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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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lizismus erleuchte." Zu diese" Freunden gehörte vor allen andern die jesuitische
Organisation, deren Hauptaufgabe es jetzt mehr denn je war, mit geistlichen
Waffen das Interesse Frankreichs als der romanischen Vormacht zu fördern.
Denn der Kampf des Jesuitenordens ist im letzten Grnnde ein Kampf des
romanischen Geistes gegen den germanischen. Diese jesuitische Organisation
begann nnn, wie gesagt, sofort nach dein großen Kriege und war darauf ge¬
richtet, den ungebildetsten Teil des dentschen Volkes als gehorsame Sklaven
des Papstes einzufangen. Waren sie das einmal, so konnte man erwarten,
daß sie dann auch gegebenen Falles für die französische Politik passende Werk¬
zeuge werden würden. Zu diesem Zwecke kam eS darauf an, den religiösen
Gegensatz zu verschärfen. Die Möglichkeit zu solcher Verschärfung hatte man
bereits dadurch erlaugt, daß man schon seit den fünfziger Jahren die Seminar-
erziehnng in die passenden Hände gebracht und einen unwissenschaftlichen, zum
Fanatismus geneigten Priesterstand geschaffen hatte, der den Syllabus durch¬
zuführen ebenso bereit als fähig war. Wurde nun der religiöse Gegensatz in
die katholische Bevölkerung gebracht, dann machte man diese zur Arbeit des
Bürgerkrieges geneigter, jedenfalls nahm man ihnen die Freude am neuen
Reiche. Und diese Rechnung schlug nicht fehl, wie die Rechnung auf die
Dummheit und den Fanatismus der Massen bei der richtigen Schlauheit selten
fehlschlägt.

Zunächst galt es, Einfluß auf die Wahlen im katholischen Volte zu
Gunsten solcher Abgeordneten zu erlangen, denen das deutsche Kaisertum von
vornherein eine unerwünschte Sache gewesen war. Was sonst Partikularismus
und Rheiubnndsgelüste hieß, sich aber jetzt nicht mehr so zu nennen getraute,
alles, was einst auf die österreichische Eamarilla hoffend gesehen hatte, was
zu den Anhängern der depvssedirten Fürsten, besonders der Welsen gehörte,
alles, was zum klerikalen Feudalismus gehörte und im insaUibilistischen Unterricht,
in der Bekämpfung der dentschen Wissenschaft, in der Bethörung des gemeinen
Volkes das Heil sah, das schoß zusammen zur Zentrumspartei. Und da diese
Partei von vornherein in der Wiederherstellung der weltlichen Macht des
Papstes ihr nächstes Ziel hatte, so war für sie jetzt gerade so die Wiederher¬
stellung der Macht Frankreichs eine erwünschte Sache, wie es die Wiederher¬
stellung der Macht Österreichs vor dem Bündnis mit Deutschland gewesen
war. Je weniger man ans ein Einschreiten Österreichs zur Wiederherstellung
der päpstlichen Macht und ans eine Bekämpfung Italiens von dort her rechnen
konnte, desto inniger verbündete sich die römische Hierarchie unter jesuitischer
Führung mit Fraukreich. Die jesuitische Partei in Deutschland aber verfiel
in die Maßlosigkeit, die endlich verhängnisvoll wurde für das Schicksal der
Jesuiten selbst, und es werden mußte. Ein deutsches Jesuitenblatt mit dem
patriotischen Namen Das Vaterland (die Jcsuitenblätter tragen alle patriotische
Namen: Germania, Vaterland, Volksblatt, Reichszeitung n. s. w.) schrieb damals


Die Iesmtenpetitwnen

lizismus erleuchte." Zu diese» Freunden gehörte vor allen andern die jesuitische
Organisation, deren Hauptaufgabe es jetzt mehr denn je war, mit geistlichen
Waffen das Interesse Frankreichs als der romanischen Vormacht zu fördern.
Denn der Kampf des Jesuitenordens ist im letzten Grnnde ein Kampf des
romanischen Geistes gegen den germanischen. Diese jesuitische Organisation
begann nnn, wie gesagt, sofort nach dein großen Kriege und war darauf ge¬
richtet, den ungebildetsten Teil des dentschen Volkes als gehorsame Sklaven
des Papstes einzufangen. Waren sie das einmal, so konnte man erwarten,
daß sie dann auch gegebenen Falles für die französische Politik passende Werk¬
zeuge werden würden. Zu diesem Zwecke kam eS darauf an, den religiösen
Gegensatz zu verschärfen. Die Möglichkeit zu solcher Verschärfung hatte man
bereits dadurch erlaugt, daß man schon seit den fünfziger Jahren die Seminar-
erziehnng in die passenden Hände gebracht und einen unwissenschaftlichen, zum
Fanatismus geneigten Priesterstand geschaffen hatte, der den Syllabus durch¬
zuführen ebenso bereit als fähig war. Wurde nun der religiöse Gegensatz in
die katholische Bevölkerung gebracht, dann machte man diese zur Arbeit des
Bürgerkrieges geneigter, jedenfalls nahm man ihnen die Freude am neuen
Reiche. Und diese Rechnung schlug nicht fehl, wie die Rechnung auf die
Dummheit und den Fanatismus der Massen bei der richtigen Schlauheit selten
fehlschlägt.

Zunächst galt es, Einfluß auf die Wahlen im katholischen Volte zu
Gunsten solcher Abgeordneten zu erlangen, denen das deutsche Kaisertum von
vornherein eine unerwünschte Sache gewesen war. Was sonst Partikularismus
und Rheiubnndsgelüste hieß, sich aber jetzt nicht mehr so zu nennen getraute,
alles, was einst auf die österreichische Eamarilla hoffend gesehen hatte, was
zu den Anhängern der depvssedirten Fürsten, besonders der Welsen gehörte,
alles, was zum klerikalen Feudalismus gehörte und im insaUibilistischen Unterricht,
in der Bekämpfung der dentschen Wissenschaft, in der Bethörung des gemeinen
Volkes das Heil sah, das schoß zusammen zur Zentrumspartei. Und da diese
Partei von vornherein in der Wiederherstellung der weltlichen Macht des
Papstes ihr nächstes Ziel hatte, so war für sie jetzt gerade so die Wiederher¬
stellung der Macht Frankreichs eine erwünschte Sache, wie es die Wiederher¬
stellung der Macht Österreichs vor dem Bündnis mit Deutschland gewesen
war. Je weniger man ans ein Einschreiten Österreichs zur Wiederherstellung
der päpstlichen Macht und ans eine Bekämpfung Italiens von dort her rechnen
konnte, desto inniger verbündete sich die römische Hierarchie unter jesuitischer
Führung mit Fraukreich. Die jesuitische Partei in Deutschland aber verfiel
in die Maßlosigkeit, die endlich verhängnisvoll wurde für das Schicksal der
Jesuiten selbst, und es werden mußte. Ein deutsches Jesuitenblatt mit dem
patriotischen Namen Das Vaterland (die Jcsuitenblätter tragen alle patriotische
Namen: Germania, Vaterland, Volksblatt, Reichszeitung n. s. w.) schrieb damals


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[0408] Die Iesmtenpetitwnen lizismus erleuchte." Zu diese» Freunden gehörte vor allen andern die jesuitische Organisation, deren Hauptaufgabe es jetzt mehr denn je war, mit geistlichen Waffen das Interesse Frankreichs als der romanischen Vormacht zu fördern. Denn der Kampf des Jesuitenordens ist im letzten Grnnde ein Kampf des romanischen Geistes gegen den germanischen. Diese jesuitische Organisation begann nnn, wie gesagt, sofort nach dein großen Kriege und war darauf ge¬ richtet, den ungebildetsten Teil des dentschen Volkes als gehorsame Sklaven des Papstes einzufangen. Waren sie das einmal, so konnte man erwarten, daß sie dann auch gegebenen Falles für die französische Politik passende Werk¬ zeuge werden würden. Zu diesem Zwecke kam eS darauf an, den religiösen Gegensatz zu verschärfen. Die Möglichkeit zu solcher Verschärfung hatte man bereits dadurch erlaugt, daß man schon seit den fünfziger Jahren die Seminar- erziehnng in die passenden Hände gebracht und einen unwissenschaftlichen, zum Fanatismus geneigten Priesterstand geschaffen hatte, der den Syllabus durch¬ zuführen ebenso bereit als fähig war. Wurde nun der religiöse Gegensatz in die katholische Bevölkerung gebracht, dann machte man diese zur Arbeit des Bürgerkrieges geneigter, jedenfalls nahm man ihnen die Freude am neuen Reiche. Und diese Rechnung schlug nicht fehl, wie die Rechnung auf die Dummheit und den Fanatismus der Massen bei der richtigen Schlauheit selten fehlschlägt. Zunächst galt es, Einfluß auf die Wahlen im katholischen Volte zu Gunsten solcher Abgeordneten zu erlangen, denen das deutsche Kaisertum von vornherein eine unerwünschte Sache gewesen war. Was sonst Partikularismus und Rheiubnndsgelüste hieß, sich aber jetzt nicht mehr so zu nennen getraute, alles, was einst auf die österreichische Eamarilla hoffend gesehen hatte, was zu den Anhängern der depvssedirten Fürsten, besonders der Welsen gehörte, alles, was zum klerikalen Feudalismus gehörte und im insaUibilistischen Unterricht, in der Bekämpfung der dentschen Wissenschaft, in der Bethörung des gemeinen Volkes das Heil sah, das schoß zusammen zur Zentrumspartei. Und da diese Partei von vornherein in der Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes ihr nächstes Ziel hatte, so war für sie jetzt gerade so die Wiederher¬ stellung der Macht Frankreichs eine erwünschte Sache, wie es die Wiederher¬ stellung der Macht Österreichs vor dem Bündnis mit Deutschland gewesen war. Je weniger man ans ein Einschreiten Österreichs zur Wiederherstellung der päpstlichen Macht und ans eine Bekämpfung Italiens von dort her rechnen konnte, desto inniger verbündete sich die römische Hierarchie unter jesuitischer Führung mit Fraukreich. Die jesuitische Partei in Deutschland aber verfiel in die Maßlosigkeit, die endlich verhängnisvoll wurde für das Schicksal der Jesuiten selbst, und es werden mußte. Ein deutsches Jesuitenblatt mit dem patriotischen Namen Das Vaterland (die Jcsuitenblätter tragen alle patriotische Namen: Germania, Vaterland, Volksblatt, Reichszeitung n. s. w.) schrieb damals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/408>, abgerufen am 23.07.2024.