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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Zur Frage der Fleischeinfuhr

sonstig kranke oder krepirte Schweine in vielen Fällen zur Schmalzfabrikation
verwandt. Natürlich verenden viele Tiere bei den kolossalen, in die Tausende
und Abertausende gehenden Transporten sowohl unterwegs, wie alsbald nach
der Anlaufe, da viele entweder die Strapazen nicht nnshalten konnten oder
von irgend einer Krankheit befallen wurden. Doch ist selbstverständlich nicht
ausgeschlossen, daß in den Schweineschlächtereien ebenfalls bisweilen kranke Tiere
mit verarbeitet werden, da die betreffenden Revisionsbeamteu täglich an 40090
Stück und noch mehr zu besichtigen haben, wobei natürlich eine gewisse Ober¬
flächlichkeit unvermeidlich ist. Die Schmalzraffiuerien nehmen nnn, da sie
sich meistens mit den Schweineschlächtereien auf derselben Anlage befinden,
sowohl alle Neste, wie diejenigen Schweine, die zum Schlachten nicht geeignet
sind, in Verarbeitung. Und ebenso taufen die von den großen Städten etwas
abgelegenen Abdeckereien oft krepirte Schweine ans und verwandeln sie zu
Schmalz, wofür Sartorius zahlreiche Beweise beibringt. Auch Seeriug be¬
stätigt dies, und zwar mit der Ergänzung, daß er als Augenzeuge krepirte
Schweine in den paolcin^ KousvL "fertig zum Abkochen" habe liegen sehen.
Er bemerkt wörtlich: "Daß das von diesen Tieren gewonnene, recht gut nus-
seheude oder künstlich zu bleichende Fett als höre^s mit zur Herstellung von
röünöck Im'ä verwandt wird, ist mir nach dem Besuche eiuer großen Anzahl
solcher xaccking' I>on80s in den großen Städten des Westens zur Gewißheit
geworden."

Aber nicht genug damit, wird das Schmalz in Amerika auch noch so
verfälscht, daß man sich erst im Sommer vorigen Jahres in Amerika selbst
genötigt gesehen hat, ein Gesetz dagegen zu erlassen, was dort doch wirklich
etwas besagen will. Vaumwollensamenöl, Abschaum von Butter, Talg, weiße
Thonerde u. s. w. sind in der nötigen technischen Verarbeitung und gemischt
mit Unschlitt und verschiednen andern Fettkörpern, die durch Chlorwasser
gebleicht und geruchlos gemacht wurden, dem wirklichen Schmalz in solcher
Menge zugesetzt worden, daß es kaum uoch mit dem Worte Schmalz bezeichnet
werden konnte. Dem neuen Gesetz zufolge müssen in Zukunft die Schmalz-
häudler -- was in Amerika gewiß unerhört ist -- einen Erlaubnisschein zum
Betrieb ihres Geschäftes erwerben und stehen unter Kontrolle der Steuerbeamteu.

Endlich dürfte anch nicht uninteressant sein, daß ebenfalls im vorigen
Jahre auf Veranlassung Robert Kochs in dessen hygienischem Institut die
amerikanische Schwcineseuche bakteriologisch untersucht worden ist. Dabei ist
festgestellt worden, daß die Schweineseuche, an der zahllose Schweine krepiren
oder erkranken, ans Bakterien zurückzuführen ist, die die sogenannte log' olioloiÄ
oder 8>vo6 xlazzu" hervorrufen. Von der deutschen Schweinesenche ist diese
Krankheit verschieden.

Aus allen diesen Thatsachen geht unfehlbar hervor, daß mau mit der
Aufhebung des Verbotes doch sehr vorsichtig sein muß.


Zur Frage der Fleischeinfuhr

sonstig kranke oder krepirte Schweine in vielen Fällen zur Schmalzfabrikation
verwandt. Natürlich verenden viele Tiere bei den kolossalen, in die Tausende
und Abertausende gehenden Transporten sowohl unterwegs, wie alsbald nach
der Anlaufe, da viele entweder die Strapazen nicht nnshalten konnten oder
von irgend einer Krankheit befallen wurden. Doch ist selbstverständlich nicht
ausgeschlossen, daß in den Schweineschlächtereien ebenfalls bisweilen kranke Tiere
mit verarbeitet werden, da die betreffenden Revisionsbeamteu täglich an 40090
Stück und noch mehr zu besichtigen haben, wobei natürlich eine gewisse Ober¬
flächlichkeit unvermeidlich ist. Die Schmalzraffiuerien nehmen nnn, da sie
sich meistens mit den Schweineschlächtereien auf derselben Anlage befinden,
sowohl alle Neste, wie diejenigen Schweine, die zum Schlachten nicht geeignet
sind, in Verarbeitung. Und ebenso taufen die von den großen Städten etwas
abgelegenen Abdeckereien oft krepirte Schweine ans und verwandeln sie zu
Schmalz, wofür Sartorius zahlreiche Beweise beibringt. Auch Seeriug be¬
stätigt dies, und zwar mit der Ergänzung, daß er als Augenzeuge krepirte
Schweine in den paolcin^ KousvL „fertig zum Abkochen" habe liegen sehen.
Er bemerkt wörtlich: „Daß das von diesen Tieren gewonnene, recht gut nus-
seheude oder künstlich zu bleichende Fett als höre^s mit zur Herstellung von
röünöck Im'ä verwandt wird, ist mir nach dem Besuche eiuer großen Anzahl
solcher xaccking' I>on80s in den großen Städten des Westens zur Gewißheit
geworden."

Aber nicht genug damit, wird das Schmalz in Amerika auch noch so
verfälscht, daß man sich erst im Sommer vorigen Jahres in Amerika selbst
genötigt gesehen hat, ein Gesetz dagegen zu erlassen, was dort doch wirklich
etwas besagen will. Vaumwollensamenöl, Abschaum von Butter, Talg, weiße
Thonerde u. s. w. sind in der nötigen technischen Verarbeitung und gemischt
mit Unschlitt und verschiednen andern Fettkörpern, die durch Chlorwasser
gebleicht und geruchlos gemacht wurden, dem wirklichen Schmalz in solcher
Menge zugesetzt worden, daß es kaum uoch mit dem Worte Schmalz bezeichnet
werden konnte. Dem neuen Gesetz zufolge müssen in Zukunft die Schmalz-
häudler — was in Amerika gewiß unerhört ist — einen Erlaubnisschein zum
Betrieb ihres Geschäftes erwerben und stehen unter Kontrolle der Steuerbeamteu.

Endlich dürfte anch nicht uninteressant sein, daß ebenfalls im vorigen
Jahre auf Veranlassung Robert Kochs in dessen hygienischem Institut die
amerikanische Schwcineseuche bakteriologisch untersucht worden ist. Dabei ist
festgestellt worden, daß die Schweineseuche, an der zahllose Schweine krepiren
oder erkranken, ans Bakterien zurückzuführen ist, die die sogenannte log' olioloiÄ
oder 8>vo6 xlazzu« hervorrufen. Von der deutschen Schweinesenche ist diese
Krankheit verschieden.

Aus allen diesen Thatsachen geht unfehlbar hervor, daß mau mit der
Aufhebung des Verbotes doch sehr vorsichtig sein muß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/594>, abgerufen am 03.07.2024.