Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Anm deutsch-österreichischen Handelsverträge

zusammenzustellen, worin sich Bevölkerung und Bodenumfaug das Gleich¬
gewicht halten.

Mau muß eben verschiedne Zusammenstellungen versuchen und sie an
der Hand der Produktious- und Konsumtivnsstatistik zu prüfen suchen. Wir
wolle" den Leser nicht mit der Mitteilung eines von uns gemachte" der¬
artigen Versuches belästigen, da er wegen der UnVollständigkeit des statistischen
Materials, das uns zu Gebote gestanden hat, auf schwachen Füßen steht.
Wäre das gewonnene Ergebnis zutreffend, so könnte vielleicht die Gesamtheit
der europäischen Staaten mit Ausschluß Rußlands (das wir uns eher in
Anlehnung an den zu erwartenden amerikanischen Zollbnnd denken), aber mit
Einschluß ihrer Kolonien als eine geeignete Grundlage für ein Zollkartell
erscheinen. Aber anch die Wahrscheinlichkeit, daß bei Heranziehung genauerer
Daten das Ergebnis der Berechnung anders sein würde, könnte nichts gegen
das Prinzip beweisen, sondern nur die Wahl einer andern Zusammenstellung
nahelegen.

Wie aber alle diese Staaten unter einen Hut bringe"? Durch Verhand¬
lungen von Zollsatz zu Zollsatz gewiß nicht. Dagegen scheint uns auch hier
ein Vorschlag brauchbar zu sein, der in England aufgetaucht ist und dort
darauf hinzielt, auf leichte Weise eine Zollvereinigung zwischen dem Mutter¬
lande und den Kolonien zu stände zu bringen. Man läßt alle Zölle der
Verbündeten Staaten untereinander zunächst, wie sie sind, und belegt nur alle
Waren, die aus Ländern eingehen, die nicht im Verein sind, mit einer Zn-
schlagStaxe von so und so viel Prozent des Zolles, den sie zahlen würden,
wenn sie aus einem zum Verein gehörenden Lande kämen. Das Weitere ergiebt
sich dann ganz von selbst. Das wenigstens annähernde Gleichgewicht zwischen
Bevölkerungszahl und Bodenfläche sührt stetig einem Ausgleich der inner¬
halb des Bundes sich noch bekämpfenden wirtschaftlichen Interessen entgegen,
sodaß man allmählich an die Verminderung oder Abschaffung der internen Zölle
denken kann. Daß das wachsende Gefühl der Zusammengehörigkeit auch auf die
Erhaltung des politischen Friedens günstig wirken würde, braucht wohl nur
augedeutet zu werden. Wenn aber Verschiebungen in den Produktions- und
Kousumtionsverhältnissen einträten, die das vorhandene Gleichgewicht störten,
so wäre durch Anglicderung neuer geeigneter Länder leicht zu helfen, und
Länder, die sich gern einer so mächtigen wirtschaftlichen Koalition anschlössen,
wären auf absehbare Zeit leicht zu finden.

Nun, das sind umgelegte Eier! Denken wir vor allem daran, was wir
gegen die fatale Bestimmung des deutsch-österreichischen Vertrages, die die Ge¬
treidezölle betrifft, thun können.




Anm deutsch-österreichischen Handelsverträge

zusammenzustellen, worin sich Bevölkerung und Bodenumfaug das Gleich¬
gewicht halten.

Mau muß eben verschiedne Zusammenstellungen versuchen und sie an
der Hand der Produktious- und Konsumtivnsstatistik zu prüfen suchen. Wir
wolle» den Leser nicht mit der Mitteilung eines von uns gemachte» der¬
artigen Versuches belästigen, da er wegen der UnVollständigkeit des statistischen
Materials, das uns zu Gebote gestanden hat, auf schwachen Füßen steht.
Wäre das gewonnene Ergebnis zutreffend, so könnte vielleicht die Gesamtheit
der europäischen Staaten mit Ausschluß Rußlands (das wir uns eher in
Anlehnung an den zu erwartenden amerikanischen Zollbnnd denken), aber mit
Einschluß ihrer Kolonien als eine geeignete Grundlage für ein Zollkartell
erscheinen. Aber anch die Wahrscheinlichkeit, daß bei Heranziehung genauerer
Daten das Ergebnis der Berechnung anders sein würde, könnte nichts gegen
das Prinzip beweisen, sondern nur die Wahl einer andern Zusammenstellung
nahelegen.

Wie aber alle diese Staaten unter einen Hut bringe»? Durch Verhand¬
lungen von Zollsatz zu Zollsatz gewiß nicht. Dagegen scheint uns auch hier
ein Vorschlag brauchbar zu sein, der in England aufgetaucht ist und dort
darauf hinzielt, auf leichte Weise eine Zollvereinigung zwischen dem Mutter¬
lande und den Kolonien zu stände zu bringen. Man läßt alle Zölle der
Verbündeten Staaten untereinander zunächst, wie sie sind, und belegt nur alle
Waren, die aus Ländern eingehen, die nicht im Verein sind, mit einer Zn-
schlagStaxe von so und so viel Prozent des Zolles, den sie zahlen würden,
wenn sie aus einem zum Verein gehörenden Lande kämen. Das Weitere ergiebt
sich dann ganz von selbst. Das wenigstens annähernde Gleichgewicht zwischen
Bevölkerungszahl und Bodenfläche sührt stetig einem Ausgleich der inner¬
halb des Bundes sich noch bekämpfenden wirtschaftlichen Interessen entgegen,
sodaß man allmählich an die Verminderung oder Abschaffung der internen Zölle
denken kann. Daß das wachsende Gefühl der Zusammengehörigkeit auch auf die
Erhaltung des politischen Friedens günstig wirken würde, braucht wohl nur
augedeutet zu werden. Wenn aber Verschiebungen in den Produktions- und
Kousumtionsverhältnissen einträten, die das vorhandene Gleichgewicht störten,
so wäre durch Anglicderung neuer geeigneter Länder leicht zu helfen, und
Länder, die sich gern einer so mächtigen wirtschaftlichen Koalition anschlössen,
wären auf absehbare Zeit leicht zu finden.

Nun, das sind umgelegte Eier! Denken wir vor allem daran, was wir
gegen die fatale Bestimmung des deutsch-österreichischen Vertrages, die die Ge¬
treidezölle betrifft, thun können.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0556" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210423"/>
          <fw type="header" place="top"> Anm deutsch-österreichischen Handelsverträge</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1539" prev="#ID_1538"> zusammenzustellen, worin sich Bevölkerung und Bodenumfaug das Gleich¬<lb/>
gewicht halten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1540"> Mau muß eben verschiedne Zusammenstellungen versuchen und sie an<lb/>
der Hand der Produktious- und Konsumtivnsstatistik zu prüfen suchen. Wir<lb/>
wolle» den Leser nicht mit der Mitteilung eines von uns gemachte» der¬<lb/>
artigen Versuches belästigen, da er wegen der UnVollständigkeit des statistischen<lb/>
Materials, das uns zu Gebote gestanden hat, auf schwachen Füßen steht.<lb/>
Wäre das gewonnene Ergebnis zutreffend, so könnte vielleicht die Gesamtheit<lb/>
der europäischen Staaten mit Ausschluß Rußlands (das wir uns eher in<lb/>
Anlehnung an den zu erwartenden amerikanischen Zollbnnd denken), aber mit<lb/>
Einschluß ihrer Kolonien als eine geeignete Grundlage für ein Zollkartell<lb/>
erscheinen. Aber anch die Wahrscheinlichkeit, daß bei Heranziehung genauerer<lb/>
Daten das Ergebnis der Berechnung anders sein würde, könnte nichts gegen<lb/>
das Prinzip beweisen, sondern nur die Wahl einer andern Zusammenstellung<lb/>
nahelegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1541"> Wie aber alle diese Staaten unter einen Hut bringe»? Durch Verhand¬<lb/>
lungen von Zollsatz zu Zollsatz gewiß nicht. Dagegen scheint uns auch hier<lb/>
ein Vorschlag brauchbar zu sein, der in England aufgetaucht ist und dort<lb/>
darauf hinzielt, auf leichte Weise eine Zollvereinigung zwischen dem Mutter¬<lb/>
lande und den Kolonien zu stände zu bringen. Man läßt alle Zölle der<lb/>
Verbündeten Staaten untereinander zunächst, wie sie sind, und belegt nur alle<lb/>
Waren, die aus Ländern eingehen, die nicht im Verein sind, mit einer Zn-<lb/>
schlagStaxe von so und so viel Prozent des Zolles, den sie zahlen würden,<lb/>
wenn sie aus einem zum Verein gehörenden Lande kämen. Das Weitere ergiebt<lb/>
sich dann ganz von selbst. Das wenigstens annähernde Gleichgewicht zwischen<lb/>
Bevölkerungszahl und Bodenfläche sührt stetig einem Ausgleich der inner¬<lb/>
halb des Bundes sich noch bekämpfenden wirtschaftlichen Interessen entgegen,<lb/>
sodaß man allmählich an die Verminderung oder Abschaffung der internen Zölle<lb/>
denken kann. Daß das wachsende Gefühl der Zusammengehörigkeit auch auf die<lb/>
Erhaltung des politischen Friedens günstig wirken würde, braucht wohl nur<lb/>
augedeutet zu werden. Wenn aber Verschiebungen in den Produktions- und<lb/>
Kousumtionsverhältnissen einträten, die das vorhandene Gleichgewicht störten,<lb/>
so wäre durch Anglicderung neuer geeigneter Länder leicht zu helfen, und<lb/>
Länder, die sich gern einer so mächtigen wirtschaftlichen Koalition anschlössen,<lb/>
wären auf absehbare Zeit leicht zu finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1542"> Nun, das sind umgelegte Eier! Denken wir vor allem daran, was wir<lb/>
gegen die fatale Bestimmung des deutsch-österreichischen Vertrages, die die Ge¬<lb/>
treidezölle betrifft, thun können.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0556] Anm deutsch-österreichischen Handelsverträge zusammenzustellen, worin sich Bevölkerung und Bodenumfaug das Gleich¬ gewicht halten. Mau muß eben verschiedne Zusammenstellungen versuchen und sie an der Hand der Produktious- und Konsumtivnsstatistik zu prüfen suchen. Wir wolle» den Leser nicht mit der Mitteilung eines von uns gemachte» der¬ artigen Versuches belästigen, da er wegen der UnVollständigkeit des statistischen Materials, das uns zu Gebote gestanden hat, auf schwachen Füßen steht. Wäre das gewonnene Ergebnis zutreffend, so könnte vielleicht die Gesamtheit der europäischen Staaten mit Ausschluß Rußlands (das wir uns eher in Anlehnung an den zu erwartenden amerikanischen Zollbnnd denken), aber mit Einschluß ihrer Kolonien als eine geeignete Grundlage für ein Zollkartell erscheinen. Aber anch die Wahrscheinlichkeit, daß bei Heranziehung genauerer Daten das Ergebnis der Berechnung anders sein würde, könnte nichts gegen das Prinzip beweisen, sondern nur die Wahl einer andern Zusammenstellung nahelegen. Wie aber alle diese Staaten unter einen Hut bringe»? Durch Verhand¬ lungen von Zollsatz zu Zollsatz gewiß nicht. Dagegen scheint uns auch hier ein Vorschlag brauchbar zu sein, der in England aufgetaucht ist und dort darauf hinzielt, auf leichte Weise eine Zollvereinigung zwischen dem Mutter¬ lande und den Kolonien zu stände zu bringen. Man läßt alle Zölle der Verbündeten Staaten untereinander zunächst, wie sie sind, und belegt nur alle Waren, die aus Ländern eingehen, die nicht im Verein sind, mit einer Zn- schlagStaxe von so und so viel Prozent des Zolles, den sie zahlen würden, wenn sie aus einem zum Verein gehörenden Lande kämen. Das Weitere ergiebt sich dann ganz von selbst. Das wenigstens annähernde Gleichgewicht zwischen Bevölkerungszahl und Bodenfläche sührt stetig einem Ausgleich der inner¬ halb des Bundes sich noch bekämpfenden wirtschaftlichen Interessen entgegen, sodaß man allmählich an die Verminderung oder Abschaffung der internen Zölle denken kann. Daß das wachsende Gefühl der Zusammengehörigkeit auch auf die Erhaltung des politischen Friedens günstig wirken würde, braucht wohl nur augedeutet zu werden. Wenn aber Verschiebungen in den Produktions- und Kousumtionsverhältnissen einträten, die das vorhandene Gleichgewicht störten, so wäre durch Anglicderung neuer geeigneter Länder leicht zu helfen, und Länder, die sich gern einer so mächtigen wirtschaftlichen Koalition anschlössen, wären auf absehbare Zeit leicht zu finden. Nun, das sind umgelegte Eier! Denken wir vor allem daran, was wir gegen die fatale Bestimmung des deutsch-österreichischen Vertrages, die die Ge¬ treidezölle betrifft, thun können.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/556
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/556>, abgerufen am 24.07.2024.