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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Erhöhung der Vffiziersgehnlte

Offizierkorps bereits eine Beute des Luxus seien, als eine Schwarzseherei
zurückweisen, die in den Thatsachen keine Rechtfertigung findet. Er wird aber
auch gleichzeitig eine Antwort auf die dann entstehende Frage suchen müssen,
an welchen: Punkte denu die doch zweifellos vorhandenen Einzelschäden den
Charakter eines Gesamtschadens annehmen würden.

Ich meine, diese Grenze sei leicht zu bestimmen. Eine weichliche oder
auch nnr wirtschaftlich unhaltbare Lebensweise der einzelnen Offiziere wird zu
einem Übel des Standes, sobald sie in den Einzelnen, vollends sobald sie in
deren Mehrzahl das Übergewicht über Ehre und Pflicht und insbesondre über die
entgegenwirkende Anspannung des Dienstes erlaugt. Ein allgemeines Nach¬
lassen in der Erfüllung der Berufspflichten ist stets das untrügliche Zeichen
gewesen, daß der Verfall des betreffenden Verbandes zu befürchten sei. Nun
wissen wir wohl, daß Fülle vou Pflichtverletzung auch im deutsche" Offizier-
stande vorkommen. Wir wissen aber auch, mit welcher altpreußischen Strenge
sie geahndet werden, und sehen so lange als die maßgebenden Kreise an dieser
Strenge festhalten, keine Gefahr. Erst wenn Verstöße, die einen unzweifel¬
haften Gesinnungsmangel beweisen, nicht mehr die sofortige Ausstoßung des
Schuldigen aus dem Ofsizierstaude nach sich ziehen sollten, würden auch wir
den Anfang vom Ende gekommen glauben. Denn eine schonende Behandlung
solcher Fülle würde nur möglich werden, wenn in den Inhabern der ent¬
scheidenden Stellen das volle Bewußtsein ihrer Verantwortung zu schwinden
und die Empfindung für die auf dein Spiele stehenden Werte stumpf zu werden
begönne. Wenn wirklich noch einmal eine solche Zeit des Niederganges über
unser Heer und damit über unser Volk hereinbrechen sollte, so darf doch uns
hente lebende die Gewißheit trösten, daß sie nicht der Gegenwart gleichen
würde. Der Wind, der ans den obern Regionen des Heeres in die untern
hinabfegt, ist in unsern Tagen scharf genug, um ans hie und da aufsteigenden
Sumpfdünsten keine Wolken werden zu lassen. Und ich versehe mich keines
Widerspruches, wenn ich behaupte, daß die Energie, mit der gegenwärtig
der militärische Dienst in sämtlichen deutschen Truppenteilen gehandhabt wird,
hinter den Überlieferungen der besten Zeiten Preußens nicht zurückbleibe. Hat
doch dieselbe Wahrnehmung einen scharfsichtigen und sachkundigen Beobachter
-- Eduard vou Hartmann -- noch kürzlich zu der Behauptung veranlaßt, der
preußische Soldat mache jetzt in zwei Jahren etwa ebenso viele Dienststunden
durch, wie vor ein bis zwei Menschenaltern in drei Jahren; dabei seien
aber die Anforderungen im Dienste noch ungleich rascher gestiegen ("Die
zweijährige Dienstzeit" in Ur. 24 der Gegenwart). Dergleichen pflegte
bisher nicht gerade als Kennzeichen einer Periode des Verfalls betrachtet
zu werden.

Nur um so weitblickender aber erscheint bei solchem Stande der
Dinge der Entschluß des Herrschers, auf die Erhaltung und Steigerung


Zur Erhöhung der Vffiziersgehnlte

Offizierkorps bereits eine Beute des Luxus seien, als eine Schwarzseherei
zurückweisen, die in den Thatsachen keine Rechtfertigung findet. Er wird aber
auch gleichzeitig eine Antwort auf die dann entstehende Frage suchen müssen,
an welchen: Punkte denu die doch zweifellos vorhandenen Einzelschäden den
Charakter eines Gesamtschadens annehmen würden.

Ich meine, diese Grenze sei leicht zu bestimmen. Eine weichliche oder
auch nnr wirtschaftlich unhaltbare Lebensweise der einzelnen Offiziere wird zu
einem Übel des Standes, sobald sie in den Einzelnen, vollends sobald sie in
deren Mehrzahl das Übergewicht über Ehre und Pflicht und insbesondre über die
entgegenwirkende Anspannung des Dienstes erlaugt. Ein allgemeines Nach¬
lassen in der Erfüllung der Berufspflichten ist stets das untrügliche Zeichen
gewesen, daß der Verfall des betreffenden Verbandes zu befürchten sei. Nun
wissen wir wohl, daß Fülle vou Pflichtverletzung auch im deutsche» Offizier-
stande vorkommen. Wir wissen aber auch, mit welcher altpreußischen Strenge
sie geahndet werden, und sehen so lange als die maßgebenden Kreise an dieser
Strenge festhalten, keine Gefahr. Erst wenn Verstöße, die einen unzweifel¬
haften Gesinnungsmangel beweisen, nicht mehr die sofortige Ausstoßung des
Schuldigen aus dem Ofsizierstaude nach sich ziehen sollten, würden auch wir
den Anfang vom Ende gekommen glauben. Denn eine schonende Behandlung
solcher Fülle würde nur möglich werden, wenn in den Inhabern der ent¬
scheidenden Stellen das volle Bewußtsein ihrer Verantwortung zu schwinden
und die Empfindung für die auf dein Spiele stehenden Werte stumpf zu werden
begönne. Wenn wirklich noch einmal eine solche Zeit des Niederganges über
unser Heer und damit über unser Volk hereinbrechen sollte, so darf doch uns
hente lebende die Gewißheit trösten, daß sie nicht der Gegenwart gleichen
würde. Der Wind, der ans den obern Regionen des Heeres in die untern
hinabfegt, ist in unsern Tagen scharf genug, um ans hie und da aufsteigenden
Sumpfdünsten keine Wolken werden zu lassen. Und ich versehe mich keines
Widerspruches, wenn ich behaupte, daß die Energie, mit der gegenwärtig
der militärische Dienst in sämtlichen deutschen Truppenteilen gehandhabt wird,
hinter den Überlieferungen der besten Zeiten Preußens nicht zurückbleibe. Hat
doch dieselbe Wahrnehmung einen scharfsichtigen und sachkundigen Beobachter
— Eduard vou Hartmann — noch kürzlich zu der Behauptung veranlaßt, der
preußische Soldat mache jetzt in zwei Jahren etwa ebenso viele Dienststunden
durch, wie vor ein bis zwei Menschenaltern in drei Jahren; dabei seien
aber die Anforderungen im Dienste noch ungleich rascher gestiegen („Die
zweijährige Dienstzeit" in Ur. 24 der Gegenwart). Dergleichen pflegte
bisher nicht gerade als Kennzeichen einer Periode des Verfalls betrachtet
zu werden.

Nur um so weitblickender aber erscheint bei solchem Stande der
Dinge der Entschluß des Herrschers, auf die Erhaltung und Steigerung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/19>, abgerufen am 23.07.2024.