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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

gerade da, wo mit der Ankunft in Colditz die wichtigste Station erreicht war,
bricht die lebendige Schilderung ab.*)

Von den litterarischen Arbeiten, zu denen Schumann wahrend seiner
Schulzeit herangezogen wurde, siud zunächst die "Bildnisse der berühmtesten
Menschen aller Völker und Zeiten" zu nennen, ein Lieferungswerk, das von
1818 bis 1828 in seines Vaters Verlage erschien, und dessen biographischer
Text teilweise von Robert geschrieben worden ist. Auch ist es nicht unwahr¬
scheinlich, daß er poetische Beiträge für die von seinem Vater herausgegebenen
"Erinnerungsblätter" lieferte. In den letzten Jahren war er an der von seinem
Bruder Karl in Schneeberg verlegten neuen Ausgabe von E. Forcellinis 1ot>in3
1MllitÄt.i8 ein?8g.nru8 beschäftigt. Er mußte "tüchtig mit korrigiren, exzerpiren,
aufschlagen, die Gruterischeu Inskriptionen durchlesen," er hatte "die ganze
Bibliothek durchstöbern müssen und viele ungedruckte Kollektaneen von Gronow,
Grave, Scaliger, Heinsius, Varth, Dauiu ?c. gefunden. Die Arbeit ist interessant,
setzt er in seinem Briefe an Flechsig hinzu, man lernt viel daraus, und mancher
Pfennig fließt mehr in die Tasche. Ich bekomme einen Thaler für jeden
Druckbogen; übrigens arbeiten alle ausgezeichneten Philologen daran."

Auch mit musik-plulvsophischen Untersuchungen muß sich Schumann schon
während seiner Schulzeit befaßt haben. Er erwähnt das flüchtig in einem
Briefe (Heidelberg, den 9. November 1829) an Wieck. "Schon seit Jahren
fing ich eine Ästhetik der Tonkunst an, die ziemlich weit gediehen war, fühlte
hernach aber recht wohl, daß es mir an eigentlichem Urteil und noch mehr
an Objektivität fehlte, sodaß ich hie und da fand, was andre vermißten, und
umgekehrt." Davon scheint aber nichts erhalten zu sein.

Von Dichtungen aus Schumanns letzten Schuljahren sind zwei Gelegen¬
heitsdrucke erhalten geblieben: Hochzeitsgedichte für seine Brüder Karl (22. April
1827) und Julius (15. April 1828). Als eines der zuletzt entstandenen wird
"Tassos Tod" genannt, das aber nicht mehr vorhanden ist.

Am 15. März 1828 bestand Schumann, noch nicht achtzehn Jahre alt,
die Reifeprüfung mit dem Zeugnis sxiiuis äiAnus und bezog die Universität
Leipzig, um auf den Wunsch seiner Mutter Jura zu studiren, "innerlich aber
sest entschlossen, ausschließlich Musik zu betreiben."^) Seinem FreundeG. Rosen
(in Heidelberg) gesteht er in der ersten Zeit, noch keine Vorlesung besucht,
"ausschließlich in der Stille gearbeitet, d. h. Klavier gespielt, etliche Briefe
und Jcan-Pauliadeu geschrieben zu haben." Unterm 13. Juni schreibt er der




*) Nach der Übersiedlung des I>. Cnrus "ach Leipzig (1823) setzte Schumann den an¬
regenden Verkehr in seinem Hause fort -- wo man ihn nach wie vor mit dem Scherznamen
"Fridolin" nannte. Dem ihm so wohlwollend gesinnten Ehepaare verehrte er gleich nach
der Veröffentlichung die moll-Sonate und die Kreisleriana -- jetzt ein umso wertvollerer
Besitz der Familie, als die ersten Ausgaben äußerst selten geworden sind.
**) Kastners biographischer Aufsatz.
Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

gerade da, wo mit der Ankunft in Colditz die wichtigste Station erreicht war,
bricht die lebendige Schilderung ab.*)

Von den litterarischen Arbeiten, zu denen Schumann wahrend seiner
Schulzeit herangezogen wurde, siud zunächst die „Bildnisse der berühmtesten
Menschen aller Völker und Zeiten" zu nennen, ein Lieferungswerk, das von
1818 bis 1828 in seines Vaters Verlage erschien, und dessen biographischer
Text teilweise von Robert geschrieben worden ist. Auch ist es nicht unwahr¬
scheinlich, daß er poetische Beiträge für die von seinem Vater herausgegebenen
„Erinnerungsblätter" lieferte. In den letzten Jahren war er an der von seinem
Bruder Karl in Schneeberg verlegten neuen Ausgabe von E. Forcellinis 1ot>in3
1MllitÄt.i8 ein?8g.nru8 beschäftigt. Er mußte „tüchtig mit korrigiren, exzerpiren,
aufschlagen, die Gruterischeu Inskriptionen durchlesen," er hatte „die ganze
Bibliothek durchstöbern müssen und viele ungedruckte Kollektaneen von Gronow,
Grave, Scaliger, Heinsius, Varth, Dauiu ?c. gefunden. Die Arbeit ist interessant,
setzt er in seinem Briefe an Flechsig hinzu, man lernt viel daraus, und mancher
Pfennig fließt mehr in die Tasche. Ich bekomme einen Thaler für jeden
Druckbogen; übrigens arbeiten alle ausgezeichneten Philologen daran."

Auch mit musik-plulvsophischen Untersuchungen muß sich Schumann schon
während seiner Schulzeit befaßt haben. Er erwähnt das flüchtig in einem
Briefe (Heidelberg, den 9. November 1829) an Wieck. „Schon seit Jahren
fing ich eine Ästhetik der Tonkunst an, die ziemlich weit gediehen war, fühlte
hernach aber recht wohl, daß es mir an eigentlichem Urteil und noch mehr
an Objektivität fehlte, sodaß ich hie und da fand, was andre vermißten, und
umgekehrt." Davon scheint aber nichts erhalten zu sein.

Von Dichtungen aus Schumanns letzten Schuljahren sind zwei Gelegen¬
heitsdrucke erhalten geblieben: Hochzeitsgedichte für seine Brüder Karl (22. April
1827) und Julius (15. April 1828). Als eines der zuletzt entstandenen wird
„Tassos Tod" genannt, das aber nicht mehr vorhanden ist.

Am 15. März 1828 bestand Schumann, noch nicht achtzehn Jahre alt,
die Reifeprüfung mit dem Zeugnis sxiiuis äiAnus und bezog die Universität
Leipzig, um auf den Wunsch seiner Mutter Jura zu studiren, „innerlich aber
sest entschlossen, ausschließlich Musik zu betreiben."^) Seinem FreundeG. Rosen
(in Heidelberg) gesteht er in der ersten Zeit, noch keine Vorlesung besucht,
„ausschließlich in der Stille gearbeitet, d. h. Klavier gespielt, etliche Briefe
und Jcan-Pauliadeu geschrieben zu haben." Unterm 13. Juni schreibt er der




*) Nach der Übersiedlung des I>. Cnrus »ach Leipzig (1823) setzte Schumann den an¬
regenden Verkehr in seinem Hause fort — wo man ihn nach wie vor mit dem Scherznamen
„Fridolin" nannte. Dem ihm so wohlwollend gesinnten Ehepaare verehrte er gleich nach
der Veröffentlichung die moll-Sonate und die Kreisleriana — jetzt ein umso wertvollerer
Besitz der Familie, als die ersten Ausgaben äußerst selten geworden sind.
**) Kastners biographischer Aufsatz.
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[0339] Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit gerade da, wo mit der Ankunft in Colditz die wichtigste Station erreicht war, bricht die lebendige Schilderung ab.*) Von den litterarischen Arbeiten, zu denen Schumann wahrend seiner Schulzeit herangezogen wurde, siud zunächst die „Bildnisse der berühmtesten Menschen aller Völker und Zeiten" zu nennen, ein Lieferungswerk, das von 1818 bis 1828 in seines Vaters Verlage erschien, und dessen biographischer Text teilweise von Robert geschrieben worden ist. Auch ist es nicht unwahr¬ scheinlich, daß er poetische Beiträge für die von seinem Vater herausgegebenen „Erinnerungsblätter" lieferte. In den letzten Jahren war er an der von seinem Bruder Karl in Schneeberg verlegten neuen Ausgabe von E. Forcellinis 1ot>in3 1MllitÄt.i8 ein?8g.nru8 beschäftigt. Er mußte „tüchtig mit korrigiren, exzerpiren, aufschlagen, die Gruterischeu Inskriptionen durchlesen," er hatte „die ganze Bibliothek durchstöbern müssen und viele ungedruckte Kollektaneen von Gronow, Grave, Scaliger, Heinsius, Varth, Dauiu ?c. gefunden. Die Arbeit ist interessant, setzt er in seinem Briefe an Flechsig hinzu, man lernt viel daraus, und mancher Pfennig fließt mehr in die Tasche. Ich bekomme einen Thaler für jeden Druckbogen; übrigens arbeiten alle ausgezeichneten Philologen daran." Auch mit musik-plulvsophischen Untersuchungen muß sich Schumann schon während seiner Schulzeit befaßt haben. Er erwähnt das flüchtig in einem Briefe (Heidelberg, den 9. November 1829) an Wieck. „Schon seit Jahren fing ich eine Ästhetik der Tonkunst an, die ziemlich weit gediehen war, fühlte hernach aber recht wohl, daß es mir an eigentlichem Urteil und noch mehr an Objektivität fehlte, sodaß ich hie und da fand, was andre vermißten, und umgekehrt." Davon scheint aber nichts erhalten zu sein. Von Dichtungen aus Schumanns letzten Schuljahren sind zwei Gelegen¬ heitsdrucke erhalten geblieben: Hochzeitsgedichte für seine Brüder Karl (22. April 1827) und Julius (15. April 1828). Als eines der zuletzt entstandenen wird „Tassos Tod" genannt, das aber nicht mehr vorhanden ist. Am 15. März 1828 bestand Schumann, noch nicht achtzehn Jahre alt, die Reifeprüfung mit dem Zeugnis sxiiuis äiAnus und bezog die Universität Leipzig, um auf den Wunsch seiner Mutter Jura zu studiren, „innerlich aber sest entschlossen, ausschließlich Musik zu betreiben."^) Seinem FreundeG. Rosen (in Heidelberg) gesteht er in der ersten Zeit, noch keine Vorlesung besucht, „ausschließlich in der Stille gearbeitet, d. h. Klavier gespielt, etliche Briefe und Jcan-Pauliadeu geschrieben zu haben." Unterm 13. Juni schreibt er der *) Nach der Übersiedlung des I>. Cnrus »ach Leipzig (1823) setzte Schumann den an¬ regenden Verkehr in seinem Hause fort — wo man ihn nach wie vor mit dem Scherznamen „Fridolin" nannte. Dem ihm so wohlwollend gesinnten Ehepaare verehrte er gleich nach der Veröffentlichung die moll-Sonate und die Kreisleriana — jetzt ein umso wertvollerer Besitz der Familie, als die ersten Ausgaben äußerst selten geworden sind. **) Kastners biographischer Aufsatz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/339>, abgerufen am 24.07.2024.