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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

an, die für sie aufgespart waren. Die Pracht des Saales und der Tafel¬
ausschmückung, die Vortrefflichkeit des Orchesters, das den Gästen unsichtbar
angebracht war, die Delikatesse der feinsten Speisen und Weine, vor allem aber
die geistreiche Unterhaltung meiner Frau bezauberten ihn so, daß, wie er
endlich, von seinem Kammerherrn mehrmals erinnert, aufbrach, er feinen Rock
aufknöpfte und den Gustav-Wasciorden, den er über dem Unterkleide trug,
herabnahm und ihn mir umhing, indem er sagte: Einen Mann, den das Glück
und die Natur bedacht haben wie Sie, können Könige nicht beschenken.
Nehmen Sie dies nur als einen Zoll der Dankbarkeit für den schönsten Abend,
den ich bei Ihnen genießen durfte. Weil aber nach den alten Ordensgesetzen
diesen Orden niemand tragen darf, der nicht Generalsrang hat, so müssen Sie
sich schon gefallen lassen, daß ich Sie hiermit zu meinem General der Infanterie
ernenne.

So sprach der König und ging, und am Thore, bis wohin wir ihn
begleiteten, stand eine köstliche Staatskarosse für ihn bereit, die ihn nach
Hause brachte.

So war ich denn nun am Gipfel aller meiner Wünsche angelangt, Gatte
des schönsten, besten Weibes und was zu sein ich schon als Kind gewünscht
hatte, schwedischer General; ich war der glücklichste aller Menschen, wie ich
so bald darauf der unglücklichste werden sollte -- durch meine eigne Schuld!

Es war schon am nächsten Morgen, daß das Unkraut des unseligsten
Fürwitzes in nur aufschoß. Noch war ich im ersten Gefühl der Freude über
den neuesten Liebesbeweis meines Weibes, als ich schon mutwillig ihr ganzes
Glück vernichten sollte. Ich war munter und weidete meine Augen an der
Schönheit meines Weibes, das noch fest schlummerte. Ihr Köpfchen lag auf
meinem linken Arm. Da kam mir der unselige Gedanke: sie liegt so, daß die
kleinste Bewegung dir das Mal zeigen könnte, das du nicht sehen sollst.
Der Gedanke dieser Möglichkeit erregte mir so das Blut, daß ich meine Pulse
schlagen hörte. Ich rief alle meine Festigkeit zu Hilfe. Ich wünschte, sie
möchte aufwachen und so den Kampf in mir enden. Und doch weckte ich
sie nicht, weil der Fürwitz in mir sprach: Wer weiß, ob je die Gelegen¬
heit dir wiederkommt, die du jetzt benutzen kannst, ohne daß sie es merkt,
ohne daß irgend jemand es merkt; dabei sah ich mich in dein Zimmer um,
als wollte ich mich überzeuge", daß niemand mich das thun sähe, was ich
vorhatte. Immer schneller wechselte das Für und Wider in meinen Ge^
danken, eine Art Wahnsinn kam über mich; ein krampfhafter, wie unwill¬
kürlicher Zuck mit dem Finger und -- die schönste Hüfte lag bloß, wie aus
Marmor gehauen vor meinen Augen, die das bewegte Blut wie mit Nebel
umhüllt hatte. Gerade auf der Mitte der Wölbung ward das Mal, einer
Lotosblume ähnlich, sichtbar, nur wie ein Erröten auf das zarteste Weiß
gehaucht. Eine eben so schnelle Bewegung verdeckte es wieder. Nun das


Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

an, die für sie aufgespart waren. Die Pracht des Saales und der Tafel¬
ausschmückung, die Vortrefflichkeit des Orchesters, das den Gästen unsichtbar
angebracht war, die Delikatesse der feinsten Speisen und Weine, vor allem aber
die geistreiche Unterhaltung meiner Frau bezauberten ihn so, daß, wie er
endlich, von seinem Kammerherrn mehrmals erinnert, aufbrach, er feinen Rock
aufknöpfte und den Gustav-Wasciorden, den er über dem Unterkleide trug,
herabnahm und ihn mir umhing, indem er sagte: Einen Mann, den das Glück
und die Natur bedacht haben wie Sie, können Könige nicht beschenken.
Nehmen Sie dies nur als einen Zoll der Dankbarkeit für den schönsten Abend,
den ich bei Ihnen genießen durfte. Weil aber nach den alten Ordensgesetzen
diesen Orden niemand tragen darf, der nicht Generalsrang hat, so müssen Sie
sich schon gefallen lassen, daß ich Sie hiermit zu meinem General der Infanterie
ernenne.

So sprach der König und ging, und am Thore, bis wohin wir ihn
begleiteten, stand eine köstliche Staatskarosse für ihn bereit, die ihn nach
Hause brachte.

So war ich denn nun am Gipfel aller meiner Wünsche angelangt, Gatte
des schönsten, besten Weibes und was zu sein ich schon als Kind gewünscht
hatte, schwedischer General; ich war der glücklichste aller Menschen, wie ich
so bald darauf der unglücklichste werden sollte — durch meine eigne Schuld!

Es war schon am nächsten Morgen, daß das Unkraut des unseligsten
Fürwitzes in nur aufschoß. Noch war ich im ersten Gefühl der Freude über
den neuesten Liebesbeweis meines Weibes, als ich schon mutwillig ihr ganzes
Glück vernichten sollte. Ich war munter und weidete meine Augen an der
Schönheit meines Weibes, das noch fest schlummerte. Ihr Köpfchen lag auf
meinem linken Arm. Da kam mir der unselige Gedanke: sie liegt so, daß die
kleinste Bewegung dir das Mal zeigen könnte, das du nicht sehen sollst.
Der Gedanke dieser Möglichkeit erregte mir so das Blut, daß ich meine Pulse
schlagen hörte. Ich rief alle meine Festigkeit zu Hilfe. Ich wünschte, sie
möchte aufwachen und so den Kampf in mir enden. Und doch weckte ich
sie nicht, weil der Fürwitz in mir sprach: Wer weiß, ob je die Gelegen¬
heit dir wiederkommt, die du jetzt benutzen kannst, ohne daß sie es merkt,
ohne daß irgend jemand es merkt; dabei sah ich mich in dein Zimmer um,
als wollte ich mich überzeuge», daß niemand mich das thun sähe, was ich
vorhatte. Immer schneller wechselte das Für und Wider in meinen Ge^
danken, eine Art Wahnsinn kam über mich; ein krampfhafter, wie unwill¬
kürlicher Zuck mit dem Finger und — die schönste Hüfte lag bloß, wie aus
Marmor gehauen vor meinen Augen, die das bewegte Blut wie mit Nebel
umhüllt hatte. Gerade auf der Mitte der Wölbung ward das Mal, einer
Lotosblume ähnlich, sichtbar, nur wie ein Erröten auf das zarteste Weiß
gehaucht. Eine eben so schnelle Bewegung verdeckte es wieder. Nun das


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[0440] Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen an, die für sie aufgespart waren. Die Pracht des Saales und der Tafel¬ ausschmückung, die Vortrefflichkeit des Orchesters, das den Gästen unsichtbar angebracht war, die Delikatesse der feinsten Speisen und Weine, vor allem aber die geistreiche Unterhaltung meiner Frau bezauberten ihn so, daß, wie er endlich, von seinem Kammerherrn mehrmals erinnert, aufbrach, er feinen Rock aufknöpfte und den Gustav-Wasciorden, den er über dem Unterkleide trug, herabnahm und ihn mir umhing, indem er sagte: Einen Mann, den das Glück und die Natur bedacht haben wie Sie, können Könige nicht beschenken. Nehmen Sie dies nur als einen Zoll der Dankbarkeit für den schönsten Abend, den ich bei Ihnen genießen durfte. Weil aber nach den alten Ordensgesetzen diesen Orden niemand tragen darf, der nicht Generalsrang hat, so müssen Sie sich schon gefallen lassen, daß ich Sie hiermit zu meinem General der Infanterie ernenne. So sprach der König und ging, und am Thore, bis wohin wir ihn begleiteten, stand eine köstliche Staatskarosse für ihn bereit, die ihn nach Hause brachte. So war ich denn nun am Gipfel aller meiner Wünsche angelangt, Gatte des schönsten, besten Weibes und was zu sein ich schon als Kind gewünscht hatte, schwedischer General; ich war der glücklichste aller Menschen, wie ich so bald darauf der unglücklichste werden sollte — durch meine eigne Schuld! Es war schon am nächsten Morgen, daß das Unkraut des unseligsten Fürwitzes in nur aufschoß. Noch war ich im ersten Gefühl der Freude über den neuesten Liebesbeweis meines Weibes, als ich schon mutwillig ihr ganzes Glück vernichten sollte. Ich war munter und weidete meine Augen an der Schönheit meines Weibes, das noch fest schlummerte. Ihr Köpfchen lag auf meinem linken Arm. Da kam mir der unselige Gedanke: sie liegt so, daß die kleinste Bewegung dir das Mal zeigen könnte, das du nicht sehen sollst. Der Gedanke dieser Möglichkeit erregte mir so das Blut, daß ich meine Pulse schlagen hörte. Ich rief alle meine Festigkeit zu Hilfe. Ich wünschte, sie möchte aufwachen und so den Kampf in mir enden. Und doch weckte ich sie nicht, weil der Fürwitz in mir sprach: Wer weiß, ob je die Gelegen¬ heit dir wiederkommt, die du jetzt benutzen kannst, ohne daß sie es merkt, ohne daß irgend jemand es merkt; dabei sah ich mich in dein Zimmer um, als wollte ich mich überzeuge», daß niemand mich das thun sähe, was ich vorhatte. Immer schneller wechselte das Für und Wider in meinen Ge^ danken, eine Art Wahnsinn kam über mich; ein krampfhafter, wie unwill¬ kürlicher Zuck mit dem Finger und — die schönste Hüfte lag bloß, wie aus Marmor gehauen vor meinen Augen, die das bewegte Blut wie mit Nebel umhüllt hatte. Gerade auf der Mitte der Wölbung ward das Mal, einer Lotosblume ähnlich, sichtbar, nur wie ein Erröten auf das zarteste Weiß gehaucht. Eine eben so schnelle Bewegung verdeckte es wieder. Nun das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/440>, abgerufen am 23.07.2024.