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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Robert Schiunaims schriftstellerische Thätigkeit

in Wieuj hoffe ich alle Tage auf einen entscheidenden Brief." Es scheinen
also schon damals Unterhandlungen deswegen angeknüpft worden zu sein;
woran sie scheiterten, ist nicht bekannt. Jetzt kam das unerfreuliche Verhältnis
zu Wieck hinzu, der seine Zustimmung zu der Verlobung Schumanns mit
seiner Tochter verweigerte, und verleidete ihm den Aufenthalt in Leipzig. In
Wien, wo seiner Meinung nach die Zeitschrift einen bedeutenden Aufschwung
nehmen mußte, glaubte sich Schumann eine sichere Existenz gründen zu können;
dann würde, wie er hoffte, der alte Papa "nach und nach schmelzen," und
"eines der herrlichsten Mädchen, das je die Welt getragen," sein werden.
Schumann betrieb die Sache ganz im Geheimen, nußer seinen nächsten An¬
verwandten hatte niemand eine Ahnung von seinem Vorhaben, von dem, wie
er zuversichtlich glaubte, sein ganzes zukünftiges Glück abhing. Sem Ver¬
hältnis zu Clara Wieck war öffentlich nicht bekannt; daß die Zeitschrift nach
Wien verpflanzt werden sollte, hatte er in Leipzig nur N. Friese (dem Ver¬
leger) und Oswald Lorenz (dem stellvertretenden Redakteur) anvertraut. Um
sich über die Wiener Verhältnisse, insbesondere über die zur Konzessions-
erteiluug für die Zeitschrift notwendigen Schritte zu unterrichten, wandte er
sich an den Staatskanzleirat Vesque von Püttlingen, der ihm denn anch in
liebenswürdigster Weise entgegenkam. Ich teile aus den (ungedruckten) Briefen
Schumanns an Vesque einige Auszüge mit. Schon sein erster Brief (vom
26. Mai 1838, ein Antwortschreiben auf Vesques Zusendung von Liedern
zur Besprechung in der Zeitschrift) deutet auf die Reise nach Wien hin.
"Vielleicht daß mir in diesem Jahre ein alter Lieblingswunsch in Erfüllung
geht: mir Wien einmal ansehn zu dürfen. Erlauben Sie dann, hochgeehrtester
Herr, mich Ihnen vorzustellen?" Der zweite Brief, vom 15. Juli, legt den
gauzen Plan dar, mit der Bitte um Verschwiegenheit, da die Frucht für die
Öffentlichkeit noch nicht reif sei. "Besondere Verhältnisse (keine gefährlichen,
eher freundlicher Natur) machen es nötig, für die Zukunft meinen Herd in
einer größern Stadt aufzuschlagen. Wien liegt meinem Wirken am nächsten,
nach kurzer aber reiflicher Erwägung habe ich mich für Ihr schönes Wien
entschieden und vielleicht schon zum Schluß dieses Jahres die Freude, mich
Ihnen persönlich vorstellen zu dürfen. Nun aber will ich meine mir aus
Herz gewachsene Zeitschrift nicht aufgeben; im Gegenteil, sie soll mit mir, soll
vom Januar an in Wien erscheinen. Die Verlagsaugelegenheiten werden bereits
geordnet und in kurzem geschlichtet sein. Wollen Sie, den ich als einen so
freundlichen Beschützer der Kunst noch zuletzt von Fräulein Clara Wieck
schildern hören, einem unerfahrnen Künstler, der noch nicht lange aus den
Kinderschuhen, mit Ihrer Einsicht, Ihrem Rate beistehen, welche Schritte er
zunächst thun muß, wie die Erlaubnis zur Herausgabe der Zeitung in
Österreich zu erlangen? Die Zeitschrift mag als eine jugendliche, uuerschrockne,
oft sehr strenge bekannt sein; indes hat sie nie Politik und dergleichen berührt,


Robert Schiunaims schriftstellerische Thätigkeit

in Wieuj hoffe ich alle Tage auf einen entscheidenden Brief." Es scheinen
also schon damals Unterhandlungen deswegen angeknüpft worden zu sein;
woran sie scheiterten, ist nicht bekannt. Jetzt kam das unerfreuliche Verhältnis
zu Wieck hinzu, der seine Zustimmung zu der Verlobung Schumanns mit
seiner Tochter verweigerte, und verleidete ihm den Aufenthalt in Leipzig. In
Wien, wo seiner Meinung nach die Zeitschrift einen bedeutenden Aufschwung
nehmen mußte, glaubte sich Schumann eine sichere Existenz gründen zu können;
dann würde, wie er hoffte, der alte Papa „nach und nach schmelzen," und
„eines der herrlichsten Mädchen, das je die Welt getragen," sein werden.
Schumann betrieb die Sache ganz im Geheimen, nußer seinen nächsten An¬
verwandten hatte niemand eine Ahnung von seinem Vorhaben, von dem, wie
er zuversichtlich glaubte, sein ganzes zukünftiges Glück abhing. Sem Ver¬
hältnis zu Clara Wieck war öffentlich nicht bekannt; daß die Zeitschrift nach
Wien verpflanzt werden sollte, hatte er in Leipzig nur N. Friese (dem Ver¬
leger) und Oswald Lorenz (dem stellvertretenden Redakteur) anvertraut. Um
sich über die Wiener Verhältnisse, insbesondere über die zur Konzessions-
erteiluug für die Zeitschrift notwendigen Schritte zu unterrichten, wandte er
sich an den Staatskanzleirat Vesque von Püttlingen, der ihm denn anch in
liebenswürdigster Weise entgegenkam. Ich teile aus den (ungedruckten) Briefen
Schumanns an Vesque einige Auszüge mit. Schon sein erster Brief (vom
26. Mai 1838, ein Antwortschreiben auf Vesques Zusendung von Liedern
zur Besprechung in der Zeitschrift) deutet auf die Reise nach Wien hin.
„Vielleicht daß mir in diesem Jahre ein alter Lieblingswunsch in Erfüllung
geht: mir Wien einmal ansehn zu dürfen. Erlauben Sie dann, hochgeehrtester
Herr, mich Ihnen vorzustellen?" Der zweite Brief, vom 15. Juli, legt den
gauzen Plan dar, mit der Bitte um Verschwiegenheit, da die Frucht für die
Öffentlichkeit noch nicht reif sei. „Besondere Verhältnisse (keine gefährlichen,
eher freundlicher Natur) machen es nötig, für die Zukunft meinen Herd in
einer größern Stadt aufzuschlagen. Wien liegt meinem Wirken am nächsten,
nach kurzer aber reiflicher Erwägung habe ich mich für Ihr schönes Wien
entschieden und vielleicht schon zum Schluß dieses Jahres die Freude, mich
Ihnen persönlich vorstellen zu dürfen. Nun aber will ich meine mir aus
Herz gewachsene Zeitschrift nicht aufgeben; im Gegenteil, sie soll mit mir, soll
vom Januar an in Wien erscheinen. Die Verlagsaugelegenheiten werden bereits
geordnet und in kurzem geschlichtet sein. Wollen Sie, den ich als einen so
freundlichen Beschützer der Kunst noch zuletzt von Fräulein Clara Wieck
schildern hören, einem unerfahrnen Künstler, der noch nicht lange aus den
Kinderschuhen, mit Ihrer Einsicht, Ihrem Rate beistehen, welche Schritte er
zunächst thun muß, wie die Erlaubnis zur Herausgabe der Zeitung in
Österreich zu erlangen? Die Zeitschrift mag als eine jugendliche, uuerschrockne,
oft sehr strenge bekannt sein; indes hat sie nie Politik und dergleichen berührt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/370>, abgerufen am 24.07.2024.