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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand Spnichdttinmheiien

gespenster gar nicht in der Grammatik stehen, es sollte einfach gelehrt werden:
Ooiij. Muz".: ich trüge, du tragest, er trage, wir trügen, ihr trüget,
sie trügen. Dieser Gebrauch steht so fest, daß er sogar denn gilt, wenn das
regierende Verbum ein Präsens ist, also -- gegen die eonssoutio tsirixormn.
Man schlage Messing auf, und man wird die Regel überall aufs genaueste
beobachtet finden. Nicht selten springt er scheinbar regellos zwischen dein
Konjunktiv des Präsens und dem des Imperfekts hin und her; sieht man aber
näher zu, so sieht man, daß das Imperfekt nur dazu dient, den Konjunktiv
erkennbar zu machen -- ganz wie in der lebendigen Sprache. Nun vergleiche
man einmal damit die klägliche Hilflosigkeit unsrer heutigen Papiersprache! Dn
wird geschrieben (ich will das Nichtige immer gleich in Klammern dnnebensetzen):
es ist eine Lüge, wenn man behauptet, daß wir die Juden nnr angreifen
(angriffen!), weil sie Juden sind - wie oft wird geklagt, die Diener des
Staates und der Kirche bringen (brächten!) von der Universität nicht die
genügende Vorbildung für ihren Beruf mit - wir hören fortwährend die
Klage, daß unsre Dichter keine so volkstümlich ansprechenden Dinge an den
Tag bringen (brächten!) wie die französischen -- von dem Gedanken, daß
in Lothringen ähnliche Verhältnisse vorliegen (vorlagen!) wie in Posen,
muß ganz abgesehen werden -- es giebt noch heute gutgesinnte Leute, die
ganz ernstlich der Meinung sind, daß die Nativnnlliberalen, indem sie sich von
der Fortschrittspartei trennte", 1"66 das deutsche Reich haben (hätten!)
begründen helfen -- Falb sucht nachzuweisen, daß dadurch atmosphärische
Hochfluten, die Sturm, Gewitter und Niederschlüge zur Folge haben (hätten!),
bewirkt werden (würden!) -- es wird mir vorgeworfen, daß ich die ur¬
sprüngliche Reihenfolge ohnehin reichenden Grund verlassen habe (hätte!!!) --
H. Grimm geht von der Voraussetzung aus, daß ich deu Unterricht in der
neuern Kunstgeschichte an der Berliner Universität bekrittelt habe (hätte!!!) --
der Verfasser ist der Meinung, das Verbrechen müsse als gesellschaftliche Er¬
scheinung betrachtet und bekämpft werden, zu seiner Ergründung müssen
(müßten!) die reichen Ergebnisse der Gesellschaftswissenschaft berücksichtigt
werden -- in dem Gutachten wird darauf hiu gewiesen, daß die Erhebungen
sehr wenig brauchbare Anhaltepunkte bieten (boten!) u. s. w. Ja selbst nach
einem Tempns der Vergangenheit wird geschrieben: es geschah dies auf das
Drängen einheimischer Wähler, die vorstellten, daß Protestprogramme in
den Dörfern nicht mehr ziehen (zögen!) -- durch die Städte und Dörfer
eilte die Schreckenskunde, daß Häuser französischer Freischärler den Rhein
überschritten haben (hätten!) und sich sengend und brennend über das Land
ergießen (ergossen!) -- ich hatte ihr bei der letzten Besprechung gesagt,
ich begreife (begriffe!) sehr wohl, daß unser Verhältnis nicht wieder an¬
geknüpft werden könne u. f. w. Die Verfasser aller dieser Sätze haben ohne
Zweifel die redliche Absicht gehabt, einen Konjunktiv hinzuschreiben. Aber sie


Allerhand Spnichdttinmheiien

gespenster gar nicht in der Grammatik stehen, es sollte einfach gelehrt werden:
Ooiij. Muz«.: ich trüge, du tragest, er trage, wir trügen, ihr trüget,
sie trügen. Dieser Gebrauch steht so fest, daß er sogar denn gilt, wenn das
regierende Verbum ein Präsens ist, also — gegen die eonssoutio tsirixormn.
Man schlage Messing auf, und man wird die Regel überall aufs genaueste
beobachtet finden. Nicht selten springt er scheinbar regellos zwischen dein
Konjunktiv des Präsens und dem des Imperfekts hin und her; sieht man aber
näher zu, so sieht man, daß das Imperfekt nur dazu dient, den Konjunktiv
erkennbar zu machen — ganz wie in der lebendigen Sprache. Nun vergleiche
man einmal damit die klägliche Hilflosigkeit unsrer heutigen Papiersprache! Dn
wird geschrieben (ich will das Nichtige immer gleich in Klammern dnnebensetzen):
es ist eine Lüge, wenn man behauptet, daß wir die Juden nnr angreifen
(angriffen!), weil sie Juden sind - wie oft wird geklagt, die Diener des
Staates und der Kirche bringen (brächten!) von der Universität nicht die
genügende Vorbildung für ihren Beruf mit - wir hören fortwährend die
Klage, daß unsre Dichter keine so volkstümlich ansprechenden Dinge an den
Tag bringen (brächten!) wie die französischen — von dem Gedanken, daß
in Lothringen ähnliche Verhältnisse vorliegen (vorlagen!) wie in Posen,
muß ganz abgesehen werden — es giebt noch heute gutgesinnte Leute, die
ganz ernstlich der Meinung sind, daß die Nativnnlliberalen, indem sie sich von
der Fortschrittspartei trennte», 1»66 das deutsche Reich haben (hätten!)
begründen helfen — Falb sucht nachzuweisen, daß dadurch atmosphärische
Hochfluten, die Sturm, Gewitter und Niederschlüge zur Folge haben (hätten!),
bewirkt werden (würden!) — es wird mir vorgeworfen, daß ich die ur¬
sprüngliche Reihenfolge ohnehin reichenden Grund verlassen habe (hätte!!!) —
H. Grimm geht von der Voraussetzung aus, daß ich deu Unterricht in der
neuern Kunstgeschichte an der Berliner Universität bekrittelt habe (hätte!!!) —
der Verfasser ist der Meinung, das Verbrechen müsse als gesellschaftliche Er¬
scheinung betrachtet und bekämpft werden, zu seiner Ergründung müssen
(müßten!) die reichen Ergebnisse der Gesellschaftswissenschaft berücksichtigt
werden — in dem Gutachten wird darauf hiu gewiesen, daß die Erhebungen
sehr wenig brauchbare Anhaltepunkte bieten (boten!) u. s. w. Ja selbst nach
einem Tempns der Vergangenheit wird geschrieben: es geschah dies auf das
Drängen einheimischer Wähler, die vorstellten, daß Protestprogramme in
den Dörfern nicht mehr ziehen (zögen!) — durch die Städte und Dörfer
eilte die Schreckenskunde, daß Häuser französischer Freischärler den Rhein
überschritten haben (hätten!) und sich sengend und brennend über das Land
ergießen (ergossen!) — ich hatte ihr bei der letzten Besprechung gesagt,
ich begreife (begriffe!) sehr wohl, daß unser Verhältnis nicht wieder an¬
geknüpft werden könne u. f. w. Die Verfasser aller dieser Sätze haben ohne
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[0574] Allerhand Spnichdttinmheiien gespenster gar nicht in der Grammatik stehen, es sollte einfach gelehrt werden: Ooiij. Muz«.: ich trüge, du tragest, er trage, wir trügen, ihr trüget, sie trügen. Dieser Gebrauch steht so fest, daß er sogar denn gilt, wenn das regierende Verbum ein Präsens ist, also — gegen die eonssoutio tsirixormn. Man schlage Messing auf, und man wird die Regel überall aufs genaueste beobachtet finden. Nicht selten springt er scheinbar regellos zwischen dein Konjunktiv des Präsens und dem des Imperfekts hin und her; sieht man aber näher zu, so sieht man, daß das Imperfekt nur dazu dient, den Konjunktiv erkennbar zu machen — ganz wie in der lebendigen Sprache. Nun vergleiche man einmal damit die klägliche Hilflosigkeit unsrer heutigen Papiersprache! Dn wird geschrieben (ich will das Nichtige immer gleich in Klammern dnnebensetzen): es ist eine Lüge, wenn man behauptet, daß wir die Juden nnr angreifen (angriffen!), weil sie Juden sind - wie oft wird geklagt, die Diener des Staates und der Kirche bringen (brächten!) von der Universität nicht die genügende Vorbildung für ihren Beruf mit - wir hören fortwährend die Klage, daß unsre Dichter keine so volkstümlich ansprechenden Dinge an den Tag bringen (brächten!) wie die französischen — von dem Gedanken, daß in Lothringen ähnliche Verhältnisse vorliegen (vorlagen!) wie in Posen, muß ganz abgesehen werden — es giebt noch heute gutgesinnte Leute, die ganz ernstlich der Meinung sind, daß die Nativnnlliberalen, indem sie sich von der Fortschrittspartei trennte», 1»66 das deutsche Reich haben (hätten!) begründen helfen — Falb sucht nachzuweisen, daß dadurch atmosphärische Hochfluten, die Sturm, Gewitter und Niederschlüge zur Folge haben (hätten!), bewirkt werden (würden!) — es wird mir vorgeworfen, daß ich die ur¬ sprüngliche Reihenfolge ohnehin reichenden Grund verlassen habe (hätte!!!) — H. Grimm geht von der Voraussetzung aus, daß ich deu Unterricht in der neuern Kunstgeschichte an der Berliner Universität bekrittelt habe (hätte!!!) — der Verfasser ist der Meinung, das Verbrechen müsse als gesellschaftliche Er¬ scheinung betrachtet und bekämpft werden, zu seiner Ergründung müssen (müßten!) die reichen Ergebnisse der Gesellschaftswissenschaft berücksichtigt werden — in dem Gutachten wird darauf hiu gewiesen, daß die Erhebungen sehr wenig brauchbare Anhaltepunkte bieten (boten!) u. s. w. Ja selbst nach einem Tempns der Vergangenheit wird geschrieben: es geschah dies auf das Drängen einheimischer Wähler, die vorstellten, daß Protestprogramme in den Dörfern nicht mehr ziehen (zögen!) — durch die Städte und Dörfer eilte die Schreckenskunde, daß Häuser französischer Freischärler den Rhein überschritten haben (hätten!) und sich sengend und brennend über das Land ergießen (ergossen!) — ich hatte ihr bei der letzten Besprechung gesagt, ich begreife (begriffe!) sehr wohl, daß unser Verhältnis nicht wieder an¬ geknüpft werden könne u. f. w. Die Verfasser aller dieser Sätze haben ohne Zweifel die redliche Absicht gehabt, einen Konjunktiv hinzuschreiben. Aber sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/574>, abgerufen am 23.07.2024.