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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

für die evangelische Sache zu schlagen, sondern diese Duldung wurzelte bei
ihm in einer ebenso lautern als weitherzigen Frömmigkeit, für die das Fromm-
seiu nicht zu denken war ohne das Gerechtsein, und der das Gesetz der Natur,
wonach der Mensch den Menschen tragen soll, höher stand, als die Verschieden¬
heit der Religionsmeinung, sobald diese zum Haß aufruft. So schrieb er in
seinem herrlichen Briefe an den Herzog von Savoyen vom Jahre 1686:
"Wie schwer sich auch immer der Haß meistenteils geltend machen mag, der
aus der Verschiedenheit der Religionen entsteht, älter doch und heiliger ist das
Gesetz der Natur, durch das der Mensch verpflichtet ist, den Menschen zu
tragen, zu dulden, ja den ohne seine Schuld gebeugten aufzuhelfen. Denn
es würde auch ohne dieses Band der menschlichen Gesellschaft unter den Völkern
kein Verkehr sein, noch bestehen können."

Bei solchen Grundsätzen, die die Humanität des achtzehnten Jahrhunderts
atmen, war es erklärlich, daß dieser in seiner Zeit einzig dastehende Fürst
auch da die Duldung für seine Unterthauen noch festhielt, wo die katholischen
Regierungen durch ihre Verfolgungen der Evangelischen sein protestantisches
Herz in Grimm aufwallen ließen. Er nahm die Evangelischen auch in fremden
Landen in Schutz, wo er konnte; alle aber, auch die katholischen Unterthanen
seiner Lande, befahl er seinen Nachfolgern in seinem Testamente von Z667
"als ein rechter Landesvater zu lieben, ihren Nutzen und Bestes in billigen
Dingen allezeit gern zu befördern," und ermahnte seinen Sohn, die Verträge
zu halten, die den Katholiken freie Religionsübung sicherten. Da es "in dieser
menschlichen Schwachheit" nicht so bald sein könne, daß alle seine Unterthanen
zu vollkommener Einigkeit kämen, so wolle er das eine erreichen, daß die
Dissentirenden in christlicher Toleranz und Bescheidenheit einander trügen.
Denn der Glaube sei keinem menschlichen Zwange unterworfen. Er meinte
also, daß es im Wesen der Duldung liege, jeden Glauben zu dulden. Mit
diesem Sinne stand der Kurfürst deu ursprünglichen Grundsätzen Luthers und
der Reformatoren näher, als jene sich nach Luther nennenden Feuereiferer und
Ziouswächter^ die dem großen Herrscher das Leben so sauer gemacht und
während seiner langen Regierungszeit ihm einen ununterbrochenen Kampf, den
er nicht wünschte, nufgezwungen haben. Wie schwer er an diesem Kampfe
trug und wie sehr ihm der kirchliche Frieden am Herzen lag, zeigt die Be¬
stimmung in seinem Testamente vom Jahre 1667: "Die Prediger, Ur-nzevp-
torss und ki'roksZZvrss sollen nicht zanksüchtig, sondern friedliche Leute sein, so
da den Kirchcnfrieden zu befördern suchen und meinen Edikten nachzuleben sich
reserviren." Die, die solches nicht thun wollen, sollen das Land räumen.
Daß ihm ein solcher Befehl sauer genug geworden sein mag, geht daraus
hervor, daß er von dem Ausweisungsrechte, das er, gleich allen andern Fürsten,
kraft des den: Landesherrn zukommenden ^jus rst'ormgnäi gegen diejenigen
andersgläubigen Unterthanen hatte, die im Normaljahre 1624 das Recht freier


Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

für die evangelische Sache zu schlagen, sondern diese Duldung wurzelte bei
ihm in einer ebenso lautern als weitherzigen Frömmigkeit, für die das Fromm-
seiu nicht zu denken war ohne das Gerechtsein, und der das Gesetz der Natur,
wonach der Mensch den Menschen tragen soll, höher stand, als die Verschieden¬
heit der Religionsmeinung, sobald diese zum Haß aufruft. So schrieb er in
seinem herrlichen Briefe an den Herzog von Savoyen vom Jahre 1686:
„Wie schwer sich auch immer der Haß meistenteils geltend machen mag, der
aus der Verschiedenheit der Religionen entsteht, älter doch und heiliger ist das
Gesetz der Natur, durch das der Mensch verpflichtet ist, den Menschen zu
tragen, zu dulden, ja den ohne seine Schuld gebeugten aufzuhelfen. Denn
es würde auch ohne dieses Band der menschlichen Gesellschaft unter den Völkern
kein Verkehr sein, noch bestehen können."

Bei solchen Grundsätzen, die die Humanität des achtzehnten Jahrhunderts
atmen, war es erklärlich, daß dieser in seiner Zeit einzig dastehende Fürst
auch da die Duldung für seine Unterthauen noch festhielt, wo die katholischen
Regierungen durch ihre Verfolgungen der Evangelischen sein protestantisches
Herz in Grimm aufwallen ließen. Er nahm die Evangelischen auch in fremden
Landen in Schutz, wo er konnte; alle aber, auch die katholischen Unterthanen
seiner Lande, befahl er seinen Nachfolgern in seinem Testamente von Z667
„als ein rechter Landesvater zu lieben, ihren Nutzen und Bestes in billigen
Dingen allezeit gern zu befördern," und ermahnte seinen Sohn, die Verträge
zu halten, die den Katholiken freie Religionsübung sicherten. Da es „in dieser
menschlichen Schwachheit" nicht so bald sein könne, daß alle seine Unterthanen
zu vollkommener Einigkeit kämen, so wolle er das eine erreichen, daß die
Dissentirenden in christlicher Toleranz und Bescheidenheit einander trügen.
Denn der Glaube sei keinem menschlichen Zwange unterworfen. Er meinte
also, daß es im Wesen der Duldung liege, jeden Glauben zu dulden. Mit
diesem Sinne stand der Kurfürst deu ursprünglichen Grundsätzen Luthers und
der Reformatoren näher, als jene sich nach Luther nennenden Feuereiferer und
Ziouswächter^ die dem großen Herrscher das Leben so sauer gemacht und
während seiner langen Regierungszeit ihm einen ununterbrochenen Kampf, den
er nicht wünschte, nufgezwungen haben. Wie schwer er an diesem Kampfe
trug und wie sehr ihm der kirchliche Frieden am Herzen lag, zeigt die Be¬
stimmung in seinem Testamente vom Jahre 1667: „Die Prediger, Ur-nzevp-
torss und ki'roksZZvrss sollen nicht zanksüchtig, sondern friedliche Leute sein, so
da den Kirchcnfrieden zu befördern suchen und meinen Edikten nachzuleben sich
reserviren." Die, die solches nicht thun wollen, sollen das Land räumen.
Daß ihm ein solcher Befehl sauer genug geworden sein mag, geht daraus
hervor, daß er von dem Ausweisungsrechte, das er, gleich allen andern Fürsten,
kraft des den: Landesherrn zukommenden ^jus rst'ormgnäi gegen diejenigen
andersgläubigen Unterthanen hatte, die im Normaljahre 1624 das Recht freier


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[0215] Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten für die evangelische Sache zu schlagen, sondern diese Duldung wurzelte bei ihm in einer ebenso lautern als weitherzigen Frömmigkeit, für die das Fromm- seiu nicht zu denken war ohne das Gerechtsein, und der das Gesetz der Natur, wonach der Mensch den Menschen tragen soll, höher stand, als die Verschieden¬ heit der Religionsmeinung, sobald diese zum Haß aufruft. So schrieb er in seinem herrlichen Briefe an den Herzog von Savoyen vom Jahre 1686: „Wie schwer sich auch immer der Haß meistenteils geltend machen mag, der aus der Verschiedenheit der Religionen entsteht, älter doch und heiliger ist das Gesetz der Natur, durch das der Mensch verpflichtet ist, den Menschen zu tragen, zu dulden, ja den ohne seine Schuld gebeugten aufzuhelfen. Denn es würde auch ohne dieses Band der menschlichen Gesellschaft unter den Völkern kein Verkehr sein, noch bestehen können." Bei solchen Grundsätzen, die die Humanität des achtzehnten Jahrhunderts atmen, war es erklärlich, daß dieser in seiner Zeit einzig dastehende Fürst auch da die Duldung für seine Unterthauen noch festhielt, wo die katholischen Regierungen durch ihre Verfolgungen der Evangelischen sein protestantisches Herz in Grimm aufwallen ließen. Er nahm die Evangelischen auch in fremden Landen in Schutz, wo er konnte; alle aber, auch die katholischen Unterthanen seiner Lande, befahl er seinen Nachfolgern in seinem Testamente von Z667 „als ein rechter Landesvater zu lieben, ihren Nutzen und Bestes in billigen Dingen allezeit gern zu befördern," und ermahnte seinen Sohn, die Verträge zu halten, die den Katholiken freie Religionsübung sicherten. Da es „in dieser menschlichen Schwachheit" nicht so bald sein könne, daß alle seine Unterthanen zu vollkommener Einigkeit kämen, so wolle er das eine erreichen, daß die Dissentirenden in christlicher Toleranz und Bescheidenheit einander trügen. Denn der Glaube sei keinem menschlichen Zwange unterworfen. Er meinte also, daß es im Wesen der Duldung liege, jeden Glauben zu dulden. Mit diesem Sinne stand der Kurfürst deu ursprünglichen Grundsätzen Luthers und der Reformatoren näher, als jene sich nach Luther nennenden Feuereiferer und Ziouswächter^ die dem großen Herrscher das Leben so sauer gemacht und während seiner langen Regierungszeit ihm einen ununterbrochenen Kampf, den er nicht wünschte, nufgezwungen haben. Wie schwer er an diesem Kampfe trug und wie sehr ihm der kirchliche Frieden am Herzen lag, zeigt die Be¬ stimmung in seinem Testamente vom Jahre 1667: „Die Prediger, Ur-nzevp- torss und ki'roksZZvrss sollen nicht zanksüchtig, sondern friedliche Leute sein, so da den Kirchcnfrieden zu befördern suchen und meinen Edikten nachzuleben sich reserviren." Die, die solches nicht thun wollen, sollen das Land räumen. Daß ihm ein solcher Befehl sauer genug geworden sein mag, geht daraus hervor, daß er von dem Ausweisungsrechte, das er, gleich allen andern Fürsten, kraft des den: Landesherrn zukommenden ^jus rst'ormgnäi gegen diejenigen andersgläubigen Unterthanen hatte, die im Normaljahre 1624 das Recht freier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/215>, abgerufen am 23.07.2024.