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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Römische Frühlingsbilder

durch neue, verwandte Eindrücke verstärkt. Die Unmittelbarkeit und Frische,
womit jeder Enipfängliche die tausendmal zuvor beschriebenen Herrlichkeiten
wieder durchlebt, schließe" auch die Verführung ein, die endlose Reihe römischer
Schilder""ge" durch neue zu vermehren, lind da der Genuß sich in dem Muße
steigert, wie man sich der ungeheuern Menge der Einzelheiten bewußt und ihrer
bis zu einem gewissen Punkte Herr wird, so läuft mau Gefahr, daß es auch
hier heiße: "Rom und kein Ende."

Aber in der überwältigenden Mannichfaltigkeit der Erscheinungen, der
tausendfältigen Zeugnisse einer gewaltigen, wechselvollen Geschichte überkommt
hie und da den Besucher Roms das Bedürfnis, ja die Sehnsucht, in einem
Symbol, einer lebendigen Anschauung die Fülle der Gesichte vereinfacht zu sehen.
Unablässig ist die Phantasie thätig; mer nnter den Trümmern des Palatin
umhergeht, in wachem Traume die Säulengänge lind Hallen der Kaiservaläste
wieder aufrichtet, der schmückt sie unwillkürlich mit Statuen, Büsten und Reliefs
aus den taufenden von Marmvrwerke", die er drüben, jenseits des Tiber, in
den vatikanischen Sammlungen sieht. Jeder auf seine Art -- das ist nicht
mehr als billig; ich habe mir die Zimmer im Hanse der Livia gelegentlich mit
der schonen Benusstatne aus der Sala a Croeegreea und dein vollendet an
mutigen schlafenden Ziegenhirten, dein Meisterwerke antiker Genreplastik, ans der
Sulu degli Animali, geschmückt, Werten, die wahrscheinlich gar nicht dagestanden
haben können. Dergleichen läßt sich nicht verbieten. Der Lust, die getrennten
nud zerstreuten Herrlichkeiten wieder zu vereinigen, wird ja an tausend Stellen
des ewigen Roms mächtig Vorschub geleistet: an und in vielen Kirchen, von
Maria Maggiore an bis zu den kleinen Pilgerkirchen vor den Thoren, tragen
die antike" Granit- oder Marmorsäule" die Gewölbe und Decke" späterer
christlicher Zeit, i" viele" Paläste" und Kirche" prange" die alte" Marmor-
bekleiduiige" der antike" Prachtbaute", von der Säule Trajans blickt die
Statue des Apostelfürsten herab; wer möchte die Aufzählung, die endlos werde"
würde, fortsetzen oder das alte Lied erneuern, daß die wilde" Barone des
Mittelalters ""d die große" Päpste der Renaissance wie der Gegenreformation
um die Wette das Rom des Altertums als unerschöpflichen Steinbruch und
gleich ""erschöpflicheS Vorratshaus von Kunstwerken behandelt haben? Ani
Ende ist jedermann froh, daß auf dem Wege der Neuschöpfung, der Umwandlung
noch so viel des Schönen und Mächtigen erhalten worden ist. Man möchte nnr
wünschen, daß sich für zahlreiche Bauten der antiken Stadt zur rechten Zeit
eine neue Verwendung im gauzeu ergebe" hätte, die die alte Herrlichkeit in
der Weise vor unsre Angen stellte, wie wir hente das Pantheon, das wunder-
barste Shmlwl der niehrtauseudjährigeu Geschichte Roms, erblicken.

An keiner andern Stelle Roms ist die ernste Mas"""g an die ganze
Schicksals- und wechselvolle Vergangenheit dieser Weltstadt so lebendig und so
mächtig, wie nnter den, einzig herrlichen KüPPelgewölbe des Pantheons, das


Römische Frühlingsbilder

durch neue, verwandte Eindrücke verstärkt. Die Unmittelbarkeit und Frische,
womit jeder Enipfängliche die tausendmal zuvor beschriebenen Herrlichkeiten
wieder durchlebt, schließe» auch die Verführung ein, die endlose Reihe römischer
Schilder»»ge» durch neue zu vermehren, lind da der Genuß sich in dem Muße
steigert, wie man sich der ungeheuern Menge der Einzelheiten bewußt und ihrer
bis zu einem gewissen Punkte Herr wird, so läuft mau Gefahr, daß es auch
hier heiße: „Rom und kein Ende."

Aber in der überwältigenden Mannichfaltigkeit der Erscheinungen, der
tausendfältigen Zeugnisse einer gewaltigen, wechselvollen Geschichte überkommt
hie und da den Besucher Roms das Bedürfnis, ja die Sehnsucht, in einem
Symbol, einer lebendigen Anschauung die Fülle der Gesichte vereinfacht zu sehen.
Unablässig ist die Phantasie thätig; mer nnter den Trümmern des Palatin
umhergeht, in wachem Traume die Säulengänge lind Hallen der Kaiservaläste
wieder aufrichtet, der schmückt sie unwillkürlich mit Statuen, Büsten und Reliefs
aus den taufenden von Marmvrwerke», die er drüben, jenseits des Tiber, in
den vatikanischen Sammlungen sieht. Jeder auf seine Art — das ist nicht
mehr als billig; ich habe mir die Zimmer im Hanse der Livia gelegentlich mit
der schonen Benusstatne aus der Sala a Croeegreea und dein vollendet an
mutigen schlafenden Ziegenhirten, dein Meisterwerke antiker Genreplastik, ans der
Sulu degli Animali, geschmückt, Werten, die wahrscheinlich gar nicht dagestanden
haben können. Dergleichen läßt sich nicht verbieten. Der Lust, die getrennten
nud zerstreuten Herrlichkeiten wieder zu vereinigen, wird ja an tausend Stellen
des ewigen Roms mächtig Vorschub geleistet: an und in vielen Kirchen, von
Maria Maggiore an bis zu den kleinen Pilgerkirchen vor den Thoren, tragen
die antike» Granit- oder Marmorsäule» die Gewölbe und Decke» späterer
christlicher Zeit, i» viele» Paläste» und Kirche» prange» die alte» Marmor-
bekleiduiige» der antike» Prachtbaute», von der Säule Trajans blickt die
Statue des Apostelfürsten herab; wer möchte die Aufzählung, die endlos werde»
würde, fortsetzen oder das alte Lied erneuern, daß die wilde» Barone des
Mittelalters »»d die große» Päpste der Renaissance wie der Gegenreformation
um die Wette das Rom des Altertums als unerschöpflichen Steinbruch und
gleich »»erschöpflicheS Vorratshaus von Kunstwerken behandelt haben? Ani
Ende ist jedermann froh, daß auf dem Wege der Neuschöpfung, der Umwandlung
noch so viel des Schönen und Mächtigen erhalten worden ist. Man möchte nnr
wünschen, daß sich für zahlreiche Bauten der antiken Stadt zur rechten Zeit
eine neue Verwendung im gauzeu ergebe» hätte, die die alte Herrlichkeit in
der Weise vor unsre Angen stellte, wie wir hente das Pantheon, das wunder-
barste Shmlwl der niehrtauseudjährigeu Geschichte Roms, erblicken.

An keiner andern Stelle Roms ist die ernste Mas»»»g an die ganze
Schicksals- und wechselvolle Vergangenheit dieser Weltstadt so lebendig und so
mächtig, wie nnter den, einzig herrlichen KüPPelgewölbe des Pantheons, das


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[0344] Römische Frühlingsbilder durch neue, verwandte Eindrücke verstärkt. Die Unmittelbarkeit und Frische, womit jeder Enipfängliche die tausendmal zuvor beschriebenen Herrlichkeiten wieder durchlebt, schließe» auch die Verführung ein, die endlose Reihe römischer Schilder»»ge» durch neue zu vermehren, lind da der Genuß sich in dem Muße steigert, wie man sich der ungeheuern Menge der Einzelheiten bewußt und ihrer bis zu einem gewissen Punkte Herr wird, so läuft mau Gefahr, daß es auch hier heiße: „Rom und kein Ende." Aber in der überwältigenden Mannichfaltigkeit der Erscheinungen, der tausendfältigen Zeugnisse einer gewaltigen, wechselvollen Geschichte überkommt hie und da den Besucher Roms das Bedürfnis, ja die Sehnsucht, in einem Symbol, einer lebendigen Anschauung die Fülle der Gesichte vereinfacht zu sehen. Unablässig ist die Phantasie thätig; mer nnter den Trümmern des Palatin umhergeht, in wachem Traume die Säulengänge lind Hallen der Kaiservaläste wieder aufrichtet, der schmückt sie unwillkürlich mit Statuen, Büsten und Reliefs aus den taufenden von Marmvrwerke», die er drüben, jenseits des Tiber, in den vatikanischen Sammlungen sieht. Jeder auf seine Art — das ist nicht mehr als billig; ich habe mir die Zimmer im Hanse der Livia gelegentlich mit der schonen Benusstatne aus der Sala a Croeegreea und dein vollendet an mutigen schlafenden Ziegenhirten, dein Meisterwerke antiker Genreplastik, ans der Sulu degli Animali, geschmückt, Werten, die wahrscheinlich gar nicht dagestanden haben können. Dergleichen läßt sich nicht verbieten. Der Lust, die getrennten nud zerstreuten Herrlichkeiten wieder zu vereinigen, wird ja an tausend Stellen des ewigen Roms mächtig Vorschub geleistet: an und in vielen Kirchen, von Maria Maggiore an bis zu den kleinen Pilgerkirchen vor den Thoren, tragen die antike» Granit- oder Marmorsäule» die Gewölbe und Decke» späterer christlicher Zeit, i» viele» Paläste» und Kirche» prange» die alte» Marmor- bekleiduiige» der antike» Prachtbaute», von der Säule Trajans blickt die Statue des Apostelfürsten herab; wer möchte die Aufzählung, die endlos werde» würde, fortsetzen oder das alte Lied erneuern, daß die wilde» Barone des Mittelalters »»d die große» Päpste der Renaissance wie der Gegenreformation um die Wette das Rom des Altertums als unerschöpflichen Steinbruch und gleich »»erschöpflicheS Vorratshaus von Kunstwerken behandelt haben? Ani Ende ist jedermann froh, daß auf dem Wege der Neuschöpfung, der Umwandlung noch so viel des Schönen und Mächtigen erhalten worden ist. Man möchte nnr wünschen, daß sich für zahlreiche Bauten der antiken Stadt zur rechten Zeit eine neue Verwendung im gauzeu ergebe» hätte, die die alte Herrlichkeit in der Weise vor unsre Angen stellte, wie wir hente das Pantheon, das wunder- barste Shmlwl der niehrtauseudjährigeu Geschichte Roms, erblicken. An keiner andern Stelle Roms ist die ernste Mas»»»g an die ganze Schicksals- und wechselvolle Vergangenheit dieser Weltstadt so lebendig und so mächtig, wie nnter den, einzig herrlichen KüPPelgewölbe des Pantheons, das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/344>, abgerufen am 23.07.2024.