Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten

gegen die römische Kirche einnehmen zu sehen, ganz notwendig, daß das Er¬
eignis seines Übertritts doch auch der römischen Kirche zu gute kam.. Denn
gegenüber seinen Berlinern, zu denen der lutherische Dompropst von dem
"hereinbrechenden reißenden kalvinistischen Wolfe" predigte und abtrünnigen
Fürsten Hamans Galgen wünschte, mußte der Kurfürst selbst Duldung in
Anspruch nehmen; da gab sichs von selbst, daß er, der in seiner Residenzstadt
nnr eben geduldete, auch nicht das Prinzip der Unduldsamkeit gegen diejenigen
in seinem Lande in Anwendung bringen konnte, die, wenn auch Andersgläubige,
doch mit ihm in dem Punkte in gleicher Lage waren, daß sie Geduldete zu
sein beanspruchten. Und wenn der Kurfürst seinen eifrigen lutherische" Land-
ständen einen Revers ausstellen mußte, daß ,,Jhre Kurs. Gnaden sich der
Herrschaft über die Gewissen mit Nichten anmaßen" wollte, so konnte ein so
weitherziger und gerechter Fürst, wie es Johann Sigismund war, unmöglich
den Genüssen seiner katholischen Unterthanen darum einen Zwang anthun,
weil diese nur eben nicht lutherisch glaubten. So brachte es dieser Übertritt
notwendig mit sich, daß dieser Fürst zuerst allen drei christlichen Bekenntnissen
mit aller Gerechtigkeit gegenüberstand und auch den Katholiken unter pro¬
testantischen Regiment eine Duldung gewährte, die, wie diese selbst rühmten,
ihnen nicht nnter katholischem gewährt worden wäre. Was er in der In¬
struktion von 1616 seinem Geheimen Rat zur Pflicht machte, "niemanden
seines Glaubens und seiner Religion wegen in einerlei Wege beunruhigen zu
lassen," das kam auch den Katholiken zu gute. Damit wurde der Grund
zum paritätischen Staate gelegt, zum Staate der Hohenzollern, in einer Zeit,
wo in allen andern europäischen Staaten die höchste Regierungskunst darin
gesehen wurde, so viel als möglich Bekehrungsversuche zu machen, um die
Unterthanen dem Bekenntnis des Landesherrn zuzuführen. Der scharfblickende
Thomasius in Halle urteilte im Ausgange des siebzehnten Jahrhunderts ganz
richtig, wenn er es für ,,ein großes Geheimnis der göttlichen Vorsehung"
ausgab, daß sie "bei der gemischten Bevölkerung des brandenburgischen Staates
nicht den reformirten Unterthanen einen lutherischen Fürsten, sondern den
lutherischen einen reformirten habe schenken wollen."

Nachdem nun einmal dieser Eckstein der Duldung in dein jungen Staate
gelegt war, kam es darauf an, ihn nicht wieder zu verrücken. Es war das
das eine, was den modernen Staat vom mittelalterigen unterscheidet. Das
andre war die klare, bestimmte und reinliche Abgrenzung der staatlichen
Kompetenz gegenüber der kirchlichen, mit dem Anspruch des Staates, das
Staatskirchenrecht in oberster Instanz aufzustellen, oder mit andern Worten:
die Souveränität des Staates anch auf staatskirchenrechtlichem Gebiete mit
dem staatlichen Aufsichtsrecht in allen nicht rein innerkirchlichen Dingen. Hier
hatte das Hohenzollerngeschlecht schon vor der Reformation sein fürstliches
Selbstgefühl gegen Übergriffe der geistlichen Autoritäten energisch bethätigt,


Grelizbvten I 1891 26
Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten

gegen die römische Kirche einnehmen zu sehen, ganz notwendig, daß das Er¬
eignis seines Übertritts doch auch der römischen Kirche zu gute kam.. Denn
gegenüber seinen Berlinern, zu denen der lutherische Dompropst von dem
„hereinbrechenden reißenden kalvinistischen Wolfe" predigte und abtrünnigen
Fürsten Hamans Galgen wünschte, mußte der Kurfürst selbst Duldung in
Anspruch nehmen; da gab sichs von selbst, daß er, der in seiner Residenzstadt
nnr eben geduldete, auch nicht das Prinzip der Unduldsamkeit gegen diejenigen
in seinem Lande in Anwendung bringen konnte, die, wenn auch Andersgläubige,
doch mit ihm in dem Punkte in gleicher Lage waren, daß sie Geduldete zu
sein beanspruchten. Und wenn der Kurfürst seinen eifrigen lutherische» Land-
ständen einen Revers ausstellen mußte, daß ,,Jhre Kurs. Gnaden sich der
Herrschaft über die Gewissen mit Nichten anmaßen" wollte, so konnte ein so
weitherziger und gerechter Fürst, wie es Johann Sigismund war, unmöglich
den Genüssen seiner katholischen Unterthanen darum einen Zwang anthun,
weil diese nur eben nicht lutherisch glaubten. So brachte es dieser Übertritt
notwendig mit sich, daß dieser Fürst zuerst allen drei christlichen Bekenntnissen
mit aller Gerechtigkeit gegenüberstand und auch den Katholiken unter pro¬
testantischen Regiment eine Duldung gewährte, die, wie diese selbst rühmten,
ihnen nicht nnter katholischem gewährt worden wäre. Was er in der In¬
struktion von 1616 seinem Geheimen Rat zur Pflicht machte, „niemanden
seines Glaubens und seiner Religion wegen in einerlei Wege beunruhigen zu
lassen," das kam auch den Katholiken zu gute. Damit wurde der Grund
zum paritätischen Staate gelegt, zum Staate der Hohenzollern, in einer Zeit,
wo in allen andern europäischen Staaten die höchste Regierungskunst darin
gesehen wurde, so viel als möglich Bekehrungsversuche zu machen, um die
Unterthanen dem Bekenntnis des Landesherrn zuzuführen. Der scharfblickende
Thomasius in Halle urteilte im Ausgange des siebzehnten Jahrhunderts ganz
richtig, wenn er es für ,,ein großes Geheimnis der göttlichen Vorsehung"
ausgab, daß sie „bei der gemischten Bevölkerung des brandenburgischen Staates
nicht den reformirten Unterthanen einen lutherischen Fürsten, sondern den
lutherischen einen reformirten habe schenken wollen."

Nachdem nun einmal dieser Eckstein der Duldung in dein jungen Staate
gelegt war, kam es darauf an, ihn nicht wieder zu verrücken. Es war das
das eine, was den modernen Staat vom mittelalterigen unterscheidet. Das
andre war die klare, bestimmte und reinliche Abgrenzung der staatlichen
Kompetenz gegenüber der kirchlichen, mit dem Anspruch des Staates, das
Staatskirchenrecht in oberster Instanz aufzustellen, oder mit andern Worten:
die Souveränität des Staates anch auf staatskirchenrechtlichem Gebiete mit
dem staatlichen Aufsichtsrecht in allen nicht rein innerkirchlichen Dingen. Hier
hatte das Hohenzollerngeschlecht schon vor der Reformation sein fürstliches
Selbstgefühl gegen Übergriffe der geistlichen Autoritäten energisch bethätigt,


Grelizbvten I 1891 26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209442"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_606" prev="#ID_605"> gegen die römische Kirche einnehmen zu sehen, ganz notwendig, daß das Er¬<lb/>
eignis seines Übertritts doch auch der römischen Kirche zu gute kam.. Denn<lb/>
gegenüber seinen Berlinern, zu denen der lutherische Dompropst von dem<lb/>
&#x201E;hereinbrechenden reißenden kalvinistischen Wolfe" predigte und abtrünnigen<lb/>
Fürsten Hamans Galgen wünschte, mußte der Kurfürst selbst Duldung in<lb/>
Anspruch nehmen; da gab sichs von selbst, daß er, der in seiner Residenzstadt<lb/>
nnr eben geduldete, auch nicht das Prinzip der Unduldsamkeit gegen diejenigen<lb/>
in seinem Lande in Anwendung bringen konnte, die, wenn auch Andersgläubige,<lb/>
doch mit ihm in dem Punkte in gleicher Lage waren, daß sie Geduldete zu<lb/>
sein beanspruchten. Und wenn der Kurfürst seinen eifrigen lutherische» Land-<lb/>
ständen einen Revers ausstellen mußte, daß ,,Jhre Kurs. Gnaden sich der<lb/>
Herrschaft über die Gewissen mit Nichten anmaßen" wollte, so konnte ein so<lb/>
weitherziger und gerechter Fürst, wie es Johann Sigismund war, unmöglich<lb/>
den Genüssen seiner katholischen Unterthanen darum einen Zwang anthun,<lb/>
weil diese nur eben nicht lutherisch glaubten. So brachte es dieser Übertritt<lb/>
notwendig mit sich, daß dieser Fürst zuerst allen drei christlichen Bekenntnissen<lb/>
mit aller Gerechtigkeit gegenüberstand und auch den Katholiken unter pro¬<lb/>
testantischen Regiment eine Duldung gewährte, die, wie diese selbst rühmten,<lb/>
ihnen nicht nnter katholischem gewährt worden wäre. Was er in der In¬<lb/>
struktion von 1616 seinem Geheimen Rat zur Pflicht machte, &#x201E;niemanden<lb/>
seines Glaubens und seiner Religion wegen in einerlei Wege beunruhigen zu<lb/>
lassen," das kam auch den Katholiken zu gute. Damit wurde der Grund<lb/>
zum paritätischen Staate gelegt, zum Staate der Hohenzollern, in einer Zeit,<lb/>
wo in allen andern europäischen Staaten die höchste Regierungskunst darin<lb/>
gesehen wurde, so viel als möglich Bekehrungsversuche zu machen, um die<lb/>
Unterthanen dem Bekenntnis des Landesherrn zuzuführen. Der scharfblickende<lb/>
Thomasius in Halle urteilte im Ausgange des siebzehnten Jahrhunderts ganz<lb/>
richtig, wenn er es für ,,ein großes Geheimnis der göttlichen Vorsehung"<lb/>
ausgab, daß sie &#x201E;bei der gemischten Bevölkerung des brandenburgischen Staates<lb/>
nicht den reformirten Unterthanen einen lutherischen Fürsten, sondern den<lb/>
lutherischen einen reformirten habe schenken wollen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_607" next="#ID_608"> Nachdem nun einmal dieser Eckstein der Duldung in dein jungen Staate<lb/>
gelegt war, kam es darauf an, ihn nicht wieder zu verrücken. Es war das<lb/>
das eine, was den modernen Staat vom mittelalterigen unterscheidet. Das<lb/>
andre war die klare, bestimmte und reinliche Abgrenzung der staatlichen<lb/>
Kompetenz gegenüber der kirchlichen, mit dem Anspruch des Staates, das<lb/>
Staatskirchenrecht in oberster Instanz aufzustellen, oder mit andern Worten:<lb/>
die Souveränität des Staates anch auf staatskirchenrechtlichem Gebiete mit<lb/>
dem staatlichen Aufsichtsrecht in allen nicht rein innerkirchlichen Dingen. Hier<lb/>
hatte das Hohenzollerngeschlecht schon vor der Reformation sein fürstliches<lb/>
Selbstgefühl gegen Übergriffe der geistlichen Autoritäten energisch bethätigt,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grelizbvten I 1891 26</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0209] Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten gegen die römische Kirche einnehmen zu sehen, ganz notwendig, daß das Er¬ eignis seines Übertritts doch auch der römischen Kirche zu gute kam.. Denn gegenüber seinen Berlinern, zu denen der lutherische Dompropst von dem „hereinbrechenden reißenden kalvinistischen Wolfe" predigte und abtrünnigen Fürsten Hamans Galgen wünschte, mußte der Kurfürst selbst Duldung in Anspruch nehmen; da gab sichs von selbst, daß er, der in seiner Residenzstadt nnr eben geduldete, auch nicht das Prinzip der Unduldsamkeit gegen diejenigen in seinem Lande in Anwendung bringen konnte, die, wenn auch Andersgläubige, doch mit ihm in dem Punkte in gleicher Lage waren, daß sie Geduldete zu sein beanspruchten. Und wenn der Kurfürst seinen eifrigen lutherische» Land- ständen einen Revers ausstellen mußte, daß ,,Jhre Kurs. Gnaden sich der Herrschaft über die Gewissen mit Nichten anmaßen" wollte, so konnte ein so weitherziger und gerechter Fürst, wie es Johann Sigismund war, unmöglich den Genüssen seiner katholischen Unterthanen darum einen Zwang anthun, weil diese nur eben nicht lutherisch glaubten. So brachte es dieser Übertritt notwendig mit sich, daß dieser Fürst zuerst allen drei christlichen Bekenntnissen mit aller Gerechtigkeit gegenüberstand und auch den Katholiken unter pro¬ testantischen Regiment eine Duldung gewährte, die, wie diese selbst rühmten, ihnen nicht nnter katholischem gewährt worden wäre. Was er in der In¬ struktion von 1616 seinem Geheimen Rat zur Pflicht machte, „niemanden seines Glaubens und seiner Religion wegen in einerlei Wege beunruhigen zu lassen," das kam auch den Katholiken zu gute. Damit wurde der Grund zum paritätischen Staate gelegt, zum Staate der Hohenzollern, in einer Zeit, wo in allen andern europäischen Staaten die höchste Regierungskunst darin gesehen wurde, so viel als möglich Bekehrungsversuche zu machen, um die Unterthanen dem Bekenntnis des Landesherrn zuzuführen. Der scharfblickende Thomasius in Halle urteilte im Ausgange des siebzehnten Jahrhunderts ganz richtig, wenn er es für ,,ein großes Geheimnis der göttlichen Vorsehung" ausgab, daß sie „bei der gemischten Bevölkerung des brandenburgischen Staates nicht den reformirten Unterthanen einen lutherischen Fürsten, sondern den lutherischen einen reformirten habe schenken wollen." Nachdem nun einmal dieser Eckstein der Duldung in dein jungen Staate gelegt war, kam es darauf an, ihn nicht wieder zu verrücken. Es war das das eine, was den modernen Staat vom mittelalterigen unterscheidet. Das andre war die klare, bestimmte und reinliche Abgrenzung der staatlichen Kompetenz gegenüber der kirchlichen, mit dem Anspruch des Staates, das Staatskirchenrecht in oberster Instanz aufzustellen, oder mit andern Worten: die Souveränität des Staates anch auf staatskirchenrechtlichem Gebiete mit dem staatlichen Aufsichtsrecht in allen nicht rein innerkirchlichen Dingen. Hier hatte das Hohenzollerngeschlecht schon vor der Reformation sein fürstliches Selbstgefühl gegen Übergriffe der geistlichen Autoritäten energisch bethätigt, Grelizbvten I 1891 26

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/209
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/209>, abgerufen am 23.07.2024.