Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Krankheit, und der Leichenstein giebt ihm auch als Beamten das allerbeste Man hätte nun erwarten können, daß Robert Boxberger in der In diesem Sinne hat nun aber Max Koch in seiner Biographie Hoff¬ Ich muß zunächst den Mangel an Patriotismus bei Hoffmann für seine Im übrigen hat Koch an dieser Stelle zwei Dinge durcheinander geworfen: Dem Romanschreiber verzeihe ich das rücksichtslose Verfahren recht gern, Krankheit, und der Leichenstein giebt ihm auch als Beamten das allerbeste Man hätte nun erwarten können, daß Robert Boxberger in der In diesem Sinne hat nun aber Max Koch in seiner Biographie Hoff¬ Ich muß zunächst den Mangel an Patriotismus bei Hoffmann für seine Im übrigen hat Koch an dieser Stelle zwei Dinge durcheinander geworfen: Dem Romanschreiber verzeihe ich das rücksichtslose Verfahren recht gern, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209365"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_370" prev="#ID_369"> Krankheit, und der Leichenstein giebt ihm auch als Beamten das allerbeste<lb/> Zeugnis.</p><lb/> <p xml:id="ID_371"> Man hätte nun erwarten können, daß Robert Boxberger in der<lb/> großen Hempelschen Ausgabe von Hoffmanns Werken einige Andeutungen<lb/> über den Verbleib des Schlusses von „Meister Floh" gegeben hätte. Er wieder¬<lb/> holt aber nur, was schon Hitzig wußte, den: das Nähere über die Jmmediat-<lb/> untersuchungskoimnission offenbar nicht bekannt war. Ich vermute, daß es<lb/> sich bei dem Schlüsse des Romanes wie in dein schon Gedruckten nur um<lb/> Privntverhältnisse des Jenacrs gehandelt hat. Einen Angriff auf die edleren<lb/> Tendenzen der Burschenschaft enthält nicht einmal der Kater Murr. Einen<lb/> solchen Angriff noch in den schlüpferige» „Meister Floh" hineinzulegen und sich mit<lb/> diesem Angriffe sogar in der Weinstube zu rühmen, wäre doppelter und dreifacher<lb/> Unsinn gewesen: hatte doch Fvnam;, den Hoffmann nächst Hippel am meisten<lb/> verehrte, augenblicklich mit Immermann gebrochen, als er in dem Berliner<lb/> Freundeskreise erfuhr, daß Immermann die Tentvnia in Halle angeklagt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_372"> In diesem Sinne hat nun aber Max Koch in seiner Biographie Hoff¬<lb/> manns (bei Kürschner) dies alles keineswegs aufgefaßt. Minder vorsichtig als<lb/> Bvcksberger zieht er aus der Unterdrückung der letzten Kapitel des „Meister<lb/> Floh" Schlüsse über Hoffmanns politische Gesinnung, die vollständig falsch<lb/> sind. Koch sagt, der Hoffmann eigne Mangel an Patriotismus könne<lb/> anch sein rücksichtsloses Verfahren als Kriminalrichter in der schmählichen Ver¬<lb/> folgung der deutscheu Jugend etwas entschuldigen. Entschuldigen? was denn?</p><lb/> <p xml:id="ID_373"> Ich muß zunächst den Mangel an Patriotismus bei Hoffmann für seine<lb/> letzte Lebenszeit bestreik'». Ich habe Hoffmanns Patriotismus schon oben<lb/> bewiesen dnrch seine Stellung zu den Dresdner Ereignissen nach dein<lb/> Waffenstillstande im Jahre 181.-Z. Diese Dinge bespricht anch Koch. Er<lb/> fügt sogar hinzu, Hoffmann habe sich mit dein Gedanken getragen, in Dresden<lb/> ein Pulvermagazin in die Luft zu sprengen. Und doch kein Patriot? Vielleicht<lb/> überlegt sich Koch das noch einmal, wenn ich ihn daran erinnere, daß Hoffmann<lb/> später auf dem Gendarmenmarkte in Berlin die Hebung der Sittlichkeit des Volkes<lb/> beobachtete und in derselben Zeit sagte: Es steigt ein ungemeiner Geist unter<lb/> uns Deutschen auf. So spricht kein Mensch, der ein Pulvermagazin bloß zu seinem<lb/> Vergnügen in die Luft sprengen möchte und zu allem Patriotismus unfähig ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_374"> Im übrigen hat Koch an dieser Stelle zwei Dinge durcheinander geworfen:<lb/> erstens „das rücksichtslose Verfahren des Romanschreibers" und zweitens „die<lb/> schmähliche Verfolgung der deutschen Jugend."</p><lb/> <p xml:id="ID_375"> Dem Romanschreiber verzeihe ich das rücksichtslose Verfahren recht gern,<lb/> wenigstens wenn es sich in so nnbezahlbaren Humor auflöst wie bei den Vaganten¬<lb/> lieder singenden Katerjünglingen auf deu Dächern. Die „schmähliche Verfolgung<lb/> der deutschen Jugend" durch den Kriminalisten Hoffmann würde ich dagegen<lb/> nicht verzeihen. Höchst wahrscheinlich aber besteht sie nur in Kochs Einbildung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
Krankheit, und der Leichenstein giebt ihm auch als Beamten das allerbeste
Zeugnis.
Man hätte nun erwarten können, daß Robert Boxberger in der
großen Hempelschen Ausgabe von Hoffmanns Werken einige Andeutungen
über den Verbleib des Schlusses von „Meister Floh" gegeben hätte. Er wieder¬
holt aber nur, was schon Hitzig wußte, den: das Nähere über die Jmmediat-
untersuchungskoimnission offenbar nicht bekannt war. Ich vermute, daß es
sich bei dem Schlüsse des Romanes wie in dein schon Gedruckten nur um
Privntverhältnisse des Jenacrs gehandelt hat. Einen Angriff auf die edleren
Tendenzen der Burschenschaft enthält nicht einmal der Kater Murr. Einen
solchen Angriff noch in den schlüpferige» „Meister Floh" hineinzulegen und sich mit
diesem Angriffe sogar in der Weinstube zu rühmen, wäre doppelter und dreifacher
Unsinn gewesen: hatte doch Fvnam;, den Hoffmann nächst Hippel am meisten
verehrte, augenblicklich mit Immermann gebrochen, als er in dem Berliner
Freundeskreise erfuhr, daß Immermann die Tentvnia in Halle angeklagt habe.
In diesem Sinne hat nun aber Max Koch in seiner Biographie Hoff¬
manns (bei Kürschner) dies alles keineswegs aufgefaßt. Minder vorsichtig als
Bvcksberger zieht er aus der Unterdrückung der letzten Kapitel des „Meister
Floh" Schlüsse über Hoffmanns politische Gesinnung, die vollständig falsch
sind. Koch sagt, der Hoffmann eigne Mangel an Patriotismus könne
anch sein rücksichtsloses Verfahren als Kriminalrichter in der schmählichen Ver¬
folgung der deutscheu Jugend etwas entschuldigen. Entschuldigen? was denn?
Ich muß zunächst den Mangel an Patriotismus bei Hoffmann für seine
letzte Lebenszeit bestreik'». Ich habe Hoffmanns Patriotismus schon oben
bewiesen dnrch seine Stellung zu den Dresdner Ereignissen nach dein
Waffenstillstande im Jahre 181.-Z. Diese Dinge bespricht anch Koch. Er
fügt sogar hinzu, Hoffmann habe sich mit dein Gedanken getragen, in Dresden
ein Pulvermagazin in die Luft zu sprengen. Und doch kein Patriot? Vielleicht
überlegt sich Koch das noch einmal, wenn ich ihn daran erinnere, daß Hoffmann
später auf dem Gendarmenmarkte in Berlin die Hebung der Sittlichkeit des Volkes
beobachtete und in derselben Zeit sagte: Es steigt ein ungemeiner Geist unter
uns Deutschen auf. So spricht kein Mensch, der ein Pulvermagazin bloß zu seinem
Vergnügen in die Luft sprengen möchte und zu allem Patriotismus unfähig ist.
Im übrigen hat Koch an dieser Stelle zwei Dinge durcheinander geworfen:
erstens „das rücksichtslose Verfahren des Romanschreibers" und zweitens „die
schmähliche Verfolgung der deutschen Jugend."
Dem Romanschreiber verzeihe ich das rücksichtslose Verfahren recht gern,
wenigstens wenn es sich in so nnbezahlbaren Humor auflöst wie bei den Vaganten¬
lieder singenden Katerjünglingen auf deu Dächern. Die „schmähliche Verfolgung
der deutschen Jugend" durch den Kriminalisten Hoffmann würde ich dagegen
nicht verzeihen. Höchst wahrscheinlich aber besteht sie nur in Kochs Einbildung.
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