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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Ein topographischer Atlas von Leipzig

Calvinisteubildern hat niemand bisher nachweisen können, woher sie stammten;
auch die bedeutendsten Antiquare, durch deren Hände unzählige Bücher mit
Städteansichten gegangen waren, konnten mir keine Auskunft darüber geben.
Nur durch eiuen Zufall gelang die Entdeckung. Herr Hofrat Förstemann, dem
ich die Blätter zeigte und dabei klagte, daß alle Nachforschungen über ihre
Herkunft bisher vergeblich gewesen seien, machte mich darauf aufmerksam, daß
sich unter den Handschriften der Leipziger Universitätsbibliothek eine kleine
I.itterxckurö. Ilipsisnsis aus alter Zeit befinde, ein Verzeichnis von Büchern
und Bildern zur Geschichte Leipzigs; vielleicht könne dieses auf die Spur
helfen. Es wurde nachgesehen, und wirklich: das Buch, woraus die Bilder
stammen sollten, stand in dem Verzeichnis. Nun galt es aber, das Buch selbst zu
schaffen. In Leipzig war es auf keiner Bibliothek zu finden. Zum Glück
konnte die königliche Bibliothek in Dresden helfen, und so ließ sich denn endlich
alles aufs beste feststellen. Sehr leid sollte es mir freilich thun, wenn ich
durch den glücklichen Nachweis deu Anlaß dazu gegeben bilden sollte, daß auch
dieses Buch in Zukunft dem Schicksale versiele, ausgeschlachtet zu werde"/')

Selbstanzeigeu neuer Bücher sind im allgemeinen nicht üblich, d. h. ein-
gestaudue; uueingestandne werden ja massenhaft geschrieben, ohne daß das
Publikum eine Ahnung davou hat. Daß ich diesen topographischen Atlas von
Leipzig hier selbst anzeige, ein Buch, das in erster Linie ortsgeschichtliches
Interesse hat, vor dem wettern Leserkreise dieser Blätter, wolle mau mit den
eigentümlichen Umständen entschuldigen, unter denen es entstanden und in den
Handel gebracht worden ist. Daß ein solches Buch einen Verleger fände,
daran ist ja nicht zu denken, es kann immer nur mit Unterstützung hergestellt
werden. Ich wandte mich denn auch, als ich zuerst den Plan dazu faßte, an
die städtischen Behörden Leipzigs mit der Bitte, die Mittel dazu zu bewilligen.
Beim Rate fand ich auch die größte Bereitwilligkeit. Leider scheiterte die Sache
zweimal an dem Widerspruche der Stadtverordneten, und zwar in¬
folge eines Gutachtens, das ein Leipziger Universitätsprofessor, der da¬
mals im Stadverordnetenkollcgium saß, über mein Vorhaben abgab. Wie
es gelautet haben mag, konnte ich ungefähr daraus entnehme", daß er die
Freundlichkeit hatte, nur selbst gegenüber eines Tages zu erklären: ,,Das wird
weiter nichts als ein Bilderbuch, dazu bewillige ich nicht eiuen Pfennig!" Ich
wandte mich darauf an die ,,Stiftung für die Stadt Leipzig," und diese hatte
die Güte, die Mittel zur Herstellung des Buches zu bewilligen.

Ich denke, daß jetzt, wo es fertig vorliegt, die Stadt Leipzig sich dieses
"Bilderbuch" schon gefallen lassen kann. Mein Wunsch war es aber nun, daß der



^) Sollte ein Exemplar davon irgendwo auftauchen, so bitte ich dringend darum, eS mir
als Ganzes anzubieten. Sein Titel ist: ^novem I'r-um Roi-rein Historie (Zuincjnennalis.
Frankfurt a. M., 1595.
Ein topographischer Atlas von Leipzig

Calvinisteubildern hat niemand bisher nachweisen können, woher sie stammten;
auch die bedeutendsten Antiquare, durch deren Hände unzählige Bücher mit
Städteansichten gegangen waren, konnten mir keine Auskunft darüber geben.
Nur durch eiuen Zufall gelang die Entdeckung. Herr Hofrat Förstemann, dem
ich die Blätter zeigte und dabei klagte, daß alle Nachforschungen über ihre
Herkunft bisher vergeblich gewesen seien, machte mich darauf aufmerksam, daß
sich unter den Handschriften der Leipziger Universitätsbibliothek eine kleine
I.itterxckurö. Ilipsisnsis aus alter Zeit befinde, ein Verzeichnis von Büchern
und Bildern zur Geschichte Leipzigs; vielleicht könne dieses auf die Spur
helfen. Es wurde nachgesehen, und wirklich: das Buch, woraus die Bilder
stammen sollten, stand in dem Verzeichnis. Nun galt es aber, das Buch selbst zu
schaffen. In Leipzig war es auf keiner Bibliothek zu finden. Zum Glück
konnte die königliche Bibliothek in Dresden helfen, und so ließ sich denn endlich
alles aufs beste feststellen. Sehr leid sollte es mir freilich thun, wenn ich
durch den glücklichen Nachweis deu Anlaß dazu gegeben bilden sollte, daß auch
dieses Buch in Zukunft dem Schicksale versiele, ausgeschlachtet zu werde»/')

Selbstanzeigeu neuer Bücher sind im allgemeinen nicht üblich, d. h. ein-
gestaudue; uueingestandne werden ja massenhaft geschrieben, ohne daß das
Publikum eine Ahnung davou hat. Daß ich diesen topographischen Atlas von
Leipzig hier selbst anzeige, ein Buch, das in erster Linie ortsgeschichtliches
Interesse hat, vor dem wettern Leserkreise dieser Blätter, wolle mau mit den
eigentümlichen Umständen entschuldigen, unter denen es entstanden und in den
Handel gebracht worden ist. Daß ein solches Buch einen Verleger fände,
daran ist ja nicht zu denken, es kann immer nur mit Unterstützung hergestellt
werden. Ich wandte mich denn auch, als ich zuerst den Plan dazu faßte, an
die städtischen Behörden Leipzigs mit der Bitte, die Mittel dazu zu bewilligen.
Beim Rate fand ich auch die größte Bereitwilligkeit. Leider scheiterte die Sache
zweimal an dem Widerspruche der Stadtverordneten, und zwar in¬
folge eines Gutachtens, das ein Leipziger Universitätsprofessor, der da¬
mals im Stadverordnetenkollcgium saß, über mein Vorhaben abgab. Wie
es gelautet haben mag, konnte ich ungefähr daraus entnehme», daß er die
Freundlichkeit hatte, nur selbst gegenüber eines Tages zu erklären: ,,Das wird
weiter nichts als ein Bilderbuch, dazu bewillige ich nicht eiuen Pfennig!" Ich
wandte mich darauf an die ,,Stiftung für die Stadt Leipzig," und diese hatte
die Güte, die Mittel zur Herstellung des Buches zu bewilligen.

Ich denke, daß jetzt, wo es fertig vorliegt, die Stadt Leipzig sich dieses
„Bilderbuch" schon gefallen lassen kann. Mein Wunsch war es aber nun, daß der



^) Sollte ein Exemplar davon irgendwo auftauchen, so bitte ich dringend darum, eS mir
als Ganzes anzubieten. Sein Titel ist: ^novem I'r-um Roi-rein Historie (Zuincjnennalis.
Frankfurt a. M., 1595.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/230>, abgerufen am 23.07.2024.