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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

guter Quelle stammende Mitteilung, ein in russischem Solde stehendes Pariser
Blatt habe die Hetze gegen die Kaiserin-Mutter begönne". Denn mit solchen
Enthüllungen ist es ein eignes Ding. Werden sie bestritten, so ist mau gewöhnlich
uicht in der Lage, zu verrate", woher die Kenntnis der angedeuteten Beziehungen
stammt, geschweige denn, den Beweis anzutreten. Es ist noch nicht zu lauge her,
daß gegen ein deutsches Blatt eine ähnliche Anschuldigung erhoben wurde und der
Handel damit ausging, daß es sich in die Brust werfen und über die Verleumdung
seiner Tugend klagen durfte, wenn auch jeder Verständige überzeugt war, der
Nnuch sei uicht ohne Feuer entstanden.

Die Zusammenstellung der Preßstimmen bekommt sogar einen Auflug vou
Humor, wenn man sich erinnert, daß der Nmxt, das Brüsseler Organ der russischen
Regierung, es Passend fand, der nationalen Presse eine Belobigung zu erteilen,
weil sie zu dem Zcitungskriege zwischen Deutschland und Frankreich "beschwichtigend"
das Wort genommen habe. Er mochte dabei zunächst an das -Imiruul alö Le. ?stors-
doui'g' denken, das -- wir können uus vorstellen, wie aufrichtig! -- hoffte, der
durch den Pariser Skandal auf das Verhältnis zwischen beiden Mächten geworfene
"Schatten" werde durch die Weisheit beider Regierungen wieder verscheucht werden.
Wie aber "beschwichtigen" die andern russischen Blätter! Novoio Vi-van,, sah in
der Reise der Kaiserin den Versuch Deutschlands, die -- Verzeihung Frankreichs
zu erhalte". Der Versuch sei gescheitert, und nun sei der Dreibund vollends nichts
mehr als ein papierues Dokument. Den Verbündeten Deutschlands gehe die
Ahnung auf, daß dies selbst in dem Bündnisse nur ein Hindernis erblicke, andre
Bahnen einzuschlagen. Dies Räsonnement konnte man versucht sein mit Wallen¬
stein herzlich dumm zu nennen, wenn es nicht so verwünscht gescheit wäre, aber
als neues Bekenntnis einer besonders schönen Seele bleibt es immer schätzbar.
Der <Ä"iKuälurin bemüht sich gar, die Franzosen noch zu reizen, wie sein Kollege
die Österreicher und Italiener mißtrauisch mache" möchte. Daß die Negierung
wenigstens Vorsorge getroffen hatte, um die Kaiserin Viktoria gegen thätliche Be¬
leidigungen zu schütze", ist in seinen Augen eine Demütigung, und er höhnt, es
habe nur noch gefehlt, daß den Deutschen zuliebe die Preß- und Redefreiheit in
der Republik unterdrückt worden wäre. Für den L^vjst vollends ist der Narr
Deroulöde eine Lichtgestalt, und die russische Moskaner Zeitung sagt den Franzose"
in dem unvermeidlichen Kriege die Hilfe Rußlands zu. Wenn das alles schon
in diesem, kalten Frühjahre möglich war, welche Beschlvichtigungsversuche werdeu
-- mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung -- erst die Hundstage bringen!







Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow i" Leipzig -- Druck von Carl Mcirqnart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

guter Quelle stammende Mitteilung, ein in russischem Solde stehendes Pariser
Blatt habe die Hetze gegen die Kaiserin-Mutter begönne«. Denn mit solchen
Enthüllungen ist es ein eignes Ding. Werden sie bestritten, so ist mau gewöhnlich
uicht in der Lage, zu verrate«, woher die Kenntnis der angedeuteten Beziehungen
stammt, geschweige denn, den Beweis anzutreten. Es ist noch nicht zu lauge her,
daß gegen ein deutsches Blatt eine ähnliche Anschuldigung erhoben wurde und der
Handel damit ausging, daß es sich in die Brust werfen und über die Verleumdung
seiner Tugend klagen durfte, wenn auch jeder Verständige überzeugt war, der
Nnuch sei uicht ohne Feuer entstanden.

Die Zusammenstellung der Preßstimmen bekommt sogar einen Auflug vou
Humor, wenn man sich erinnert, daß der Nmxt, das Brüsseler Organ der russischen
Regierung, es Passend fand, der nationalen Presse eine Belobigung zu erteilen,
weil sie zu dem Zcitungskriege zwischen Deutschland und Frankreich „beschwichtigend"
das Wort genommen habe. Er mochte dabei zunächst an das -Imiruul alö Le. ?stors-
doui'g' denken, das — wir können uus vorstellen, wie aufrichtig! — hoffte, der
durch den Pariser Skandal auf das Verhältnis zwischen beiden Mächten geworfene
„Schatten" werde durch die Weisheit beider Regierungen wieder verscheucht werden.
Wie aber „beschwichtigen" die andern russischen Blätter! Novoio Vi-van,, sah in
der Reise der Kaiserin den Versuch Deutschlands, die — Verzeihung Frankreichs
zu erhalte«. Der Versuch sei gescheitert, und nun sei der Dreibund vollends nichts
mehr als ein papierues Dokument. Den Verbündeten Deutschlands gehe die
Ahnung auf, daß dies selbst in dem Bündnisse nur ein Hindernis erblicke, andre
Bahnen einzuschlagen. Dies Räsonnement konnte man versucht sein mit Wallen¬
stein herzlich dumm zu nennen, wenn es nicht so verwünscht gescheit wäre, aber
als neues Bekenntnis einer besonders schönen Seele bleibt es immer schätzbar.
Der <Ä"iKuälurin bemüht sich gar, die Franzosen noch zu reizen, wie sein Kollege
die Österreicher und Italiener mißtrauisch mache» möchte. Daß die Negierung
wenigstens Vorsorge getroffen hatte, um die Kaiserin Viktoria gegen thätliche Be¬
leidigungen zu schütze», ist in seinen Augen eine Demütigung, und er höhnt, es
habe nur noch gefehlt, daß den Deutschen zuliebe die Preß- und Redefreiheit in
der Republik unterdrückt worden wäre. Für den L^vjst vollends ist der Narr
Deroulöde eine Lichtgestalt, und die russische Moskaner Zeitung sagt den Franzose»
in dem unvermeidlichen Kriege die Hilfe Rußlands zu. Wenn das alles schon
in diesem, kalten Frühjahre möglich war, welche Beschlvichtigungsversuche werdeu
— mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung — erst die Hundstage bringen!







Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow i» Leipzig — Druck von Carl Mcirqnart in Leipzig
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[0584] Maßgebliches und Unmaßgebliches guter Quelle stammende Mitteilung, ein in russischem Solde stehendes Pariser Blatt habe die Hetze gegen die Kaiserin-Mutter begönne«. Denn mit solchen Enthüllungen ist es ein eignes Ding. Werden sie bestritten, so ist mau gewöhnlich uicht in der Lage, zu verrate«, woher die Kenntnis der angedeuteten Beziehungen stammt, geschweige denn, den Beweis anzutreten. Es ist noch nicht zu lauge her, daß gegen ein deutsches Blatt eine ähnliche Anschuldigung erhoben wurde und der Handel damit ausging, daß es sich in die Brust werfen und über die Verleumdung seiner Tugend klagen durfte, wenn auch jeder Verständige überzeugt war, der Nnuch sei uicht ohne Feuer entstanden. Die Zusammenstellung der Preßstimmen bekommt sogar einen Auflug vou Humor, wenn man sich erinnert, daß der Nmxt, das Brüsseler Organ der russischen Regierung, es Passend fand, der nationalen Presse eine Belobigung zu erteilen, weil sie zu dem Zcitungskriege zwischen Deutschland und Frankreich „beschwichtigend" das Wort genommen habe. Er mochte dabei zunächst an das -Imiruul alö Le. ?stors- doui'g' denken, das — wir können uus vorstellen, wie aufrichtig! — hoffte, der durch den Pariser Skandal auf das Verhältnis zwischen beiden Mächten geworfene „Schatten" werde durch die Weisheit beider Regierungen wieder verscheucht werden. Wie aber „beschwichtigen" die andern russischen Blätter! Novoio Vi-van,, sah in der Reise der Kaiserin den Versuch Deutschlands, die — Verzeihung Frankreichs zu erhalte«. Der Versuch sei gescheitert, und nun sei der Dreibund vollends nichts mehr als ein papierues Dokument. Den Verbündeten Deutschlands gehe die Ahnung auf, daß dies selbst in dem Bündnisse nur ein Hindernis erblicke, andre Bahnen einzuschlagen. Dies Räsonnement konnte man versucht sein mit Wallen¬ stein herzlich dumm zu nennen, wenn es nicht so verwünscht gescheit wäre, aber als neues Bekenntnis einer besonders schönen Seele bleibt es immer schätzbar. Der <Ä"iKuälurin bemüht sich gar, die Franzosen noch zu reizen, wie sein Kollege die Österreicher und Italiener mißtrauisch mache» möchte. Daß die Negierung wenigstens Vorsorge getroffen hatte, um die Kaiserin Viktoria gegen thätliche Be¬ leidigungen zu schütze», ist in seinen Augen eine Demütigung, und er höhnt, es habe nur noch gefehlt, daß den Deutschen zuliebe die Preß- und Redefreiheit in der Republik unterdrückt worden wäre. Für den L^vjst vollends ist der Narr Deroulöde eine Lichtgestalt, und die russische Moskaner Zeitung sagt den Franzose» in dem unvermeidlichen Kriege die Hilfe Rußlands zu. Wenn das alles schon in diesem, kalten Frühjahre möglich war, welche Beschlvichtigungsversuche werdeu — mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung — erst die Hundstage bringen! Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow i» Leipzig — Druck von Carl Mcirqnart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/584>, abgerufen am 03.07.2024.