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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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König, Nation, Minister mit wilden Schmähungen und Drohungen zu über¬
häufen. Er war empfindlich und verstand keinen Scherz; devot dabei nicht
bloß, fondern stark melancholisch und abergläubisch. Er sprach von der Welt
und ihrer Größe wie ein Kapuziner und hatte in seinem Zimmer eine Bahre,
in die er zuweilen hineinstieg unter den Klänge" eines of xrotmMs. Er
beneide, rief er, das Los des niedrigste" Palastkehrers. Man glaubte i"
seinem Wesen die geistlichen Anfänge (er war ursprünglich für den geistlichen
Stand bestimmt gewesen und hatte daraufhin seine Studien in Salamanca
gemacht) durchscheinen zu sehen: es ist etwas Pfäfsisches in dem. Hange zu
indirekten Mitteln und zur Kabale, in der glühenden Herrschsucht und Nach¬
sucht, in seinen weitschweifigen Abkanzlungen. Vor Blutvergießen zeigte er
Scheu. Am Ende hätte er doch Glück gehabt, wenn seine Politik von der
Unterströmung der Zeit getragen gewesen wäre. Aber sie fiel in die schon
eingetretene und unaufhaltsame Nückbewegung Spaniens von seiner vorüber¬
gehenden Weltmachtstellung zu den natürlichen Grenzen, die es im Mittel¬
alter besessen."

Obwohl zweiundzwanzig Jahre seit Velazquez Eintritt in den Dienst des
königlichen Palastes bis zum Sturze des Herzogs verflossen, hat sich in
Spanien nur ein einziges Bildnis des Conde Duque von Velazguez Hand
erhalte", vermutlich weil die, die im Besitze solcher Bildnisse waren, sich nach
dem Falle des verhaßten Mainies beeilten, sein Andenke" auch im Bilde aus¬
zulöschen. Dafür giebt es im Auslande einige Originalbildnisse des Herzogs
von Belazquez, selbst eine große Zahl von Ntelierbilderu und Kopien, und
überdies sind noch Kupferstiche vorhanden, die auf Originale des Meisters
zurückgehen. Wenn mau die Nachrichten der Zeitgenossen über Olivarez äußere
Erscheinung mit seinen unzweifelhaft echten Bildnissen von Velazqucz vergleicht,
so wird man dem Maler nicht den Vorwurf ersparen können, daß er von
der Wahrheitsliebe, die mau sonst am höchsten unter seineu Vorzügen preist,
zu Gunsten seines hohen Gönners abgewichen ist. Der Herzog von Olivarez
hatte krumme Schultern, was "die Toilettenkünste des Malers verschleiert
haben," und sein Wuchs war durchaus nicht so stattlich, wie er auf den
Bildnissen erscheint.

Aber bei den Bildnissen des Herzogs hatte Belazqnez immerhin noch eine
dankbare Aufgabe zu löse", weil er einen Menschen von geistiger Beweglichkeit,
voll Temperament und Ungestüm vor sich hatte. In einer weit schwierigern
Lage befand er sich dem Könige gegenüber. "Eigenes Los, der Apelles dieses
thatenloser Achill zu sein! -- ruft Justi aus. siebenunddreißig Jahre
lang dasselbe Bild zu malen! Denn das Angesicht Philipps hat in diesen
siebenunddreißig Jahren eine wundersame, erschreckende Gleichförmigkeit. In
der schwarzseidenen Hvftracht, im Jagdhabit, in triegsmäßig komplizirten
Kampagneanzng, im weißen Atlasstnat, in goldtanschirter Stahlrüstung, in


König, Nation, Minister mit wilden Schmähungen und Drohungen zu über¬
häufen. Er war empfindlich und verstand keinen Scherz; devot dabei nicht
bloß, fondern stark melancholisch und abergläubisch. Er sprach von der Welt
und ihrer Größe wie ein Kapuziner und hatte in seinem Zimmer eine Bahre,
in die er zuweilen hineinstieg unter den Klänge» eines of xrotmMs. Er
beneide, rief er, das Los des niedrigste» Palastkehrers. Man glaubte i»
seinem Wesen die geistlichen Anfänge (er war ursprünglich für den geistlichen
Stand bestimmt gewesen und hatte daraufhin seine Studien in Salamanca
gemacht) durchscheinen zu sehen: es ist etwas Pfäfsisches in dem. Hange zu
indirekten Mitteln und zur Kabale, in der glühenden Herrschsucht und Nach¬
sucht, in seinen weitschweifigen Abkanzlungen. Vor Blutvergießen zeigte er
Scheu. Am Ende hätte er doch Glück gehabt, wenn seine Politik von der
Unterströmung der Zeit getragen gewesen wäre. Aber sie fiel in die schon
eingetretene und unaufhaltsame Nückbewegung Spaniens von seiner vorüber¬
gehenden Weltmachtstellung zu den natürlichen Grenzen, die es im Mittel¬
alter besessen."

Obwohl zweiundzwanzig Jahre seit Velazquez Eintritt in den Dienst des
königlichen Palastes bis zum Sturze des Herzogs verflossen, hat sich in
Spanien nur ein einziges Bildnis des Conde Duque von Velazguez Hand
erhalte», vermutlich weil die, die im Besitze solcher Bildnisse waren, sich nach
dem Falle des verhaßten Mainies beeilten, sein Andenke» auch im Bilde aus¬
zulöschen. Dafür giebt es im Auslande einige Originalbildnisse des Herzogs
von Belazquez, selbst eine große Zahl von Ntelierbilderu und Kopien, und
überdies sind noch Kupferstiche vorhanden, die auf Originale des Meisters
zurückgehen. Wenn mau die Nachrichten der Zeitgenossen über Olivarez äußere
Erscheinung mit seinen unzweifelhaft echten Bildnissen von Velazqucz vergleicht,
so wird man dem Maler nicht den Vorwurf ersparen können, daß er von
der Wahrheitsliebe, die mau sonst am höchsten unter seineu Vorzügen preist,
zu Gunsten seines hohen Gönners abgewichen ist. Der Herzog von Olivarez
hatte krumme Schultern, was „die Toilettenkünste des Malers verschleiert
haben," und sein Wuchs war durchaus nicht so stattlich, wie er auf den
Bildnissen erscheint.

Aber bei den Bildnissen des Herzogs hatte Belazqnez immerhin noch eine
dankbare Aufgabe zu löse«, weil er einen Menschen von geistiger Beweglichkeit,
voll Temperament und Ungestüm vor sich hatte. In einer weit schwierigern
Lage befand er sich dem Könige gegenüber. „Eigenes Los, der Apelles dieses
thatenloser Achill zu sein! — ruft Justi aus. siebenunddreißig Jahre
lang dasselbe Bild zu malen! Denn das Angesicht Philipps hat in diesen
siebenunddreißig Jahren eine wundersame, erschreckende Gleichförmigkeit. In
der schwarzseidenen Hvftracht, im Jagdhabit, in triegsmäßig komplizirten
Kampagneanzng, im weißen Atlasstnat, in goldtanschirter Stahlrüstung, in


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[0378] König, Nation, Minister mit wilden Schmähungen und Drohungen zu über¬ häufen. Er war empfindlich und verstand keinen Scherz; devot dabei nicht bloß, fondern stark melancholisch und abergläubisch. Er sprach von der Welt und ihrer Größe wie ein Kapuziner und hatte in seinem Zimmer eine Bahre, in die er zuweilen hineinstieg unter den Klänge» eines of xrotmMs. Er beneide, rief er, das Los des niedrigste» Palastkehrers. Man glaubte i» seinem Wesen die geistlichen Anfänge (er war ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt gewesen und hatte daraufhin seine Studien in Salamanca gemacht) durchscheinen zu sehen: es ist etwas Pfäfsisches in dem. Hange zu indirekten Mitteln und zur Kabale, in der glühenden Herrschsucht und Nach¬ sucht, in seinen weitschweifigen Abkanzlungen. Vor Blutvergießen zeigte er Scheu. Am Ende hätte er doch Glück gehabt, wenn seine Politik von der Unterströmung der Zeit getragen gewesen wäre. Aber sie fiel in die schon eingetretene und unaufhaltsame Nückbewegung Spaniens von seiner vorüber¬ gehenden Weltmachtstellung zu den natürlichen Grenzen, die es im Mittel¬ alter besessen." Obwohl zweiundzwanzig Jahre seit Velazquez Eintritt in den Dienst des königlichen Palastes bis zum Sturze des Herzogs verflossen, hat sich in Spanien nur ein einziges Bildnis des Conde Duque von Velazguez Hand erhalte», vermutlich weil die, die im Besitze solcher Bildnisse waren, sich nach dem Falle des verhaßten Mainies beeilten, sein Andenke» auch im Bilde aus¬ zulöschen. Dafür giebt es im Auslande einige Originalbildnisse des Herzogs von Belazquez, selbst eine große Zahl von Ntelierbilderu und Kopien, und überdies sind noch Kupferstiche vorhanden, die auf Originale des Meisters zurückgehen. Wenn mau die Nachrichten der Zeitgenossen über Olivarez äußere Erscheinung mit seinen unzweifelhaft echten Bildnissen von Velazqucz vergleicht, so wird man dem Maler nicht den Vorwurf ersparen können, daß er von der Wahrheitsliebe, die mau sonst am höchsten unter seineu Vorzügen preist, zu Gunsten seines hohen Gönners abgewichen ist. Der Herzog von Olivarez hatte krumme Schultern, was „die Toilettenkünste des Malers verschleiert haben," und sein Wuchs war durchaus nicht so stattlich, wie er auf den Bildnissen erscheint. Aber bei den Bildnissen des Herzogs hatte Belazqnez immerhin noch eine dankbare Aufgabe zu löse«, weil er einen Menschen von geistiger Beweglichkeit, voll Temperament und Ungestüm vor sich hatte. In einer weit schwierigern Lage befand er sich dem Könige gegenüber. „Eigenes Los, der Apelles dieses thatenloser Achill zu sein! — ruft Justi aus. siebenunddreißig Jahre lang dasselbe Bild zu malen! Denn das Angesicht Philipps hat in diesen siebenunddreißig Jahren eine wundersame, erschreckende Gleichförmigkeit. In der schwarzseidenen Hvftracht, im Jagdhabit, in triegsmäßig komplizirten Kampagneanzng, im weißen Atlasstnat, in goldtanschirter Stahlrüstung, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/378>, abgerufen am 23.07.2024.