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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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hiuausgiebt, welches zum großen Teil an der Depravation unsrer Verhältnisse
schuld ist." Derselbe Abgeordnete stellte bei späterer Gelegenheit das selbständige
Eingreifen Cochs auf eine Linie mit den ohne Befehl ausgeführten erfolgreichen
Unternehmungen, für die der österreichische Soldat das Kreuz des Maria-
Theresienvrdens erhält, und auch andre Abgeordnete sahen sich gemüßigt, die
Schöpfung Cochs in höchst anerkennender Weise zu besprechen. Eine unmittelbar
nach seiner Entlassung an das Abgeordnetenhaus gelangte Eingabe von ange¬
sehenen Kaufleuten und Industriellen rühmte, die Organisation der Anstalt sei
von kaufmännischen Geiste durchweht, die Leitung habe "den Bedürfnissen und
Wünschen der Geschäftswelt ein feinfühliges Verständnis entgegengebracht,"
sie nannte die Errichtung der Anstalt "ein epvcheinachendes Ereignis für
Österreich." Auch Zahlen sprechen. An dein Clearingverkehre nahmen 188"
gegen 12000 Einleger teil, und in dem genannten Jahre belief sich das Nein¬
erträgnis für den Staat auf 7^000 Gulden.

Ist dies alles richtig, so steht man trotz allem Überraschender in der
neuern Geschichte in diesem Falle ratlos da. Daß nach dem unglücklichen
Kriege von 1859 die Träger des zusammengebrochenen Systems nach Prügel¬
knaben in andern Kreisen suchten, einen von den wenigen Staatsmännern, die
Bleibendes geschaffen haben und das schaffen wollten, wozu man sich dann
entweder zu spät oder doch unter viel ungünstigeren Umstünden entschließen
mußte, in den Tod trieb, ist immer noch weniger wunderbar und -- tragisch,
als die Opferung eines thatkräftigen Arztes, nur um einen Krebsschaden nicht
loszuwerden!

An Brucks Schicksal erinnert das Cochs auch in manchen Einzelheiten.
Beide waren aus Deutschland gekommen, und das scheint in den Augen mancher
Österreicher ein nicht zu sühnendes Unrecht zu sein. Beide blieben ihrer
Nationalität treu, und beide bemühten sich im Interesse Österreichs wie
Deutschlands ein gutes Einvernehmen zwischen beiden Staaten herzustellen.
Von Brück ist bekannt, daß er vor vierzig Jahren auf eine Zolleiuiguug hin¬
arbeitete und noch kurz vor seinein Tode den innigen Anschluß an Deutschland
empfahl; von Cons aber versichert Dehn, er habe "als Vertrauensmann des
Grafen Fritz Dürckheim nicht unwesentlich dazu beigetragen, daß um höchster
Stelle zu Wien die Erkenntnis von der Aufrichtigkeit der deutscheu Reichs¬
regierung, mit Österreich-Ungarn ein inniges Freundschaftsbündnis zu schließen,
zum Durchbruche kam." Es wird ihm doch diese Thätigkeit nicht etwa zum
Verbrechen gemacht worden sein?




hiuausgiebt, welches zum großen Teil an der Depravation unsrer Verhältnisse
schuld ist." Derselbe Abgeordnete stellte bei späterer Gelegenheit das selbständige
Eingreifen Cochs auf eine Linie mit den ohne Befehl ausgeführten erfolgreichen
Unternehmungen, für die der österreichische Soldat das Kreuz des Maria-
Theresienvrdens erhält, und auch andre Abgeordnete sahen sich gemüßigt, die
Schöpfung Cochs in höchst anerkennender Weise zu besprechen. Eine unmittelbar
nach seiner Entlassung an das Abgeordnetenhaus gelangte Eingabe von ange¬
sehenen Kaufleuten und Industriellen rühmte, die Organisation der Anstalt sei
von kaufmännischen Geiste durchweht, die Leitung habe „den Bedürfnissen und
Wünschen der Geschäftswelt ein feinfühliges Verständnis entgegengebracht,"
sie nannte die Errichtung der Anstalt „ein epvcheinachendes Ereignis für
Österreich." Auch Zahlen sprechen. An dein Clearingverkehre nahmen 188«
gegen 12000 Einleger teil, und in dem genannten Jahre belief sich das Nein¬
erträgnis für den Staat auf 7^000 Gulden.

Ist dies alles richtig, so steht man trotz allem Überraschender in der
neuern Geschichte in diesem Falle ratlos da. Daß nach dem unglücklichen
Kriege von 1859 die Träger des zusammengebrochenen Systems nach Prügel¬
knaben in andern Kreisen suchten, einen von den wenigen Staatsmännern, die
Bleibendes geschaffen haben und das schaffen wollten, wozu man sich dann
entweder zu spät oder doch unter viel ungünstigeren Umstünden entschließen
mußte, in den Tod trieb, ist immer noch weniger wunderbar und — tragisch,
als die Opferung eines thatkräftigen Arztes, nur um einen Krebsschaden nicht
loszuwerden!

An Brucks Schicksal erinnert das Cochs auch in manchen Einzelheiten.
Beide waren aus Deutschland gekommen, und das scheint in den Augen mancher
Österreicher ein nicht zu sühnendes Unrecht zu sein. Beide blieben ihrer
Nationalität treu, und beide bemühten sich im Interesse Österreichs wie
Deutschlands ein gutes Einvernehmen zwischen beiden Staaten herzustellen.
Von Brück ist bekannt, daß er vor vierzig Jahren auf eine Zolleiuiguug hin¬
arbeitete und noch kurz vor seinein Tode den innigen Anschluß an Deutschland
empfahl; von Cons aber versichert Dehn, er habe „als Vertrauensmann des
Grafen Fritz Dürckheim nicht unwesentlich dazu beigetragen, daß um höchster
Stelle zu Wien die Erkenntnis von der Aufrichtigkeit der deutscheu Reichs¬
regierung, mit Österreich-Ungarn ein inniges Freundschaftsbündnis zu schließen,
zum Durchbruche kam." Es wird ihm doch diese Thätigkeit nicht etwa zum
Verbrechen gemacht worden sein?




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/18>, abgerufen am 23.07.2024.