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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die Wirkungen der Mac Rinley-Bill in Amerika

Berichte der 5sgvs Anfang März beschloß, schleunigst gegen 7000 Soldaten
nach Hcivana abzusenden.

Eine ganz andre Wirkung hat das Gesetz in den Vereinigten Staaten
selbst gehabt. Denn abgesehen davon, daß manche Industriezweige stark
emporblühen werden, wird das Gesetz auch Veranlassung zur Eröffnung neuer
Verkehrswege. Wie schon erwähnt, gewinnen durch den Eingangszoll nur die
Industriestaaten, d. h. die Oststaaten am Meere, denn sie sind den europäischen
Mitbewerber losgeworden, der mit billigern Lohnsätzen arbeitet. Dagegen
werden die landwirtschafttreibenden Weststaaten und die Binnenlandschaften
trotz ihrer billigen Produktion infolge des europäischen Zolles an der Aus¬
fuhr gehindert. Diese Staaten sinnen nun darauf, wie sie ihr Getreide,
Mehl, Fleisch n. dergl. billiger und schneller zum Meere bringen können,
damit es trotz des erhöhten europäischen Eingangszolles noch aus den dortigen
Märkten in Wettbewerb treten kann.

Besonders hart hat unter der Bill Chicago, der große Stapelplatz des
Michigansees, gelitten. Die Verfrachtung nach dem Atlantischen Ozean, der
ungefähr 1200 Kilometer in der Luftlinie entfernt liegt, ist außerordentlich
zeitraubend und kostspielig, denn außer den großen Seen muß uoch eine Menge
kleiner Kanäle benutzt werden. So kommt es denn, daß die Gesamtlänge der
Wasserstraße von Chicago bis Montreal allem schon 2000 Kilometer beträgt.
Hier erfolgt dann erst das Umladen auf Seedampfer, denn es war bisher nur
möglich, Schiffe von 600 Tonnen Gehalt durch das "Eiserne Thor" zwischen
Kingston und Montreal hindurchzudringen, und auch durch den neuerbauten
Wellandkanal ist die Durchfahrt größerer Schiffe uicht ermöglicht worden.
Der Zeitverlust ist umso mehr in Rechnung zu ziehen und umso höher anzu¬
schlagen, da ja, wie früher erwähnt, die Wasserstraße durch den Lorenzo nur
die eine Hälfte des Jahres, vom Mai bis November, zu benutzen ist.

In Erwägung aller dieser Umstünde ist nun kürzlich in Chicago, Mont¬
real und London eine Anzahl von großen Geldmännern zusammengetreten,
die ein Kapital von zwölf Millionen Dollars gezeichnet haben. Damit wollen
sie eine bedeutend tiefere und kürzere Wasserstraße herstellen, die es Seeschiffen
gestatten soll, bis Chicago zu fahren. Der neue Kanal soll aus dem untern
Lorenzo durch das erweiterte "Eiserne Thor" zwischen Kingston und Montreal
hindurch in den Ontariosee und von dort unmittelbar, mit Umgehung des
Eriesees, unter Benutzung einiger kleineren Seen in die Georgianbucht des
Hurousees führen. Der Höhenzug, der die Wasser vom Huron und Ontario
scheidet, soll durchstochen werden. Nur darüber herrscht noch Zweifel, ob ein
Kanal mit Schleusen oder eine Schiffseisenbahn die Seeschiffe über die Land¬
enge hinüberbringen soll. Durch die Umgehung des Eriesees würde allein
eine Verkürzung von 500 Kilometern erreicht werden, und außerdem ersparte
-man das kostspielige und zeitraubende Umladen ans Seedampfer in Montreal.


Grenzten II 1891 28
Die Wirkungen der Mac Rinley-Bill in Amerika

Berichte der 5sgvs Anfang März beschloß, schleunigst gegen 7000 Soldaten
nach Hcivana abzusenden.

Eine ganz andre Wirkung hat das Gesetz in den Vereinigten Staaten
selbst gehabt. Denn abgesehen davon, daß manche Industriezweige stark
emporblühen werden, wird das Gesetz auch Veranlassung zur Eröffnung neuer
Verkehrswege. Wie schon erwähnt, gewinnen durch den Eingangszoll nur die
Industriestaaten, d. h. die Oststaaten am Meere, denn sie sind den europäischen
Mitbewerber losgeworden, der mit billigern Lohnsätzen arbeitet. Dagegen
werden die landwirtschafttreibenden Weststaaten und die Binnenlandschaften
trotz ihrer billigen Produktion infolge des europäischen Zolles an der Aus¬
fuhr gehindert. Diese Staaten sinnen nun darauf, wie sie ihr Getreide,
Mehl, Fleisch n. dergl. billiger und schneller zum Meere bringen können,
damit es trotz des erhöhten europäischen Eingangszolles noch aus den dortigen
Märkten in Wettbewerb treten kann.

Besonders hart hat unter der Bill Chicago, der große Stapelplatz des
Michigansees, gelitten. Die Verfrachtung nach dem Atlantischen Ozean, der
ungefähr 1200 Kilometer in der Luftlinie entfernt liegt, ist außerordentlich
zeitraubend und kostspielig, denn außer den großen Seen muß uoch eine Menge
kleiner Kanäle benutzt werden. So kommt es denn, daß die Gesamtlänge der
Wasserstraße von Chicago bis Montreal allem schon 2000 Kilometer beträgt.
Hier erfolgt dann erst das Umladen auf Seedampfer, denn es war bisher nur
möglich, Schiffe von 600 Tonnen Gehalt durch das „Eiserne Thor" zwischen
Kingston und Montreal hindurchzudringen, und auch durch den neuerbauten
Wellandkanal ist die Durchfahrt größerer Schiffe uicht ermöglicht worden.
Der Zeitverlust ist umso mehr in Rechnung zu ziehen und umso höher anzu¬
schlagen, da ja, wie früher erwähnt, die Wasserstraße durch den Lorenzo nur
die eine Hälfte des Jahres, vom Mai bis November, zu benutzen ist.

In Erwägung aller dieser Umstünde ist nun kürzlich in Chicago, Mont¬
real und London eine Anzahl von großen Geldmännern zusammengetreten,
die ein Kapital von zwölf Millionen Dollars gezeichnet haben. Damit wollen
sie eine bedeutend tiefere und kürzere Wasserstraße herstellen, die es Seeschiffen
gestatten soll, bis Chicago zu fahren. Der neue Kanal soll aus dem untern
Lorenzo durch das erweiterte „Eiserne Thor" zwischen Kingston und Montreal
hindurch in den Ontariosee und von dort unmittelbar, mit Umgehung des
Eriesees, unter Benutzung einiger kleineren Seen in die Georgianbucht des
Hurousees führen. Der Höhenzug, der die Wasser vom Huron und Ontario
scheidet, soll durchstochen werden. Nur darüber herrscht noch Zweifel, ob ein
Kanal mit Schleusen oder eine Schiffseisenbahn die Seeschiffe über die Land¬
enge hinüberbringen soll. Durch die Umgehung des Eriesees würde allein
eine Verkürzung von 500 Kilometern erreicht werden, und außerdem ersparte
-man das kostspielige und zeitraubende Umladen ans Seedampfer in Montreal.


Grenzten II 1891 28
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[0221] Die Wirkungen der Mac Rinley-Bill in Amerika Berichte der 5sgvs Anfang März beschloß, schleunigst gegen 7000 Soldaten nach Hcivana abzusenden. Eine ganz andre Wirkung hat das Gesetz in den Vereinigten Staaten selbst gehabt. Denn abgesehen davon, daß manche Industriezweige stark emporblühen werden, wird das Gesetz auch Veranlassung zur Eröffnung neuer Verkehrswege. Wie schon erwähnt, gewinnen durch den Eingangszoll nur die Industriestaaten, d. h. die Oststaaten am Meere, denn sie sind den europäischen Mitbewerber losgeworden, der mit billigern Lohnsätzen arbeitet. Dagegen werden die landwirtschafttreibenden Weststaaten und die Binnenlandschaften trotz ihrer billigen Produktion infolge des europäischen Zolles an der Aus¬ fuhr gehindert. Diese Staaten sinnen nun darauf, wie sie ihr Getreide, Mehl, Fleisch n. dergl. billiger und schneller zum Meere bringen können, damit es trotz des erhöhten europäischen Eingangszolles noch aus den dortigen Märkten in Wettbewerb treten kann. Besonders hart hat unter der Bill Chicago, der große Stapelplatz des Michigansees, gelitten. Die Verfrachtung nach dem Atlantischen Ozean, der ungefähr 1200 Kilometer in der Luftlinie entfernt liegt, ist außerordentlich zeitraubend und kostspielig, denn außer den großen Seen muß uoch eine Menge kleiner Kanäle benutzt werden. So kommt es denn, daß die Gesamtlänge der Wasserstraße von Chicago bis Montreal allem schon 2000 Kilometer beträgt. Hier erfolgt dann erst das Umladen auf Seedampfer, denn es war bisher nur möglich, Schiffe von 600 Tonnen Gehalt durch das „Eiserne Thor" zwischen Kingston und Montreal hindurchzudringen, und auch durch den neuerbauten Wellandkanal ist die Durchfahrt größerer Schiffe uicht ermöglicht worden. Der Zeitverlust ist umso mehr in Rechnung zu ziehen und umso höher anzu¬ schlagen, da ja, wie früher erwähnt, die Wasserstraße durch den Lorenzo nur die eine Hälfte des Jahres, vom Mai bis November, zu benutzen ist. In Erwägung aller dieser Umstünde ist nun kürzlich in Chicago, Mont¬ real und London eine Anzahl von großen Geldmännern zusammengetreten, die ein Kapital von zwölf Millionen Dollars gezeichnet haben. Damit wollen sie eine bedeutend tiefere und kürzere Wasserstraße herstellen, die es Seeschiffen gestatten soll, bis Chicago zu fahren. Der neue Kanal soll aus dem untern Lorenzo durch das erweiterte „Eiserne Thor" zwischen Kingston und Montreal hindurch in den Ontariosee und von dort unmittelbar, mit Umgehung des Eriesees, unter Benutzung einiger kleineren Seen in die Georgianbucht des Hurousees führen. Der Höhenzug, der die Wasser vom Huron und Ontario scheidet, soll durchstochen werden. Nur darüber herrscht noch Zweifel, ob ein Kanal mit Schleusen oder eine Schiffseisenbahn die Seeschiffe über die Land¬ enge hinüberbringen soll. Durch die Umgehung des Eriesees würde allein eine Verkürzung von 500 Kilometern erreicht werden, und außerdem ersparte -man das kostspielige und zeitraubende Umladen ans Seedampfer in Montreal. Grenzten II 1891 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/221>, abgerufen am 24.07.2024.