Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit Ordnung. Ohne Beilagen ober und Extrabeilagen vermag heutzutage keine Zeit¬ Ich habe noch keinen Verleger gekannt, der die Kunst, (was geht ihn die Sehr möglich, daß an solche" Klippen endlich Schumanns Langmut zerschellte Schumann selbst dürfte sich wohl dabei befinden, in seinem Leben wie in Ist Robert Schumann unes Wien? ist er nach Paris? ist er nach Konstantinopel F. P- Lyser Gingen die Hoffnungen, die Schumann auf Wien gesetzt hatte, in Erfüllung? Schon in den ersten Tagen seines Wiener Aufenthalts berichtet er den *) Lyser war in Schumanns Zukunftspläne nicht eingeweiht, daher seine Vermutungen
über Berlegerdiffereuzen, dergleichen es zwischen Schumann und Friese nie gegeben hat. Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit Ordnung. Ohne Beilagen ober und Extrabeilagen vermag heutzutage keine Zeit¬ Ich habe noch keinen Verleger gekannt, der die Kunst, (was geht ihn die Sehr möglich, daß an solche» Klippen endlich Schumanns Langmut zerschellte Schumann selbst dürfte sich wohl dabei befinden, in seinem Leben wie in Ist Robert Schumann unes Wien? ist er nach Paris? ist er nach Konstantinopel F. P- Lyser Gingen die Hoffnungen, die Schumann auf Wien gesetzt hatte, in Erfüllung? Schon in den ersten Tagen seines Wiener Aufenthalts berichtet er den *) Lyser war in Schumanns Zukunftspläne nicht eingeweiht, daher seine Vermutungen
über Berlegerdiffereuzen, dergleichen es zwischen Schumann und Friese nie gegeben hat. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210242"/> <fw type="header" place="top"> Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1043" prev="#ID_1042"> Ordnung. Ohne Beilagen ober und Extrabeilagen vermag heutzutage keine Zeit¬<lb/> schrift zu existiren — also: Beilagen. Aber woher? Grosie Meister verlangen<lb/> große Honorare, Anfänger danken Gott, wenn sie gedruckt werden, und nun<lb/> vollends die Stümper!</p><lb/> <p xml:id="ID_1044"> Ich habe noch keinen Verleger gekannt, der die Kunst, (was geht ihn die<lb/> viel an?), nicht nur seineu. eignen Vorteil richtig erkannt und beachtet hätte, weiln<lb/> es darauf ankam, einen honetten Künstler honett zu honoriren. Der Schluß macht<lb/> sich selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_1045"> Sehr möglich, daß an solche» Klippen endlich Schumanns Langmut zerschellte<lb/> und es ihn herauftrieb in die Freiheit.") — Was unter solchen Umständen aus<lb/> der neuen musikalischen Zeitschrift wird, mag der Himmel wissen. Mir Leipzigs<lb/> Kunstleben, für Schumanns Freunde Ware, wie gesagt, der Verlust ein großer,<lb/> nicht zu ersetzender, dn Schumanns Einfluß für die neue Schule das war, was<lb/> früher der Einfluß Fr. Rochlitzjeus^ für die ältere.</p><lb/> <p xml:id="ID_1046"> Schumann selbst dürfte sich wohl dabei befinden, in seinem Leben wie in<lb/> seinem Streben. Verdiente je ein Virtuos und Komponist die Bezeichnung des<lb/> musikalischen Jean Pauls, so ist es Robert Schumann. Humor, der tiefste, innigste,<lb/> herzigste Humor! Das ist das Wesen aller Schumannschen Kompositionen. Deshalb<lb/> aber konnte ich auch nicht trauern, als er mir kund that, er wolle Leipzig für<lb/> einige Zeit verlassen, sondern ich schrieb ihm: „Dn thust Recht, es ist Dir Not,"<lb/> und wahrlich, es war ihm Not.</p><lb/> <p xml:id="ID_1047"> Ist Robert Schumann unes Wien? ist er nach Paris? ist er nach Konstantinopel<lb/> oder Athen gereist? nach Bockum oder Kyritz? Ich weiß es nicht, indem ich dieses<lb/> schreibe! — Aber wenn er in Wien ist, so bitte ich den Humoristen, daß ers den<lb/> Wienern sage: daß sie säuberlich mit dem Knaben Robert verfahren. Er ist kein Robert<lb/> der Teufel — (über diesen Vergleich, wenn er ihn zu Gesichte bekommt, wird er<lb/> wütend werden!) sondern ein herziger, guter Mensch, ein würdiger Jünger der<lb/> Kunst und wie geschaffen für das herzige Wien. Als Klavierspieler, das dürften<lb/> die Wiener bald finden! — wenn er sich entschließen kann, öffentlich sich hören<lb/> zu lassen — ist Schumann mit keinem jetzt lebenden Virtuosen zu vergleichen.<lb/> Seine Fertigkeit ist groß, doch wird er darin von der Mehrzahl weit übertroffen.<lb/> Aber hört ihn phantasiren! hört ihn seine Papillous, seine Etüden und vor allen<lb/> feilte Kreisleriana spielen! Es ist dies ein ganz guter Rat; und ich wüßte für<lb/> diesmal nichts weiter hinzuzufügen.</p><lb/> <note type="bibl"> F. P- Lyser</note><lb/> <p xml:id="ID_1048"> Gingen die Hoffnungen, die Schumann auf Wien gesetzt hatte, in Erfüllung?</p><lb/> <p xml:id="ID_1049" next="#ID_1050"> Schon in den ersten Tagen seines Wiener Aufenthalts berichtet er den<lb/> Seinigen von offnen und geheimen Gegnern, die ihm Steine in den Weg<lb/> legten; trotz des Umgangs mit mehreren ausgezeichneten Künstlern behagt ihm<lb/> die geistige Atmosphäre Wiens nicht, und er gesteht sich ein, daß er „lange<lb/> und allein da nicht leben möchte, wo ernstere Menschen und Sachen wenig<lb/> gesucht und wenig verstanden werden." Die erste, von der polizeilichen<lb/> Zensnrbehörde an den „Ausländer" gestellte Bedingung: daß sich ein öfter-</p><lb/> <note xml:id="FID_50" place="foot"> *) Lyser war in Schumanns Zukunftspläne nicht eingeweiht, daher seine Vermutungen<lb/> über Berlegerdiffereuzen, dergleichen es zwischen Schumann und Friese nie gegeben hat.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0375]
Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit
Ordnung. Ohne Beilagen ober und Extrabeilagen vermag heutzutage keine Zeit¬
schrift zu existiren — also: Beilagen. Aber woher? Grosie Meister verlangen
große Honorare, Anfänger danken Gott, wenn sie gedruckt werden, und nun
vollends die Stümper!
Ich habe noch keinen Verleger gekannt, der die Kunst, (was geht ihn die
viel an?), nicht nur seineu. eignen Vorteil richtig erkannt und beachtet hätte, weiln
es darauf ankam, einen honetten Künstler honett zu honoriren. Der Schluß macht
sich selbst.
Sehr möglich, daß an solche» Klippen endlich Schumanns Langmut zerschellte
und es ihn herauftrieb in die Freiheit.") — Was unter solchen Umständen aus
der neuen musikalischen Zeitschrift wird, mag der Himmel wissen. Mir Leipzigs
Kunstleben, für Schumanns Freunde Ware, wie gesagt, der Verlust ein großer,
nicht zu ersetzender, dn Schumanns Einfluß für die neue Schule das war, was
früher der Einfluß Fr. Rochlitzjeus^ für die ältere.
Schumann selbst dürfte sich wohl dabei befinden, in seinem Leben wie in
seinem Streben. Verdiente je ein Virtuos und Komponist die Bezeichnung des
musikalischen Jean Pauls, so ist es Robert Schumann. Humor, der tiefste, innigste,
herzigste Humor! Das ist das Wesen aller Schumannschen Kompositionen. Deshalb
aber konnte ich auch nicht trauern, als er mir kund that, er wolle Leipzig für
einige Zeit verlassen, sondern ich schrieb ihm: „Dn thust Recht, es ist Dir Not,"
und wahrlich, es war ihm Not.
Ist Robert Schumann unes Wien? ist er nach Paris? ist er nach Konstantinopel
oder Athen gereist? nach Bockum oder Kyritz? Ich weiß es nicht, indem ich dieses
schreibe! — Aber wenn er in Wien ist, so bitte ich den Humoristen, daß ers den
Wienern sage: daß sie säuberlich mit dem Knaben Robert verfahren. Er ist kein Robert
der Teufel — (über diesen Vergleich, wenn er ihn zu Gesichte bekommt, wird er
wütend werden!) sondern ein herziger, guter Mensch, ein würdiger Jünger der
Kunst und wie geschaffen für das herzige Wien. Als Klavierspieler, das dürften
die Wiener bald finden! — wenn er sich entschließen kann, öffentlich sich hören
zu lassen — ist Schumann mit keinem jetzt lebenden Virtuosen zu vergleichen.
Seine Fertigkeit ist groß, doch wird er darin von der Mehrzahl weit übertroffen.
Aber hört ihn phantasiren! hört ihn seine Papillous, seine Etüden und vor allen
feilte Kreisleriana spielen! Es ist dies ein ganz guter Rat; und ich wüßte für
diesmal nichts weiter hinzuzufügen.
F. P- Lyser
Gingen die Hoffnungen, die Schumann auf Wien gesetzt hatte, in Erfüllung?
Schon in den ersten Tagen seines Wiener Aufenthalts berichtet er den
Seinigen von offnen und geheimen Gegnern, die ihm Steine in den Weg
legten; trotz des Umgangs mit mehreren ausgezeichneten Künstlern behagt ihm
die geistige Atmosphäre Wiens nicht, und er gesteht sich ein, daß er „lange
und allein da nicht leben möchte, wo ernstere Menschen und Sachen wenig
gesucht und wenig verstanden werden." Die erste, von der polizeilichen
Zensnrbehörde an den „Ausländer" gestellte Bedingung: daß sich ein öfter-
*) Lyser war in Schumanns Zukunftspläne nicht eingeweiht, daher seine Vermutungen
über Berlegerdiffereuzen, dergleichen es zwischen Schumann und Friese nie gegeben hat.
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