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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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.slcrenz und die Airche

Hilfe kam, einem scho'ärmerischeu Prediger mit liugeheiichelter Aiidacht aiigehört
und von dein religiösen Aufschwung einen nachhaltigen Eindruck davongetragen
haben sollten. Die Marienritter verwandelten sich in eine Wvhlthcitigkeits-
gesellschaft und übernahmen die Verwaltung mehrerer Hospize. Aber der
Potkscharakter blieb unverändert, weder Bigotterie noch orthodoxer Eifer
konnten sich einnisten. Der Name Pntarener galt so wenig als ein Schimpf,
das; kurz nach diesen Geschichten ein gewisser Guido, der zu einem ehrenvolle"
Amte berufen ward, sich bei Ausfertigung einer Urkunde als "Sohn des
PatarenerS" unterschrieb. Und wenn während des Streites ein Inquisitor
geklagt hatte, daß sie sich aus Bannflüchen nichts machten, sie wie Wasser
hinunterschluckten ^nmlödwUonLiu IiilivnkvL rak luiunni), so werden wir sie in
der spätern Zeit uoch gleichgiltiger finden.


3

Außer den politischen gab es noch andre Rücksichten, die Florenz mit
der Kurie verknüpften. Florentinische Bankiers besorgten deren Geldgeschäfte.
Diese Herren hatten Kommanditeu in allen Ländern. In diesen sammelten
sich die Goldbächlein, die man unter allerlei Namen und Vorwänden der
Frömmigkeit, dein Aberglauben oder den in verzwickte Rechtshändel verwickelten
zu entlocken wußte, und nicht ohne in den Wechselstuben einen gediegnen
Niederschlag zurückzulassen, ergossen sie sich von da ans in das unergründliche
Meer der apostolischen Schatzkammer. Auch bedürfte man oft der diploma¬
tischen Kunst Roms zur Wiederherstellung des Friedens. Wurden die Balge¬
reien der Parteien in den Straßen, das Hänsereinreißen, das Vreuueu und
Sengen, die Bannungeu und die Augriffe zurückkehrender kmnÄit,i aus die Stadt
einmal so arg, daß das Gewerbe darunter litt, oder der Riß in einzelnen vor¬
nehmen Familien, die gespalten waren, gar zu schmerzlich empfunden wurde,
so bat man um einen Kardinal. An dessen feierlichem. Einzuge mußten sich
natürlich beide Parteien beteiligen. Das war schon eine Annäherung, wenn
dabei anch noch wütende und giftige Blicke hin und herflogen. Dann ver¬
anstaltete der Friedensstifter ein Parlament auf dem Hnnptplatz vor dem Bolks-
palaste und sprach stundenlang gar schön und rührend und hie und da ein
Thränlein abwischend, wie daß Gott der Herr nicht Guelfen und Ghibellinen,
nicht Schwarze und Weiße, sondern nur Menschen geschaffen habe, die alle
unter einander Brüder seien, und daß Christus für alle gestorben sei und mit
seinein Blute alle Feindschaften ausgelöscht habe, und daß niemand an Christo
teil haben könne, der seinem Bruder nicht verzeihe, und daß jn, seitdem der
böse Friedrich tot sei, die Parteinamen eigentlich gar keinen Sinn mehr hätten.
Ströme von Thränen flössen während der Rede, und war der Redner fertig,
dann fielen die närrischen Käuze einander um deu Hals und küßten sich "ans
den Mund," und ehe die Sonne zur Rüste ging, legte der Kardinal die Hände


.slcrenz und die Airche

Hilfe kam, einem scho'ärmerischeu Prediger mit liugeheiichelter Aiidacht aiigehört
und von dein religiösen Aufschwung einen nachhaltigen Eindruck davongetragen
haben sollten. Die Marienritter verwandelten sich in eine Wvhlthcitigkeits-
gesellschaft und übernahmen die Verwaltung mehrerer Hospize. Aber der
Potkscharakter blieb unverändert, weder Bigotterie noch orthodoxer Eifer
konnten sich einnisten. Der Name Pntarener galt so wenig als ein Schimpf,
das; kurz nach diesen Geschichten ein gewisser Guido, der zu einem ehrenvolle»
Amte berufen ward, sich bei Ausfertigung einer Urkunde als „Sohn des
PatarenerS" unterschrieb. Und wenn während des Streites ein Inquisitor
geklagt hatte, daß sie sich aus Bannflüchen nichts machten, sie wie Wasser
hinunterschluckten ^nmlödwUonLiu IiilivnkvL rak luiunni), so werden wir sie in
der spätern Zeit uoch gleichgiltiger finden.


3

Außer den politischen gab es noch andre Rücksichten, die Florenz mit
der Kurie verknüpften. Florentinische Bankiers besorgten deren Geldgeschäfte.
Diese Herren hatten Kommanditeu in allen Ländern. In diesen sammelten
sich die Goldbächlein, die man unter allerlei Namen und Vorwänden der
Frömmigkeit, dein Aberglauben oder den in verzwickte Rechtshändel verwickelten
zu entlocken wußte, und nicht ohne in den Wechselstuben einen gediegnen
Niederschlag zurückzulassen, ergossen sie sich von da ans in das unergründliche
Meer der apostolischen Schatzkammer. Auch bedürfte man oft der diploma¬
tischen Kunst Roms zur Wiederherstellung des Friedens. Wurden die Balge¬
reien der Parteien in den Straßen, das Hänsereinreißen, das Vreuueu und
Sengen, die Bannungeu und die Augriffe zurückkehrender kmnÄit,i aus die Stadt
einmal so arg, daß das Gewerbe darunter litt, oder der Riß in einzelnen vor¬
nehmen Familien, die gespalten waren, gar zu schmerzlich empfunden wurde,
so bat man um einen Kardinal. An dessen feierlichem. Einzuge mußten sich
natürlich beide Parteien beteiligen. Das war schon eine Annäherung, wenn
dabei anch noch wütende und giftige Blicke hin und herflogen. Dann ver¬
anstaltete der Friedensstifter ein Parlament auf dem Hnnptplatz vor dem Bolks-
palaste und sprach stundenlang gar schön und rührend und hie und da ein
Thränlein abwischend, wie daß Gott der Herr nicht Guelfen und Ghibellinen,
nicht Schwarze und Weiße, sondern nur Menschen geschaffen habe, die alle
unter einander Brüder seien, und daß Christus für alle gestorben sei und mit
seinein Blute alle Feindschaften ausgelöscht habe, und daß niemand an Christo
teil haben könne, der seinem Bruder nicht verzeihe, und daß jn, seitdem der
böse Friedrich tot sei, die Parteinamen eigentlich gar keinen Sinn mehr hätten.
Ströme von Thränen flössen während der Rede, und war der Redner fertig,
dann fielen die närrischen Käuze einander um deu Hals und küßten sich „ans
den Mund," und ehe die Sonne zur Rüste ging, legte der Kardinal die Hände


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[0425] .slcrenz und die Airche Hilfe kam, einem scho'ärmerischeu Prediger mit liugeheiichelter Aiidacht aiigehört und von dein religiösen Aufschwung einen nachhaltigen Eindruck davongetragen haben sollten. Die Marienritter verwandelten sich in eine Wvhlthcitigkeits- gesellschaft und übernahmen die Verwaltung mehrerer Hospize. Aber der Potkscharakter blieb unverändert, weder Bigotterie noch orthodoxer Eifer konnten sich einnisten. Der Name Pntarener galt so wenig als ein Schimpf, das; kurz nach diesen Geschichten ein gewisser Guido, der zu einem ehrenvolle» Amte berufen ward, sich bei Ausfertigung einer Urkunde als „Sohn des PatarenerS" unterschrieb. Und wenn während des Streites ein Inquisitor geklagt hatte, daß sie sich aus Bannflüchen nichts machten, sie wie Wasser hinunterschluckten ^nmlödwUonLiu IiilivnkvL rak luiunni), so werden wir sie in der spätern Zeit uoch gleichgiltiger finden. 3 Außer den politischen gab es noch andre Rücksichten, die Florenz mit der Kurie verknüpften. Florentinische Bankiers besorgten deren Geldgeschäfte. Diese Herren hatten Kommanditeu in allen Ländern. In diesen sammelten sich die Goldbächlein, die man unter allerlei Namen und Vorwänden der Frömmigkeit, dein Aberglauben oder den in verzwickte Rechtshändel verwickelten zu entlocken wußte, und nicht ohne in den Wechselstuben einen gediegnen Niederschlag zurückzulassen, ergossen sie sich von da ans in das unergründliche Meer der apostolischen Schatzkammer. Auch bedürfte man oft der diploma¬ tischen Kunst Roms zur Wiederherstellung des Friedens. Wurden die Balge¬ reien der Parteien in den Straßen, das Hänsereinreißen, das Vreuueu und Sengen, die Bannungeu und die Augriffe zurückkehrender kmnÄit,i aus die Stadt einmal so arg, daß das Gewerbe darunter litt, oder der Riß in einzelnen vor¬ nehmen Familien, die gespalten waren, gar zu schmerzlich empfunden wurde, so bat man um einen Kardinal. An dessen feierlichem. Einzuge mußten sich natürlich beide Parteien beteiligen. Das war schon eine Annäherung, wenn dabei anch noch wütende und giftige Blicke hin und herflogen. Dann ver¬ anstaltete der Friedensstifter ein Parlament auf dem Hnnptplatz vor dem Bolks- palaste und sprach stundenlang gar schön und rührend und hie und da ein Thränlein abwischend, wie daß Gott der Herr nicht Guelfen und Ghibellinen, nicht Schwarze und Weiße, sondern nur Menschen geschaffen habe, die alle unter einander Brüder seien, und daß Christus für alle gestorben sei und mit seinein Blute alle Feindschaften ausgelöscht habe, und daß niemand an Christo teil haben könne, der seinem Bruder nicht verzeihe, und daß jn, seitdem der böse Friedrich tot sei, die Parteinamen eigentlich gar keinen Sinn mehr hätten. Ströme von Thränen flössen während der Rede, und war der Redner fertig, dann fielen die närrischen Käuze einander um deu Hals und küßten sich „ans den Mund," und ehe die Sonne zur Rüste ging, legte der Kardinal die Hände

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/425>, abgerufen am 24.07.2024.