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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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wünsche für die Statistik

Statistik mit Erläuterungen nicht kargen, wie solche überhaupt jeder Mi߬
deutung vorbeugen sollen.

Daneben wäre es wünschenswert, wenn sich die amtliche Statistik anch zu
dem Zwecke mit der alten Sitte, Texte zu bringen, wieder befreundete, um
LandeSbeschreibnngen zum allgemeinen Gebrauch herzustellen. Für sich allein
ist die Statistik einer solchen Aufgabe uicht gewachsen, und die Mißerfolge der
alten Statistik ans diesem Gebiete stehen wohl mit dem Umstände im Zusammen¬
hange, daß diese Leistungen auch schon den damaligen Zeitbedürfnissen nicht
mehr genügten. Aber gerade in der Notwendigkeit, mit den Vertretern andrer
Wissenszweige in Verbindung zu treten, liegt das beste Mittel, eine gewisse
Vereinsamung der Statistik zu verhüten. Kleine volkstümliche Handbücher
sollten daneben das Wissenswerte über den Boden und seine Eigenschaften,
über die Geschichte, die Verfassung, die Verwaltung, die öffentlichen Ein¬
richtungen, die Bevölkerung und deren Bewegungen n. s. w. bringen, wobei
Zahlen und Beschreibung sich gegenseitig erläutern und ergänzen müßten. Für
wissenschaftliche Zwecke könnte der Plan erweitert werden. Würde für das
ganze deutsche Reich und ebenso für die einzelnen Staaten unter Anlehnung
an schon vorhandene oder erst zu schaffende Muster eine einheitliche Form für
diese Mittel zur Verbreitung der Landeskunde gewonnen, so würde auf diesem
Wege viel Nutzen geschafft und die Volkstümlichkeit der Statistik ebenso ge¬
fördert, wie die patriotische Aufgabe erfüllt werden, die Cicero mit den
Worten bezeichnet: ^088<z rempudliolun.

Neben diesen Aufgaben, zu denen die amtliche Statistik vorzugsweise den
Stoff zu liefern hätte, würde sodann die Wissenschaft berufen sein, kritisch und
vergleichend alle Ergebnisse der Zählung und Beobachtung für ihre Zwecke zu
bearbeiten und zu erklären. Das wäre die Aufgabe einer Zeitschrift. Die
Gründung des "Allgemeinen Statistischen Archives" ist deshalb besonders zu
begrüßen, weil darin der Versuch gemacht wird, für deu bisher in staats¬
wissenschaftlicher, volkswirtschaftlichen oder amtlichen statistischen Zeitschriften
zerstreuten Stoff einen Sammelpunkt zu schaffen. Der schon im ersten Hefte
bethätigte Vorsatz, gleichzeitig den wissenschaftlichen Standpunkt zu wahren und
in anziehender Darstellung Zählungsergebnisse oder Aufgaben der Statistik zu
besprechen, ist ein sehr glücklicher Gedanke, dem wir den besten Erfolg wünschen.
Insbesondre beglückwünschen wir den Herausgeber zu den: Vorhaben, durch
eine anziehende Darstellung auch deu Ansprüchen der Form gerecht werden zu
wollen. Mit umso größerer Genugthuung müssen wir dieses Bestreben be¬
grüßen, als die Versündigungen der deutschen Wissenschaft gegen die Form
und daneben die Mißachtung der Sprache eine Eigentümlichkeit der Neige
des Jahrhunderts werden zu sollen scheint. Man gewinnt vielfach den Ein¬
druck, als ob insbesondre die gelehrte deutsche Jugend glaubte, daß man sich
keinen Zwang anzuthun brauche, da mau ja nur wie "unter Pfarrerstöchtern"


wünsche für die Statistik

Statistik mit Erläuterungen nicht kargen, wie solche überhaupt jeder Mi߬
deutung vorbeugen sollen.

Daneben wäre es wünschenswert, wenn sich die amtliche Statistik anch zu
dem Zwecke mit der alten Sitte, Texte zu bringen, wieder befreundete, um
LandeSbeschreibnngen zum allgemeinen Gebrauch herzustellen. Für sich allein
ist die Statistik einer solchen Aufgabe uicht gewachsen, und die Mißerfolge der
alten Statistik ans diesem Gebiete stehen wohl mit dem Umstände im Zusammen¬
hange, daß diese Leistungen auch schon den damaligen Zeitbedürfnissen nicht
mehr genügten. Aber gerade in der Notwendigkeit, mit den Vertretern andrer
Wissenszweige in Verbindung zu treten, liegt das beste Mittel, eine gewisse
Vereinsamung der Statistik zu verhüten. Kleine volkstümliche Handbücher
sollten daneben das Wissenswerte über den Boden und seine Eigenschaften,
über die Geschichte, die Verfassung, die Verwaltung, die öffentlichen Ein¬
richtungen, die Bevölkerung und deren Bewegungen n. s. w. bringen, wobei
Zahlen und Beschreibung sich gegenseitig erläutern und ergänzen müßten. Für
wissenschaftliche Zwecke könnte der Plan erweitert werden. Würde für das
ganze deutsche Reich und ebenso für die einzelnen Staaten unter Anlehnung
an schon vorhandene oder erst zu schaffende Muster eine einheitliche Form für
diese Mittel zur Verbreitung der Landeskunde gewonnen, so würde auf diesem
Wege viel Nutzen geschafft und die Volkstümlichkeit der Statistik ebenso ge¬
fördert, wie die patriotische Aufgabe erfüllt werden, die Cicero mit den
Worten bezeichnet: ^088<z rempudliolun.

Neben diesen Aufgaben, zu denen die amtliche Statistik vorzugsweise den
Stoff zu liefern hätte, würde sodann die Wissenschaft berufen sein, kritisch und
vergleichend alle Ergebnisse der Zählung und Beobachtung für ihre Zwecke zu
bearbeiten und zu erklären. Das wäre die Aufgabe einer Zeitschrift. Die
Gründung des „Allgemeinen Statistischen Archives" ist deshalb besonders zu
begrüßen, weil darin der Versuch gemacht wird, für deu bisher in staats¬
wissenschaftlicher, volkswirtschaftlichen oder amtlichen statistischen Zeitschriften
zerstreuten Stoff einen Sammelpunkt zu schaffen. Der schon im ersten Hefte
bethätigte Vorsatz, gleichzeitig den wissenschaftlichen Standpunkt zu wahren und
in anziehender Darstellung Zählungsergebnisse oder Aufgaben der Statistik zu
besprechen, ist ein sehr glücklicher Gedanke, dem wir den besten Erfolg wünschen.
Insbesondre beglückwünschen wir den Herausgeber zu den: Vorhaben, durch
eine anziehende Darstellung auch deu Ansprüchen der Form gerecht werden zu
wollen. Mit umso größerer Genugthuung müssen wir dieses Bestreben be¬
grüßen, als die Versündigungen der deutschen Wissenschaft gegen die Form
und daneben die Mißachtung der Sprache eine Eigentümlichkeit der Neige
des Jahrhunderts werden zu sollen scheint. Man gewinnt vielfach den Ein¬
druck, als ob insbesondre die gelehrte deutsche Jugend glaubte, daß man sich
keinen Zwang anzuthun brauche, da mau ja nur wie „unter Pfarrerstöchtern"


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[0508] wünsche für die Statistik Statistik mit Erläuterungen nicht kargen, wie solche überhaupt jeder Mi߬ deutung vorbeugen sollen. Daneben wäre es wünschenswert, wenn sich die amtliche Statistik anch zu dem Zwecke mit der alten Sitte, Texte zu bringen, wieder befreundete, um LandeSbeschreibnngen zum allgemeinen Gebrauch herzustellen. Für sich allein ist die Statistik einer solchen Aufgabe uicht gewachsen, und die Mißerfolge der alten Statistik ans diesem Gebiete stehen wohl mit dem Umstände im Zusammen¬ hange, daß diese Leistungen auch schon den damaligen Zeitbedürfnissen nicht mehr genügten. Aber gerade in der Notwendigkeit, mit den Vertretern andrer Wissenszweige in Verbindung zu treten, liegt das beste Mittel, eine gewisse Vereinsamung der Statistik zu verhüten. Kleine volkstümliche Handbücher sollten daneben das Wissenswerte über den Boden und seine Eigenschaften, über die Geschichte, die Verfassung, die Verwaltung, die öffentlichen Ein¬ richtungen, die Bevölkerung und deren Bewegungen n. s. w. bringen, wobei Zahlen und Beschreibung sich gegenseitig erläutern und ergänzen müßten. Für wissenschaftliche Zwecke könnte der Plan erweitert werden. Würde für das ganze deutsche Reich und ebenso für die einzelnen Staaten unter Anlehnung an schon vorhandene oder erst zu schaffende Muster eine einheitliche Form für diese Mittel zur Verbreitung der Landeskunde gewonnen, so würde auf diesem Wege viel Nutzen geschafft und die Volkstümlichkeit der Statistik ebenso ge¬ fördert, wie die patriotische Aufgabe erfüllt werden, die Cicero mit den Worten bezeichnet: ^088<z rempudliolun. Neben diesen Aufgaben, zu denen die amtliche Statistik vorzugsweise den Stoff zu liefern hätte, würde sodann die Wissenschaft berufen sein, kritisch und vergleichend alle Ergebnisse der Zählung und Beobachtung für ihre Zwecke zu bearbeiten und zu erklären. Das wäre die Aufgabe einer Zeitschrift. Die Gründung des „Allgemeinen Statistischen Archives" ist deshalb besonders zu begrüßen, weil darin der Versuch gemacht wird, für deu bisher in staats¬ wissenschaftlicher, volkswirtschaftlichen oder amtlichen statistischen Zeitschriften zerstreuten Stoff einen Sammelpunkt zu schaffen. Der schon im ersten Hefte bethätigte Vorsatz, gleichzeitig den wissenschaftlichen Standpunkt zu wahren und in anziehender Darstellung Zählungsergebnisse oder Aufgaben der Statistik zu besprechen, ist ein sehr glücklicher Gedanke, dem wir den besten Erfolg wünschen. Insbesondre beglückwünschen wir den Herausgeber zu den: Vorhaben, durch eine anziehende Darstellung auch deu Ansprüchen der Form gerecht werden zu wollen. Mit umso größerer Genugthuung müssen wir dieses Bestreben be¬ grüßen, als die Versündigungen der deutschen Wissenschaft gegen die Form und daneben die Mißachtung der Sprache eine Eigentümlichkeit der Neige des Jahrhunderts werden zu sollen scheint. Man gewinnt vielfach den Ein¬ druck, als ob insbesondre die gelehrte deutsche Jugend glaubte, daß man sich keinen Zwang anzuthun brauche, da mau ja nur wie „unter Pfarrerstöchtern"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/508>, abgerufen am 24.07.2024.