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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Zur Frage der Lleischeiiifuhr

33 Speckseiten 7 trichinöse gefunden, also über 21 Prozent. In Krefeld sind
unter 798 amerikanischen Speckseiten ebenfalls 25 Stück als trichinenhaltig
nachgewiesen worden, und in Düsseldorf sind im Jahre 1881 15 Erkrankungen
an Trichinose vorgekommen, die nachweislich auf den Genuß von amerikanischem
Schinken zurückzuführen waren und wovon drei einen tötlichen Verlauf nahmen.
Ratten und Kaninchen, die mit amerikanischem Schweinefleisch gefüttert worden
sind, sind ebenfalls in außerordentlich zahlreichen Fällen der Trichinose erlegen.

Im Vergleich mit diesen Angabe", die durch vollständig ähnliche Fest¬
stellungen in allen andern europäischen Staaten unterstützt werden, ist das
deutsche Schwein viel weniger der Trichinose ausgesetzt; man kann uach ge¬
wissen Durchschnittsziffern annehmen, daß unter 2000 geschlachteten Schweinen
nur etwa eines mit Trichinen behaftet ist, wobei allerdings merkwürdig
ist, daß einzelne Gegenden Deutschlands, gerade wie in Amerika, mehr ver¬
seucht erscheinen, als andre; in Kiel z. B. kommt schon auf 260 Schweine
ein trichinöses, in Braunschweig erst uns 5000. Nach den Angaben der
Schlesischen Versicherung gegen Trichiuengefahr sind im Jahre 1881/1882
unter 48000 Schweinen nur 139 Tiere als trichinös angemeldet worden.
Eine Hamburger Statistik hat ergeben, daß von 329283 eingeführten ameri¬
kanischen Schweinestücken 3279, von 219010 europäischen Stücken aber nur
7 Stück als trichinös befunden wurden. Hiernach sind also die in Hamburg
eingebrachten amerikanischen Fleischstücke 312mal gesundheitsgefährlicher gewesen,
als die europäischen.

Thatsächlich sind denn auch die amerikanischen Zeitungen voll von Mit¬
teilungen über Trichinenerkrankungen, und die für Deutschland drohende Gefahr
ist um so größer, als außerordentlich viel amerikanisches Schweinefleisch in
Deutschland als einheimisches Produkt in den Handel gebracht worden ist,
und zwar namentlich nach einer entsprechenden Zubereitung und Bearbeitung
als "westfälischer Schinken"(!). Die so geschaffene Gefahr wird aber dadurch
noch weiter vergrößert, daß das amerikanische Schweinefleisch sehr wenig
gesalzen und ebenso schwach geräuchert ist.

Im vierten Abschnitt seines Buches erörtert nun Sartorius die Frage,
ob die Einfuhr von amerikanischem Schweinefleisch zu verbieten oder nur zu
beaufsichtigen sei. Der Verfasser, der nach seinen eignen Angaben die großen
amerikanischen Schweineschlächtereien eingehend studirt hat, kommt zu dem
Ergebnis, daß, wenn aus wirtschaftlichen Gründen die Aufhebung des Ver¬
botes thatsächlich nötig werden sollte, eine strenge Kontrolle im Inlande, und
zwar am Wohnorte des Verkäufers, einzuführen sei. Von einer Kontrolle am
Produktionsorte selbst, d. h. in Amerika, verspricht er sich so gut wie gar
keinen Erfolg, erstens schon wegen der amerikanischen Verhältnisse im all¬
gemeinen, und sodann wegen der Massenhaftigkeit, mit der die Verwertung
der Schweine in den xa,<Muss lon808 stattfindet. Auch beim besten Willen


Zur Frage der Lleischeiiifuhr

33 Speckseiten 7 trichinöse gefunden, also über 21 Prozent. In Krefeld sind
unter 798 amerikanischen Speckseiten ebenfalls 25 Stück als trichinenhaltig
nachgewiesen worden, und in Düsseldorf sind im Jahre 1881 15 Erkrankungen
an Trichinose vorgekommen, die nachweislich auf den Genuß von amerikanischem
Schinken zurückzuführen waren und wovon drei einen tötlichen Verlauf nahmen.
Ratten und Kaninchen, die mit amerikanischem Schweinefleisch gefüttert worden
sind, sind ebenfalls in außerordentlich zahlreichen Fällen der Trichinose erlegen.

Im Vergleich mit diesen Angabe», die durch vollständig ähnliche Fest¬
stellungen in allen andern europäischen Staaten unterstützt werden, ist das
deutsche Schwein viel weniger der Trichinose ausgesetzt; man kann uach ge¬
wissen Durchschnittsziffern annehmen, daß unter 2000 geschlachteten Schweinen
nur etwa eines mit Trichinen behaftet ist, wobei allerdings merkwürdig
ist, daß einzelne Gegenden Deutschlands, gerade wie in Amerika, mehr ver¬
seucht erscheinen, als andre; in Kiel z. B. kommt schon auf 260 Schweine
ein trichinöses, in Braunschweig erst uns 5000. Nach den Angaben der
Schlesischen Versicherung gegen Trichiuengefahr sind im Jahre 1881/1882
unter 48000 Schweinen nur 139 Tiere als trichinös angemeldet worden.
Eine Hamburger Statistik hat ergeben, daß von 329283 eingeführten ameri¬
kanischen Schweinestücken 3279, von 219010 europäischen Stücken aber nur
7 Stück als trichinös befunden wurden. Hiernach sind also die in Hamburg
eingebrachten amerikanischen Fleischstücke 312mal gesundheitsgefährlicher gewesen,
als die europäischen.

Thatsächlich sind denn auch die amerikanischen Zeitungen voll von Mit¬
teilungen über Trichinenerkrankungen, und die für Deutschland drohende Gefahr
ist um so größer, als außerordentlich viel amerikanisches Schweinefleisch in
Deutschland als einheimisches Produkt in den Handel gebracht worden ist,
und zwar namentlich nach einer entsprechenden Zubereitung und Bearbeitung
als „westfälischer Schinken"(!). Die so geschaffene Gefahr wird aber dadurch
noch weiter vergrößert, daß das amerikanische Schweinefleisch sehr wenig
gesalzen und ebenso schwach geräuchert ist.

Im vierten Abschnitt seines Buches erörtert nun Sartorius die Frage,
ob die Einfuhr von amerikanischem Schweinefleisch zu verbieten oder nur zu
beaufsichtigen sei. Der Verfasser, der nach seinen eignen Angaben die großen
amerikanischen Schweineschlächtereien eingehend studirt hat, kommt zu dem
Ergebnis, daß, wenn aus wirtschaftlichen Gründen die Aufhebung des Ver¬
botes thatsächlich nötig werden sollte, eine strenge Kontrolle im Inlande, und
zwar am Wohnorte des Verkäufers, einzuführen sei. Von einer Kontrolle am
Produktionsorte selbst, d. h. in Amerika, verspricht er sich so gut wie gar
keinen Erfolg, erstens schon wegen der amerikanischen Verhältnisse im all¬
gemeinen, und sodann wegen der Massenhaftigkeit, mit der die Verwertung
der Schweine in den xa,<Muss lon808 stattfindet. Auch beim besten Willen


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[0592] Zur Frage der Lleischeiiifuhr 33 Speckseiten 7 trichinöse gefunden, also über 21 Prozent. In Krefeld sind unter 798 amerikanischen Speckseiten ebenfalls 25 Stück als trichinenhaltig nachgewiesen worden, und in Düsseldorf sind im Jahre 1881 15 Erkrankungen an Trichinose vorgekommen, die nachweislich auf den Genuß von amerikanischem Schinken zurückzuführen waren und wovon drei einen tötlichen Verlauf nahmen. Ratten und Kaninchen, die mit amerikanischem Schweinefleisch gefüttert worden sind, sind ebenfalls in außerordentlich zahlreichen Fällen der Trichinose erlegen. Im Vergleich mit diesen Angabe», die durch vollständig ähnliche Fest¬ stellungen in allen andern europäischen Staaten unterstützt werden, ist das deutsche Schwein viel weniger der Trichinose ausgesetzt; man kann uach ge¬ wissen Durchschnittsziffern annehmen, daß unter 2000 geschlachteten Schweinen nur etwa eines mit Trichinen behaftet ist, wobei allerdings merkwürdig ist, daß einzelne Gegenden Deutschlands, gerade wie in Amerika, mehr ver¬ seucht erscheinen, als andre; in Kiel z. B. kommt schon auf 260 Schweine ein trichinöses, in Braunschweig erst uns 5000. Nach den Angaben der Schlesischen Versicherung gegen Trichiuengefahr sind im Jahre 1881/1882 unter 48000 Schweinen nur 139 Tiere als trichinös angemeldet worden. Eine Hamburger Statistik hat ergeben, daß von 329283 eingeführten ameri¬ kanischen Schweinestücken 3279, von 219010 europäischen Stücken aber nur 7 Stück als trichinös befunden wurden. Hiernach sind also die in Hamburg eingebrachten amerikanischen Fleischstücke 312mal gesundheitsgefährlicher gewesen, als die europäischen. Thatsächlich sind denn auch die amerikanischen Zeitungen voll von Mit¬ teilungen über Trichinenerkrankungen, und die für Deutschland drohende Gefahr ist um so größer, als außerordentlich viel amerikanisches Schweinefleisch in Deutschland als einheimisches Produkt in den Handel gebracht worden ist, und zwar namentlich nach einer entsprechenden Zubereitung und Bearbeitung als „westfälischer Schinken"(!). Die so geschaffene Gefahr wird aber dadurch noch weiter vergrößert, daß das amerikanische Schweinefleisch sehr wenig gesalzen und ebenso schwach geräuchert ist. Im vierten Abschnitt seines Buches erörtert nun Sartorius die Frage, ob die Einfuhr von amerikanischem Schweinefleisch zu verbieten oder nur zu beaufsichtigen sei. Der Verfasser, der nach seinen eignen Angaben die großen amerikanischen Schweineschlächtereien eingehend studirt hat, kommt zu dem Ergebnis, daß, wenn aus wirtschaftlichen Gründen die Aufhebung des Ver¬ botes thatsächlich nötig werden sollte, eine strenge Kontrolle im Inlande, und zwar am Wohnorte des Verkäufers, einzuführen sei. Von einer Kontrolle am Produktionsorte selbst, d. h. in Amerika, verspricht er sich so gut wie gar keinen Erfolg, erstens schon wegen der amerikanischen Verhältnisse im all¬ gemeinen, und sodann wegen der Massenhaftigkeit, mit der die Verwertung der Schweine in den xa,<Muss lon808 stattfindet. Auch beim besten Willen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/592>, abgerufen am 23.07.2024.