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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

ist wenig nach meinem Geschmack; doch darf ich noch nicht öffentlich reden;
später, wenn die Zeitschrift ganz hier erscheint, was wahrscheinlich bis Mitte
des Jahres zustande zu bringen, werde ich wohl einmal hineinleuchten mit
einem großen Schwerte.....Komponirt hab ich hier manches, es ist aber
kein Segen darauf; woran es liegt, weiß ich nicht. Vielleicht daran, daß ich
noch nicht heimisch bin. Es spiegelt sich nun einmal alles in meiner Musik ub!
Allmählich findet sie auch hier Eingang; doch schwierig."

Als Schumann immer mehr die Wahrnehmung machte, daß Wien nicht
der geeignete Boden für fein Streben war, und daß er wie auch seine Zeitung
,,uicht dahin paßten," faßte er endlich den Entschluß, nach Leipzig zurückzu¬
kehren. Seinen Unmut über die Wiener Kunstverhültnisse sprach er in den
letzten Wochen auch öffentlich ans. Zuerst in dem Paulus-Bericht vom
2. März, dann in einer Korrespondenz vom 5. April (1839, X, 152), worin
er den in Wien allgemein bespöttelten Pianisten Micheuz (der sich beim
Spielen auch des Ellbogens, als einer dritten Hand, bediente) in Schutz
nahm. "Micheuz hat gespielt und ist teilweise leider allsgelacht worden.
Aber Micheuz kaun mehr als hundert andre, selbst berühmte Klavierspieler
in Wien, und es ist schade um den Mann. Able man ihn, hänge ihm einen
Orden an, schicke ihn nach Paris und London, und der Mann wird mit Lor¬
beeren und Schützen beladen zurückkommen; aber er hat von Jugend auf mit der
bittersten Armut kämpfen müssen, hat den Arm zweimal gebrochen, kurz, ist
nie aus dem Elend herausgekommen. Micheuz hatte es freilich gleich vou
vornherein mit seinem Konzert verdorben -- durch seineu ellenlangen Konzert¬
zettel und die Ankündigung seines 15ein xlus ultra., s"eine kurze Fantasie in
drei- und vierhändigen Satze, komponirt, in einer noch nie gehörten Manier
seiner eignen Erfindung sür das Pianoforte vorgetragen und allen Klavier¬
virtuosen als ein musikalisches Souvenir gewidmet," wie das Kuriosum be¬
zeichnet war.^ Und das war der Fehler; man behandelte ihn als einen Halb-
verrückten, und hätte er noch himmlischer gespielt, es würde ihm nichts geholfen
haben. Schade um das ausgezeichnete Talent! Indes tröste er sich über
das Zischen und Lachen. Man hat hier schon Besseres allsgezischt und
Schlechteres beklatscht."

Hatte Schumann dem Wiener Kunstpubliklun seine Meinung deutlich
genug ausgesprochen, so bekams die hohe Polizei- und Zensurbehörde auf
humoristische Weise von ihm. Er schlug ihr ein Schnippchen dadurch, daß
er die damals in Wien verbotene Marseillaise in seinen "Faschingsschwank"
einschmuggelte.

Anfang April 1839 war Schumann wieder in Leipzig. Die Entfernung
von der Zeitschrift war ihm "wohlthätig" gewesen, wie er meinte; jetzt aber
"lachte sie ihn wieder so jugendlich an" wie zu der Zeit ihrer Gründung.
Die Redaktion nahm er sofort wieder ans. Daß es ihm nicht an Stoff zu Auf-


Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

ist wenig nach meinem Geschmack; doch darf ich noch nicht öffentlich reden;
später, wenn die Zeitschrift ganz hier erscheint, was wahrscheinlich bis Mitte
des Jahres zustande zu bringen, werde ich wohl einmal hineinleuchten mit
einem großen Schwerte.....Komponirt hab ich hier manches, es ist aber
kein Segen darauf; woran es liegt, weiß ich nicht. Vielleicht daran, daß ich
noch nicht heimisch bin. Es spiegelt sich nun einmal alles in meiner Musik ub!
Allmählich findet sie auch hier Eingang; doch schwierig."

Als Schumann immer mehr die Wahrnehmung machte, daß Wien nicht
der geeignete Boden für fein Streben war, und daß er wie auch seine Zeitung
,,uicht dahin paßten," faßte er endlich den Entschluß, nach Leipzig zurückzu¬
kehren. Seinen Unmut über die Wiener Kunstverhültnisse sprach er in den
letzten Wochen auch öffentlich ans. Zuerst in dem Paulus-Bericht vom
2. März, dann in einer Korrespondenz vom 5. April (1839, X, 152), worin
er den in Wien allgemein bespöttelten Pianisten Micheuz (der sich beim
Spielen auch des Ellbogens, als einer dritten Hand, bediente) in Schutz
nahm. „Micheuz hat gespielt und ist teilweise leider allsgelacht worden.
Aber Micheuz kaun mehr als hundert andre, selbst berühmte Klavierspieler
in Wien, und es ist schade um den Mann. Able man ihn, hänge ihm einen
Orden an, schicke ihn nach Paris und London, und der Mann wird mit Lor¬
beeren und Schützen beladen zurückkommen; aber er hat von Jugend auf mit der
bittersten Armut kämpfen müssen, hat den Arm zweimal gebrochen, kurz, ist
nie aus dem Elend herausgekommen. Micheuz hatte es freilich gleich vou
vornherein mit seinem Konzert verdorben — durch seineu ellenlangen Konzert¬
zettel und die Ankündigung seines 15ein xlus ultra., s„eine kurze Fantasie in
drei- und vierhändigen Satze, komponirt, in einer noch nie gehörten Manier
seiner eignen Erfindung sür das Pianoforte vorgetragen und allen Klavier¬
virtuosen als ein musikalisches Souvenir gewidmet," wie das Kuriosum be¬
zeichnet war.^ Und das war der Fehler; man behandelte ihn als einen Halb-
verrückten, und hätte er noch himmlischer gespielt, es würde ihm nichts geholfen
haben. Schade um das ausgezeichnete Talent! Indes tröste er sich über
das Zischen und Lachen. Man hat hier schon Besseres allsgezischt und
Schlechteres beklatscht."

Hatte Schumann dem Wiener Kunstpubliklun seine Meinung deutlich
genug ausgesprochen, so bekams die hohe Polizei- und Zensurbehörde auf
humoristische Weise von ihm. Er schlug ihr ein Schnippchen dadurch, daß
er die damals in Wien verbotene Marseillaise in seinen „Faschingsschwank"
einschmuggelte.

Anfang April 1839 war Schumann wieder in Leipzig. Die Entfernung
von der Zeitschrift war ihm „wohlthätig" gewesen, wie er meinte; jetzt aber
„lachte sie ihn wieder so jugendlich an" wie zu der Zeit ihrer Gründung.
Die Redaktion nahm er sofort wieder ans. Daß es ihm nicht an Stoff zu Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/377>, abgerufen am 24.07.2024.