Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Der Zusammenschluß aller Brduiiugsparteieu weiter bauend auf der Grundlage der kaiserlichen Botschaft von 1881 der Was in mühevoller Arbeit unsre Wissenschaft vorbereitet, was dank der Wer diesen Gedanken nicht mit uns teilt, wer, uubelehrt durch die Vor¬ Wer dies erst einmal deutlich erkannt hat, der wird gründlich geheilt Der Zusammenschluß aller Brduiiugsparteieu weiter bauend auf der Grundlage der kaiserlichen Botschaft von 1881 der Was in mühevoller Arbeit unsre Wissenschaft vorbereitet, was dank der Wer diesen Gedanken nicht mit uns teilt, wer, uubelehrt durch die Vor¬ Wer dies erst einmal deutlich erkannt hat, der wird gründlich geheilt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209341"/> <fw type="header" place="top"> Der Zusammenschluß aller Brduiiugsparteieu</fw><lb/> <p xml:id="ID_287" prev="#ID_286"> weiter bauend auf der Grundlage der kaiserlichen Botschaft von 1881 der<lb/> immer mehr fortschreitenden Ansammlung des Kapitals in den Händen weniger,<lb/> der Erdrückung des Handwerks durch den Großbetrieb, der Vernichtung des<lb/> kleinen Bauernstandes, der Schädigung ehrlicher Arbeit durch das Vörsenspiel<lb/> entgegenzutreten, der bedrängten Lage des untern und mittlern Veamtenstandes<lb/> abzuhelfen, der hat sich, so schwer es ihm auch ankommen mag, zu trennen<lb/> von denen, mit denen er bisher, wenn auch noch so erfolgreich, zusammen<lb/> gearbeitet hat. Wer das nicht thut, der macht sich zum Mitschuldigen derer,<lb/> die alles gehen lassen wollen, wie es geht, den trifft vor allem die Verant-<lb/> wortung für das, was in Zukunft geschieht; denn er sieht den richtigen Weg<lb/> und bleibt doch auf dem falsche», er handelt so unverständig wie ein Arzt, der<lb/> sich von einem lieben Kollegen nicht trennen will, welcher alles der gute»<lb/> Natur des Kranken überlassen zu können glaubt, und deshalb selbst den rich¬<lb/> tigen Augenblick zur Operation verpaßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_288"> Was in mühevoller Arbeit unsre Wissenschaft vorbereitet, was dank der<lb/> Initiative einer kräftigen, hoch über den Parteien stehenden Monarchie in<lb/> einer Reihe segensvoller Gesetze bereits zum Teile Gestalt gewonnen hat, der<lb/> große Gedanke unsrer Zeit, daß der Einzelne nicht bloß Rechte, sondern auch<lb/> Pflichten habe gegenüber der Gesamtheit, daß seine Rechte da aufhören, wo<lb/> sie das Interesse der Gesamtheit zu verletzen ansaugen, und daß die Freiheit<lb/> des Einzelnen mehr als bisher dem Interesse des Gesellschaftsorganismns<lb/> unterzuordnen sei, er muß ins Volk hineingetragen werden, er muß das<lb/> Parteien einende und trennende Stichwort werden, von ihm aus wird sich<lb/> dann allein der richtige „Zusammenschluß" vollziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_289"> Wer diesen Gedanken nicht mit uns teilt, wer, uubelehrt durch die Vor¬<lb/> gänge der lebendigen Welt, auf der individualistischen Freiheitslehre behnrrt,<lb/> wie sie, ausgehend von der französischen Revolution, ihren Siegeslauf durch<lb/> dieses Jahrhundert vollzogen hat, wer den nur bedingten Wert dieses Ideals<lb/> der persönlichen Freiheit nicht zu begreifen vermag und nicht einsehen kann,<lb/> daß nachdem wir lange — und zwar durchaus berechtigterweise — ein<lb/> stärkeres Gewicht auf die Rechte des Einzelnen gelegt haben, jetzt wieder die<lb/> Pflicht des Einzelnen gegenüber dem Staate und der durch ihn dargestellten<lb/> Gesamtheit betont werden muß, wer dies alles nicht versteht, der kann un¬<lb/> möglich unser Mitstreiter gegenüber der Sozialdemokratie sein; denn er ist in<lb/> Wahrheit unser größter, ja vielleicht unser einziger Feind, weil er die Ursache<lb/> des Übels ist, das in der Svzialdemokrntie in die äußere Erscheinung tritt.</p><lb/> <p xml:id="ID_290" next="#ID_291"> Wer dies erst einmal deutlich erkannt hat, der wird gründlich geheilt<lb/> sein von jener unklaren Idee des „Zusammenschlusses aller staatserhaltenden<lb/> Parteien" gegen die Umsturzpartei; er wird einen bessern Zusammenschluß<lb/> kennen, nämlich die Zusammmscharung aller wahrhaften Patrioten, alles dessen,<lb/> was noch gesund ist und noch Leben hat in Deutschland, um die Idee der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Der Zusammenschluß aller Brduiiugsparteieu
weiter bauend auf der Grundlage der kaiserlichen Botschaft von 1881 der
immer mehr fortschreitenden Ansammlung des Kapitals in den Händen weniger,
der Erdrückung des Handwerks durch den Großbetrieb, der Vernichtung des
kleinen Bauernstandes, der Schädigung ehrlicher Arbeit durch das Vörsenspiel
entgegenzutreten, der bedrängten Lage des untern und mittlern Veamtenstandes
abzuhelfen, der hat sich, so schwer es ihm auch ankommen mag, zu trennen
von denen, mit denen er bisher, wenn auch noch so erfolgreich, zusammen
gearbeitet hat. Wer das nicht thut, der macht sich zum Mitschuldigen derer,
die alles gehen lassen wollen, wie es geht, den trifft vor allem die Verant-
wortung für das, was in Zukunft geschieht; denn er sieht den richtigen Weg
und bleibt doch auf dem falsche», er handelt so unverständig wie ein Arzt, der
sich von einem lieben Kollegen nicht trennen will, welcher alles der gute»
Natur des Kranken überlassen zu können glaubt, und deshalb selbst den rich¬
tigen Augenblick zur Operation verpaßt.
Was in mühevoller Arbeit unsre Wissenschaft vorbereitet, was dank der
Initiative einer kräftigen, hoch über den Parteien stehenden Monarchie in
einer Reihe segensvoller Gesetze bereits zum Teile Gestalt gewonnen hat, der
große Gedanke unsrer Zeit, daß der Einzelne nicht bloß Rechte, sondern auch
Pflichten habe gegenüber der Gesamtheit, daß seine Rechte da aufhören, wo
sie das Interesse der Gesamtheit zu verletzen ansaugen, und daß die Freiheit
des Einzelnen mehr als bisher dem Interesse des Gesellschaftsorganismns
unterzuordnen sei, er muß ins Volk hineingetragen werden, er muß das
Parteien einende und trennende Stichwort werden, von ihm aus wird sich
dann allein der richtige „Zusammenschluß" vollziehen.
Wer diesen Gedanken nicht mit uns teilt, wer, uubelehrt durch die Vor¬
gänge der lebendigen Welt, auf der individualistischen Freiheitslehre behnrrt,
wie sie, ausgehend von der französischen Revolution, ihren Siegeslauf durch
dieses Jahrhundert vollzogen hat, wer den nur bedingten Wert dieses Ideals
der persönlichen Freiheit nicht zu begreifen vermag und nicht einsehen kann,
daß nachdem wir lange — und zwar durchaus berechtigterweise — ein
stärkeres Gewicht auf die Rechte des Einzelnen gelegt haben, jetzt wieder die
Pflicht des Einzelnen gegenüber dem Staate und der durch ihn dargestellten
Gesamtheit betont werden muß, wer dies alles nicht versteht, der kann un¬
möglich unser Mitstreiter gegenüber der Sozialdemokratie sein; denn er ist in
Wahrheit unser größter, ja vielleicht unser einziger Feind, weil er die Ursache
des Übels ist, das in der Svzialdemokrntie in die äußere Erscheinung tritt.
Wer dies erst einmal deutlich erkannt hat, der wird gründlich geheilt
sein von jener unklaren Idee des „Zusammenschlusses aller staatserhaltenden
Parteien" gegen die Umsturzpartei; er wird einen bessern Zusammenschluß
kennen, nämlich die Zusammmscharung aller wahrhaften Patrioten, alles dessen,
was noch gesund ist und noch Leben hat in Deutschland, um die Idee der
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