeichen eines Leipzigers." Die Klopffechter und Raufbolde sahen freilich mit verächtlichem Lächeln herab „wenn etwa ein artiger Leipziger mit dem Hut in dem Arm und mit eine,» Affektationsbändcheu an seinem kleinen Ge- wehrcheu über deu Markt geht." Deu besten Trumpf hat sich Menantes für den Schluß aufbewahrt: den schönsten Ruhm Leipzigs bilden die Frauen. Die kursächsischen Schönen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/588
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/588>, abgerufen am 21.06.2024.