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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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nächste oberirdische Schopflocher Angrenzer von Gutenberg ist ein ehrsamer
Schuster, der zwar wenig Sinn für Tropfsteine und Bärenknochen, nur so
mehr aber für die reichen Eintrittsgelder hat, die die Höhle abwirft. Aus¬
gerüstet mit einem Empfehlungsschreiben seines Schultheißen begiebt er sich
nach Gutenberg und stellt an dessen Schultheißen und Rat das Begehren, daß
sie ihm eiuen Teil ihres Gewinns überlassei: sollen. Er erhält eine höfliche,
aber ausweichende Antwort. Gegen die Gemeinde, die aus ihrem Höhlen¬
einnehmen leicht die Mittel zu langem Kampfe zieht, den Kriegspfad oder
Rechtsweg zu betreten, fühlt sich der Schuster zu schwach, er tritt darum alle
seine Rechte und Klagen an die Gemeinde Schopfloch ab, diese wiederholt das
Teilungsbegehren, Gutenberg giebt abermals eine ausweichende Antwort: es
sei ganz ungewiß, ob ein Teil der Höhle unter der Markung Schopfloch
liege u. s. w. Nun verlangt Schopfloch, Gutenberg solle ihm die Ausmessung
der Hohle gestatten; dessen weigert sich Gutenberg. Nach einem mit zunehmender
Leidenschaft und abnehmender Höflichkeit noch einige Wochen hindurch fort¬
geführten Schriftenwechsel bricht Schopfloch den Versuch der gütlichen Ver¬
ständigung ab und trifft Anstalten, sich von oben herab ans seiner Markung
eiuen Zugang zu seinem Anteil an der Höhle zu eröffnen. Darob großer
Schrecken in Gutenberg. Durch Vermittlung des "Schwäbischen-Alpvereins,"
der sich die Erhaltung und Eröffnung aller Schönheiten und Merkwürdigkeiten
des vaterländischen Gebirges zum löblichen Ziele gesetzt hat, wird die Sache
an den Minister des Innern gebracht, der das den beiden Gemeinden vorge¬
setzte Oberamt anweist, "seinen ganzen Einfluß geltend zu machen, daß die dein
Vernehmen nach prachtvolle und einzigartige Naturmerkwürdigkeit nicht zerstört
oder beschädigt werde." Das Oberamt bietet seinen ganzen Einfluß aus und
veranlaßt Schopfloch, von dem geplanten Stollenban einstweilen abzustehen;
allein der weitere vom Oberamtmann unter dem Beistande des Landtags¬
abgeordneten für den Bezirk gemachte Versuch einer gütlichen Beilegung des
Streites mißlingt, und Schopfloch erhebt gegen Gutenberg gerichtliche Klage
auf Anerkennung seines Eigentums an einem Teil der Höhle, ans Feststellung
der Grenze und auf Gestattung des Zugangs durch den Gutenberger Hvhleu-
eingaug. Zunächst beantragt der Anwalt Schopflochs eine "einstweilige Ver¬
fügung" dahin: es sei durch gerichtlichen Augenschein mit Hilfe eines Geometers
die unterirdische Markungsgrenze zu ermitteln und den Schopflochern zu ge¬
statten, daß sie bis zum Auftrag des Streites unter Benutzung des Gutenberger
Eingangs auf der unterirdischen Grenzlinie eine Mauer oder eiuen Zaun er¬
richten. Es kommt zur gerichtlichen Verhandlung. Gutenberg, vertrauend
auf den Schutz des Ministers, versteht sich zu keinerlei Einräumung; daß die
Höhle teilweise inner- oder unterhalb der Schopflocher Markung liege, "wolle
nicht bestritten werden" (eine Lieblingswendnng in dem scheußlichen Kanzlei¬
deutsch); aber ein Recht Schopflochs auf Benützung des Gutenberger Eingangs


nächste oberirdische Schopflocher Angrenzer von Gutenberg ist ein ehrsamer
Schuster, der zwar wenig Sinn für Tropfsteine und Bärenknochen, nur so
mehr aber für die reichen Eintrittsgelder hat, die die Höhle abwirft. Aus¬
gerüstet mit einem Empfehlungsschreiben seines Schultheißen begiebt er sich
nach Gutenberg und stellt an dessen Schultheißen und Rat das Begehren, daß
sie ihm eiuen Teil ihres Gewinns überlassei: sollen. Er erhält eine höfliche,
aber ausweichende Antwort. Gegen die Gemeinde, die aus ihrem Höhlen¬
einnehmen leicht die Mittel zu langem Kampfe zieht, den Kriegspfad oder
Rechtsweg zu betreten, fühlt sich der Schuster zu schwach, er tritt darum alle
seine Rechte und Klagen an die Gemeinde Schopfloch ab, diese wiederholt das
Teilungsbegehren, Gutenberg giebt abermals eine ausweichende Antwort: es
sei ganz ungewiß, ob ein Teil der Höhle unter der Markung Schopfloch
liege u. s. w. Nun verlangt Schopfloch, Gutenberg solle ihm die Ausmessung
der Hohle gestatten; dessen weigert sich Gutenberg. Nach einem mit zunehmender
Leidenschaft und abnehmender Höflichkeit noch einige Wochen hindurch fort¬
geführten Schriftenwechsel bricht Schopfloch den Versuch der gütlichen Ver¬
ständigung ab und trifft Anstalten, sich von oben herab ans seiner Markung
eiuen Zugang zu seinem Anteil an der Höhle zu eröffnen. Darob großer
Schrecken in Gutenberg. Durch Vermittlung des „Schwäbischen-Alpvereins,"
der sich die Erhaltung und Eröffnung aller Schönheiten und Merkwürdigkeiten
des vaterländischen Gebirges zum löblichen Ziele gesetzt hat, wird die Sache
an den Minister des Innern gebracht, der das den beiden Gemeinden vorge¬
setzte Oberamt anweist, „seinen ganzen Einfluß geltend zu machen, daß die dein
Vernehmen nach prachtvolle und einzigartige Naturmerkwürdigkeit nicht zerstört
oder beschädigt werde." Das Oberamt bietet seinen ganzen Einfluß aus und
veranlaßt Schopfloch, von dem geplanten Stollenban einstweilen abzustehen;
allein der weitere vom Oberamtmann unter dem Beistande des Landtags¬
abgeordneten für den Bezirk gemachte Versuch einer gütlichen Beilegung des
Streites mißlingt, und Schopfloch erhebt gegen Gutenberg gerichtliche Klage
auf Anerkennung seines Eigentums an einem Teil der Höhle, ans Feststellung
der Grenze und auf Gestattung des Zugangs durch den Gutenberger Hvhleu-
eingaug. Zunächst beantragt der Anwalt Schopflochs eine „einstweilige Ver¬
fügung" dahin: es sei durch gerichtlichen Augenschein mit Hilfe eines Geometers
die unterirdische Markungsgrenze zu ermitteln und den Schopflochern zu ge¬
statten, daß sie bis zum Auftrag des Streites unter Benutzung des Gutenberger
Eingangs auf der unterirdischen Grenzlinie eine Mauer oder eiuen Zaun er¬
richten. Es kommt zur gerichtlichen Verhandlung. Gutenberg, vertrauend
auf den Schutz des Ministers, versteht sich zu keinerlei Einräumung; daß die
Höhle teilweise inner- oder unterhalb der Schopflocher Markung liege, „wolle
nicht bestritten werden" (eine Lieblingswendnng in dem scheußlichen Kanzlei¬
deutsch); aber ein Recht Schopflochs auf Benützung des Gutenberger Eingangs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/268>, abgerufen am 24.07.2024.