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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Der Nationalismus

Luft und Licht, über Sprache, Sitte, Rechtsleben, Kulturformen der großen
Völker Europas finden an diesem oder an jenem Orte gewaltthätige Unduld¬
samkeit.

Man könnte meinen, daß, wo ein Staat den Genossen eines fremden
Volkes gleiches Recht mit dem eignen Stamm versagt, er die Berechtigung
dazu herleite ans der Erkenntnis, daß das fremde Element der Kultur-
entwicklung des eignen, des maßgebende" Volkes hinderlich, schädlich sei. Ein
solcher Grund zu nationaler Feindschaft wäre ausreichend. Ob unsre Kultur¬
ideale nun die absolut wahren, ob sie ewig giltig sind, das steht nicht in
Frage; sie sind die unsrigen, und wir dürfen, müssen sie als schlechterdings
wahr und dauernd ansehen, hochhalten, verteidigen gegen fremdartige Kultur¬
fvrmen und gegen Eingriffe niederer Kultur, roher Barbarei. Was unsern
Idealen in Recht, Sitte, öffentlicher Moral, in den Grundlagen nationaler
Arbeit und staatlichen Lebens widerspricht, das habe" wir die Pflicht von uns
zu weisen. Hierin wurzelt der berechtigte Teil der Feindschaft, von der die
Völker Europas gegen das Judentum erfüllt sind. Die Geldgier, die Erwerbs¬
fähigkeit des Juden, die an intellektueller Kraft größer ist als die der
meisten enropäischen Völker und zugleich weit weniger gehemmt durch sittliche
Schranken, giebt uns einiges Recht, unsre Sitten und Gewohnheiten, unsern
Volkscharakter vor Verschlechterung zu schützen durch Abwehr der Indem In
gleicher Lage wären nur gegenüber den Chinesen, wenn die chinesische Ein¬
wanderung etwa bei uns Platz griffe. Der Jude übertrifft uns an finanziellem
Scharfsinn ebenso wie der Chinese an körperlicher Ausdauer und Genügsamkeit;
der Chinese würde, be^i uns einwandernd und frei arbeitend, unsern Fabrik¬
arbeiter und Handwerker ebenso verdrängen, wie der Jude den Kaufmann, den
Bankier, den Fabrikanten verdrängt; wir würden, bei strenger Gleichheit vor
dem Gesetz, bald unsre obern Volksklassen von Juden, unsre niedern von
Chinesen erfüllt und uns selbst ans dem eignen Hause gedrängt sehen. Unsre
Volkssitten würden von den durchaus andern Sitten des Chinesen, die wir
schlecht nennen, verändert, verschlechtert werden, der fremde Stoff in unserm
Volks- und Staatskörper müßte Krankheit, Zersetzung herbeiführen. Dagegen
dürfen wir uns schützen, indem wir die freie, gleiche Konkurrenz in der Arbeit
aufheben, indem wir die Chinesen an der Einwanderung und an der Konkurrenz
in der Arbeit gewaltsam hindern. Wir dürfen uns auch vor der jüdischen
Einwanderung schützen. Die Vermengung von gar zu verschiednen Volkstypen
scheint keine guten Früchte zu bringen. Trotz aller in Amerika seit dem Kriege
von 18"A gemachten liberale" Anstrengungen ist ein Aufgehen der schwarzen
Nasse in der weißen nicht eingetreten, vielmehr hat sich der Gegensatz so sehr
geschärft, daß die Amerikaner, an einer Aufsaugung der Neger verzweifelnd
und zugleich den Schaden, den dieser fremde Stamm dem Volke in den Ver¬
einigten Staaten zufügt, als sehr groß erkennend, ernstlich erwägen, ob sie die


Der Nationalismus

Luft und Licht, über Sprache, Sitte, Rechtsleben, Kulturformen der großen
Völker Europas finden an diesem oder an jenem Orte gewaltthätige Unduld¬
samkeit.

Man könnte meinen, daß, wo ein Staat den Genossen eines fremden
Volkes gleiches Recht mit dem eignen Stamm versagt, er die Berechtigung
dazu herleite ans der Erkenntnis, daß das fremde Element der Kultur-
entwicklung des eignen, des maßgebende» Volkes hinderlich, schädlich sei. Ein
solcher Grund zu nationaler Feindschaft wäre ausreichend. Ob unsre Kultur¬
ideale nun die absolut wahren, ob sie ewig giltig sind, das steht nicht in
Frage; sie sind die unsrigen, und wir dürfen, müssen sie als schlechterdings
wahr und dauernd ansehen, hochhalten, verteidigen gegen fremdartige Kultur¬
fvrmen und gegen Eingriffe niederer Kultur, roher Barbarei. Was unsern
Idealen in Recht, Sitte, öffentlicher Moral, in den Grundlagen nationaler
Arbeit und staatlichen Lebens widerspricht, das habe« wir die Pflicht von uns
zu weisen. Hierin wurzelt der berechtigte Teil der Feindschaft, von der die
Völker Europas gegen das Judentum erfüllt sind. Die Geldgier, die Erwerbs¬
fähigkeit des Juden, die an intellektueller Kraft größer ist als die der
meisten enropäischen Völker und zugleich weit weniger gehemmt durch sittliche
Schranken, giebt uns einiges Recht, unsre Sitten und Gewohnheiten, unsern
Volkscharakter vor Verschlechterung zu schützen durch Abwehr der Indem In
gleicher Lage wären nur gegenüber den Chinesen, wenn die chinesische Ein¬
wanderung etwa bei uns Platz griffe. Der Jude übertrifft uns an finanziellem
Scharfsinn ebenso wie der Chinese an körperlicher Ausdauer und Genügsamkeit;
der Chinese würde, be^i uns einwandernd und frei arbeitend, unsern Fabrik¬
arbeiter und Handwerker ebenso verdrängen, wie der Jude den Kaufmann, den
Bankier, den Fabrikanten verdrängt; wir würden, bei strenger Gleichheit vor
dem Gesetz, bald unsre obern Volksklassen von Juden, unsre niedern von
Chinesen erfüllt und uns selbst ans dem eignen Hause gedrängt sehen. Unsre
Volkssitten würden von den durchaus andern Sitten des Chinesen, die wir
schlecht nennen, verändert, verschlechtert werden, der fremde Stoff in unserm
Volks- und Staatskörper müßte Krankheit, Zersetzung herbeiführen. Dagegen
dürfen wir uns schützen, indem wir die freie, gleiche Konkurrenz in der Arbeit
aufheben, indem wir die Chinesen an der Einwanderung und an der Konkurrenz
in der Arbeit gewaltsam hindern. Wir dürfen uns auch vor der jüdischen
Einwanderung schützen. Die Vermengung von gar zu verschiednen Volkstypen
scheint keine guten Früchte zu bringen. Trotz aller in Amerika seit dem Kriege
von 18«A gemachten liberale» Anstrengungen ist ein Aufgehen der schwarzen
Nasse in der weißen nicht eingetreten, vielmehr hat sich der Gegensatz so sehr
geschärft, daß die Amerikaner, an einer Aufsaugung der Neger verzweifelnd
und zugleich den Schaden, den dieser fremde Stamm dem Volke in den Ver¬
einigten Staaten zufügt, als sehr groß erkennend, ernstlich erwägen, ob sie die


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[0124] Der Nationalismus Luft und Licht, über Sprache, Sitte, Rechtsleben, Kulturformen der großen Völker Europas finden an diesem oder an jenem Orte gewaltthätige Unduld¬ samkeit. Man könnte meinen, daß, wo ein Staat den Genossen eines fremden Volkes gleiches Recht mit dem eignen Stamm versagt, er die Berechtigung dazu herleite ans der Erkenntnis, daß das fremde Element der Kultur- entwicklung des eignen, des maßgebende» Volkes hinderlich, schädlich sei. Ein solcher Grund zu nationaler Feindschaft wäre ausreichend. Ob unsre Kultur¬ ideale nun die absolut wahren, ob sie ewig giltig sind, das steht nicht in Frage; sie sind die unsrigen, und wir dürfen, müssen sie als schlechterdings wahr und dauernd ansehen, hochhalten, verteidigen gegen fremdartige Kultur¬ fvrmen und gegen Eingriffe niederer Kultur, roher Barbarei. Was unsern Idealen in Recht, Sitte, öffentlicher Moral, in den Grundlagen nationaler Arbeit und staatlichen Lebens widerspricht, das habe« wir die Pflicht von uns zu weisen. Hierin wurzelt der berechtigte Teil der Feindschaft, von der die Völker Europas gegen das Judentum erfüllt sind. Die Geldgier, die Erwerbs¬ fähigkeit des Juden, die an intellektueller Kraft größer ist als die der meisten enropäischen Völker und zugleich weit weniger gehemmt durch sittliche Schranken, giebt uns einiges Recht, unsre Sitten und Gewohnheiten, unsern Volkscharakter vor Verschlechterung zu schützen durch Abwehr der Indem In gleicher Lage wären nur gegenüber den Chinesen, wenn die chinesische Ein¬ wanderung etwa bei uns Platz griffe. Der Jude übertrifft uns an finanziellem Scharfsinn ebenso wie der Chinese an körperlicher Ausdauer und Genügsamkeit; der Chinese würde, be^i uns einwandernd und frei arbeitend, unsern Fabrik¬ arbeiter und Handwerker ebenso verdrängen, wie der Jude den Kaufmann, den Bankier, den Fabrikanten verdrängt; wir würden, bei strenger Gleichheit vor dem Gesetz, bald unsre obern Volksklassen von Juden, unsre niedern von Chinesen erfüllt und uns selbst ans dem eignen Hause gedrängt sehen. Unsre Volkssitten würden von den durchaus andern Sitten des Chinesen, die wir schlecht nennen, verändert, verschlechtert werden, der fremde Stoff in unserm Volks- und Staatskörper müßte Krankheit, Zersetzung herbeiführen. Dagegen dürfen wir uns schützen, indem wir die freie, gleiche Konkurrenz in der Arbeit aufheben, indem wir die Chinesen an der Einwanderung und an der Konkurrenz in der Arbeit gewaltsam hindern. Wir dürfen uns auch vor der jüdischen Einwanderung schützen. Die Vermengung von gar zu verschiednen Volkstypen scheint keine guten Früchte zu bringen. Trotz aller in Amerika seit dem Kriege von 18«A gemachten liberale» Anstrengungen ist ein Aufgehen der schwarzen Nasse in der weißen nicht eingetreten, vielmehr hat sich der Gegensatz so sehr geschärft, daß die Amerikaner, an einer Aufsaugung der Neger verzweifelnd und zugleich den Schaden, den dieser fremde Stamm dem Volke in den Ver¬ einigten Staaten zufügt, als sehr groß erkennend, ernstlich erwägen, ob sie die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/124>, abgerufen am 24.07.2024.