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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die französische Ausstellung in Moskau

zeichnen und dnrch die Fähigkeit, unzählige deutsch-bleibende Deutsche auf
dem Ort zu erzeugen, auf dem sie Fuß fassen." Das klingt nicht eben freund¬
lich, und der Hinweis auf die jetzt besonders verhaßten Juden ist nicht ohne
bösartige Berechnung angebracht.

Wir verweisen in diesen: Zusammenhang auf einen vor wenigen Tagen
erschienenen Artikel der ^ovo^s ^Vrönrjg. über die angeblichen Handelsvertrags¬
verhandlungen zwischen Deutschland und Rußland. Die Aovojs ^röirrju, weis;
ebenso gut wie wir, daß jene Verhandlungen nnr in der Einbildung ihrer
Erfinder vorhanden sind, und daß sie sür Nußland nur zu haben sind, wenn
es sich darum bemüht. Es liegt aber im Interesse des Blattes, diese offen¬
kundiger Dinge zu verkehren, um seinerseits zu erklären, daß es von Deutsch¬
land nichts wissen wolle. Nicht Deutschland, sondern Frankreich sei der
natürliche Handelsfreund Rußlands, "Frankreich, mit dem wir auch aus
andern Gründen vorziehen, einen Handelsvertrag zu schließen." Daran zweifeln
wir umso weniger, als das Blatt keinen Tag vorübergehen läßt, ohne die
französische Freundschaft zu feiern. Die angeblich bevorstehende Ernennung
des Generals Boisdeffre zum französischen Botschafter in Petersburg wird in
diesem Sinn als eine ganz besondre Aufmerksamkeit gepriesen und die "Affaire
Rothschild" eben dahin ausgebeutet. Ganz Frankreich sei entrüstet über das
Verhalten Rothschilds, und die öffentliche Meinung so entschieden, daß sich eine
Rußland feindselige Äußerung in Frankreich überhaupt nicht hervorwagen dürfe.
In der geographischen Gesellschaft zu Toulouse z. B. sei der Sibirienreisende
Nadod, als er Ungünstiges über die Verhältnisse in Sibirien vorbrachte, durch
lautes Vivz ig, Ku8si<z! zum Schweigen genötigt worden, und solcher Zeugnisse
gebe es zahllose. "Die ungeheure Mehrheit des französischen Volkes sympathisirt
mit unserm Vaterlande, und jeder Schritt der Regierung, der beweist, daß sie
diese Stimmung teilt, wird von jener Mehrheit und natürlich auch von der
gesamten russischen Gesellschaft mit aufrichtigem Beifall begrüßt werden."
Wenn dieser ^vis im lvetour nicht genügen sollte, so wird es an weitern nicht
fehlen. Wir glauben aber nicht, daß die Herren Freycinet und Ribot noch der
Ermunterung bedürfen, sie werden ihre "Pflicht" ohne sie thun. Dazu kommt
soeben die Nachricht, daß beiden Herren, Ribot wie Freheinct, der Alexander-
Newski-Orden vom Zaren verliehen worden ist. Gewiß xour (Auso, ganz
ebenso wie der AudreaSvrden dem Herrn Carnot. Wenn, wie bekannt ist, am
1. Juli die große Vereinigung der russischen Ostseeslotte mit einem Teil der
französischen Flotte vor Kronstäbe stattfindet, werden weitere Zeichen der
russisch-französischen Verbrüderung der Welt zu Gemüte geführt werden.

Wir wolle" jedoch nicht verhehlen, daß, wo die heikle Frage wirtschaft¬
licher Interessen auftaucht, die russisch-französische amore" korclmlc; brüchig
wird. Das Scheitern der dreiprvzentigen russischen Anleihe ist dafür ein be¬
deutsames Zeichen. Der kleine Rentier in Frankreich Null leine russischen


Die französische Ausstellung in Moskau

zeichnen und dnrch die Fähigkeit, unzählige deutsch-bleibende Deutsche auf
dem Ort zu erzeugen, auf dem sie Fuß fassen." Das klingt nicht eben freund¬
lich, und der Hinweis auf die jetzt besonders verhaßten Juden ist nicht ohne
bösartige Berechnung angebracht.

Wir verweisen in diesen: Zusammenhang auf einen vor wenigen Tagen
erschienenen Artikel der ^ovo^s ^Vrönrjg. über die angeblichen Handelsvertrags¬
verhandlungen zwischen Deutschland und Rußland. Die Aovojs ^röirrju, weis;
ebenso gut wie wir, daß jene Verhandlungen nnr in der Einbildung ihrer
Erfinder vorhanden sind, und daß sie sür Nußland nur zu haben sind, wenn
es sich darum bemüht. Es liegt aber im Interesse des Blattes, diese offen¬
kundiger Dinge zu verkehren, um seinerseits zu erklären, daß es von Deutsch¬
land nichts wissen wolle. Nicht Deutschland, sondern Frankreich sei der
natürliche Handelsfreund Rußlands, „Frankreich, mit dem wir auch aus
andern Gründen vorziehen, einen Handelsvertrag zu schließen." Daran zweifeln
wir umso weniger, als das Blatt keinen Tag vorübergehen läßt, ohne die
französische Freundschaft zu feiern. Die angeblich bevorstehende Ernennung
des Generals Boisdeffre zum französischen Botschafter in Petersburg wird in
diesem Sinn als eine ganz besondre Aufmerksamkeit gepriesen und die „Affaire
Rothschild" eben dahin ausgebeutet. Ganz Frankreich sei entrüstet über das
Verhalten Rothschilds, und die öffentliche Meinung so entschieden, daß sich eine
Rußland feindselige Äußerung in Frankreich überhaupt nicht hervorwagen dürfe.
In der geographischen Gesellschaft zu Toulouse z. B. sei der Sibirienreisende
Nadod, als er Ungünstiges über die Verhältnisse in Sibirien vorbrachte, durch
lautes Vivz ig, Ku8si<z! zum Schweigen genötigt worden, und solcher Zeugnisse
gebe es zahllose. „Die ungeheure Mehrheit des französischen Volkes sympathisirt
mit unserm Vaterlande, und jeder Schritt der Regierung, der beweist, daß sie
diese Stimmung teilt, wird von jener Mehrheit und natürlich auch von der
gesamten russischen Gesellschaft mit aufrichtigem Beifall begrüßt werden."
Wenn dieser ^vis im lvetour nicht genügen sollte, so wird es an weitern nicht
fehlen. Wir glauben aber nicht, daß die Herren Freycinet und Ribot noch der
Ermunterung bedürfen, sie werden ihre „Pflicht" ohne sie thun. Dazu kommt
soeben die Nachricht, daß beiden Herren, Ribot wie Freheinct, der Alexander-
Newski-Orden vom Zaren verliehen worden ist. Gewiß xour (Auso, ganz
ebenso wie der AudreaSvrden dem Herrn Carnot. Wenn, wie bekannt ist, am
1. Juli die große Vereinigung der russischen Ostseeslotte mit einem Teil der
französischen Flotte vor Kronstäbe stattfindet, werden weitere Zeichen der
russisch-französischen Verbrüderung der Welt zu Gemüte geführt werden.

Wir wolle» jedoch nicht verhehlen, daß, wo die heikle Frage wirtschaft¬
licher Interessen auftaucht, die russisch-französische amore« korclmlc; brüchig
wird. Das Scheitern der dreiprvzentigen russischen Anleihe ist dafür ein be¬
deutsames Zeichen. Der kleine Rentier in Frankreich Null leine russischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/443>, abgerufen am 24.07.2024.