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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Gin Höhlenprozes;

tümers, daß er das Eigentum an dem Grundstück aufgebe, und durch den
Eintrag dieser Erklärung im Grundbuch erlischt, worauf es "von demjenigen,
welcher (!) nach den Landesgesetzen (!) zu der Zueignung (?) des Grundstücks
befugt ist, dadurch erworben wird, daß derselbe (!) auf seinen Antrag als
Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird" -- armes deutsches Recht,
arme deutsche Sprache!

Wir siud von kleinem auf großes, von dem Streit um ein Erdloch auf ein
wichtiges Stück der sozialen Frage, zu dein Versuch einer einheitlichen Ge-
staltung des allgemeinen ("öffentlichen") Rechts und des sonder-(Privat-)Rechts
an Grund und Voden gelangt. Den Übergang hat die Frage gebildet, warum
die Art, wie jener Streit erledigt wurde, unser Rechtsgefühl befriedige, und
warum bei andrer Gestaltung des Streites eine solche befriedigende Erledigung
nicht möglich gewesen wäre. Die Antwort auf die Doppelfrage lautet: weil
zufällig, aber nur zufällig, die Verhältnisse so lagen, wie sie bei der von uns
befürworteten Gestaltung des Rechts an Grund und Boden immer liegen müßten,
d. h. weil zufällig uicht einzelne Staats- oder Gemeindebürger, sondern zwei
Gemeinden Ansprüche auf die Hohle verfolgten. Aus dem volle" Eigentum,
dem öminnünu, an den Grundstücken, unter oder in denen die Hohle liegt,
folgt mit Notwendigkeit auch das Eigentum an dem Höhlenraum, das aus¬
schließliche Verfügungs- und Aneignnugsrecht in Bezug auf die diesen Raum
umgebenden Tropfsteingebilde und auf die im Boden der Höhle lagernden Fund¬
stücke. In dein bloßen Nutzcigentum, in dem Recht, die Erträgnisse des Acker-
vder Waldbodens als Entgelt für dessen Pflege ausschließlich zu beziehen, ist
ein solches Recht keineswegs begriffen, so wenig wie das Recht ans die im
Boden verborgenen Erze, Salze und Mineralquellen. Diese Rechte gebühren
dem Obereigentümer, dem "Lehnsherrn," d. h. dem, der den Grund und Boden
an die Einzelnen zur Nutzung verliehen hat. In Bezug auf die zu einer
Markung gehörigen Grundstücke nimmt diese Stellung die Gemeinde ein; sie
ist aber von Rechtswegen in ihrer Verfügung darüber nicht unbeschränkt, über
ihr steht als Oberlehnsherr, als höchster Eigentümer der Staat. Das Staats¬
gebiet gehört dem Staate, ihm steht daran oder darüber das Eigentum, die
Herrschaft zu; sein Obereigeutnm ist unveräußerlich, dieses kann er, ohne seine
"Souveränität," d. h. sich selbst aufzugeben, uicht weggeben, die einzelnen daraus
abzuleitenden Rechte mag er in verschiedenster Weise an seine mittelbaren und
unmittelbaren Glieder, an Personen oder Gemeinden verleihen. Dem Wesen nach
bleibt sein Eigentum immer dasselbe, und nur die in halbverstandenem Pandekten-
recht wurzelnde geistige Beschränktheit kann von verschiedenen Arten des Staats¬
eigentums, von "öffentlichem" und von "Privateigentum" des Staats reden. Was
dem "gemeinen Wesen" (der r<Z8 rmbliv!,.) gehört, ist eben darum niemals Privat¬
eigentum; im Feudalstaat wurde allerdings das Staatsgebiet als Privateigentum,
Domäne des Staatsoberhauptes augesehen, dieses und nicht wie wir es


Gnmzlwk'et et 18"1 35
Gin Höhlenprozes;

tümers, daß er das Eigentum an dem Grundstück aufgebe, und durch den
Eintrag dieser Erklärung im Grundbuch erlischt, worauf es „von demjenigen,
welcher (!) nach den Landesgesetzen (!) zu der Zueignung (?) des Grundstücks
befugt ist, dadurch erworben wird, daß derselbe (!) auf seinen Antrag als
Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird" — armes deutsches Recht,
arme deutsche Sprache!

Wir siud von kleinem auf großes, von dem Streit um ein Erdloch auf ein
wichtiges Stück der sozialen Frage, zu dein Versuch einer einheitlichen Ge-
staltung des allgemeinen („öffentlichen") Rechts und des sonder-(Privat-)Rechts
an Grund und Voden gelangt. Den Übergang hat die Frage gebildet, warum
die Art, wie jener Streit erledigt wurde, unser Rechtsgefühl befriedige, und
warum bei andrer Gestaltung des Streites eine solche befriedigende Erledigung
nicht möglich gewesen wäre. Die Antwort auf die Doppelfrage lautet: weil
zufällig, aber nur zufällig, die Verhältnisse so lagen, wie sie bei der von uns
befürworteten Gestaltung des Rechts an Grund und Boden immer liegen müßten,
d. h. weil zufällig uicht einzelne Staats- oder Gemeindebürger, sondern zwei
Gemeinden Ansprüche auf die Hohle verfolgten. Aus dem volle» Eigentum,
dem öminnünu, an den Grundstücken, unter oder in denen die Hohle liegt,
folgt mit Notwendigkeit auch das Eigentum an dem Höhlenraum, das aus¬
schließliche Verfügungs- und Aneignnugsrecht in Bezug auf die diesen Raum
umgebenden Tropfsteingebilde und auf die im Boden der Höhle lagernden Fund¬
stücke. In dein bloßen Nutzcigentum, in dem Recht, die Erträgnisse des Acker-
vder Waldbodens als Entgelt für dessen Pflege ausschließlich zu beziehen, ist
ein solches Recht keineswegs begriffen, so wenig wie das Recht ans die im
Boden verborgenen Erze, Salze und Mineralquellen. Diese Rechte gebühren
dem Obereigentümer, dem „Lehnsherrn," d. h. dem, der den Grund und Boden
an die Einzelnen zur Nutzung verliehen hat. In Bezug auf die zu einer
Markung gehörigen Grundstücke nimmt diese Stellung die Gemeinde ein; sie
ist aber von Rechtswegen in ihrer Verfügung darüber nicht unbeschränkt, über
ihr steht als Oberlehnsherr, als höchster Eigentümer der Staat. Das Staats¬
gebiet gehört dem Staate, ihm steht daran oder darüber das Eigentum, die
Herrschaft zu; sein Obereigeutnm ist unveräußerlich, dieses kann er, ohne seine
„Souveränität," d. h. sich selbst aufzugeben, uicht weggeben, die einzelnen daraus
abzuleitenden Rechte mag er in verschiedenster Weise an seine mittelbaren und
unmittelbaren Glieder, an Personen oder Gemeinden verleihen. Dem Wesen nach
bleibt sein Eigentum immer dasselbe, und nur die in halbverstandenem Pandekten-
recht wurzelnde geistige Beschränktheit kann von verschiedenen Arten des Staats¬
eigentums, von „öffentlichem" und von „Privateigentum" des Staats reden. Was
dem „gemeinen Wesen" (der r<Z8 rmbliv!,.) gehört, ist eben darum niemals Privat¬
eigentum; im Feudalstaat wurde allerdings das Staatsgebiet als Privateigentum,
Domäne des Staatsoberhauptes augesehen, dieses und nicht wie wir es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/277>, abgerufen am 24.07.2024.