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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Zum Schlitze der ivahrheit in der Presse

Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung die geistige und sittliche Ent¬
wicklung unsers Volkes schädigen würde. Soll man vorschreiben, daß alle
Veröffentlichungen von dem Verfasser unterschrieben sein müssen? Eine solche
Maßregel, im Gedanken edel und schön, würde doch in der Durchführung die
Gefahr in sich bergen, das Strohmännertnm großzuziehen, mauches gute Wort
zurückhalten und die Sachlichkeit in der Behandlung öffentlicher Fragen mit¬
unter beeinträchtigen.

Vielleicht könnte man dadurch helfen, daß die Zulassung zum Beruf eines
Redakteurs von dem Nachweise der Befähigung abhängig gemacht werde.
Allein ein solcher Nachweis würde sich doch nur auf Kenntnisse, nicht auf den
Charakter erstrecken können.

Eine Lösung der Frage scheint mir nur dadurch möglich zu sein, daß
man die Wahrheit in der Presse unter strafrechtlichen Schutz stellt. Wie dies
nach meiner Meinung ausführbar ist, zeigt der nachfolgende Gesetzentwurf.

Z 1 Die Verbreitung unwahrer Thatsachen durch Druckschriften im Sinne des
L> 2 des Gesetzes über die Presse vom 7. Ma 1374 ist verboten.

Sie wird mit Geld bis zu 150 Mark bestraft. Ist die Geldstrafe nicht bei¬
zutreiben, so tritt an ihre Stelle eine entsprechende Haft bis zu sechs Wochen.

Ist die Verbreitung im guten Glauben und unter Anwendung pflichtmäßiger
Sorgfalt erfolgt, so ist der Angeschuldigte freizusprechen.'

Ist sie wider besseres Wissen erfolgt, so wird sie mit Geld bis zu ö00 Mark
oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.

Ist sie wider besseres Wissen und in gewinnsüchtiger Absicht erfolgt, so wird sie mit
Gefängnis bestraft, auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

In dem Urteil ist zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Berichtigung
der falschen Angabe erfolgen soll.

H 2 Ist die unwahre Angabe aus einer andern Druckschrift entnommen, so ist
die Strafbarkeit für die wiedergebende Druckschrift ausgeschlossen, wenn sie die erstere
genau bezeichnet und dabei bemerkt, das; sie für die Nichtigkeit der wiedergegebenen
Nachricht keine Gewähr übernehme.

§ 3 Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein.

Zur Stellung des Antrages ist jeder mündige, im Besitz der bürgerlichen
Ehrenrechte befindliche Angehörige des deutschen Reiches berechtigt.

Der Strafantrag ist bei derjenigen Staatsanwaltschaft zu stellen, in deren
Bezirk die für die Druckschrift verantwortliche Person (Z S) ihren Wohnsitz hat.

Der erste vorschriftsmäßig (Z 4) gestellte Strafantrag schließt alle spätem
gegen dieselbe Druckschrift in derselben Sache aus.

Der Strafantrag kann nur innerhalb dreier Monate nach der Verbreitung
gestellt werden.

Z 4 Der Antrag ans Strafverfolgung muß schriftlich eingereicht werden.
Die Eingabe muß enthalten:

1. die Bezeichnung der Angabe, wegen deren Strafantrag gestellt wird;
2. die Darstellung des wirklichen Thatbestandes;
3. die Bezeichnung der Beweismittel.

Grenzboten III 1890 68
Zum Schlitze der ivahrheit in der Presse

Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung die geistige und sittliche Ent¬
wicklung unsers Volkes schädigen würde. Soll man vorschreiben, daß alle
Veröffentlichungen von dem Verfasser unterschrieben sein müssen? Eine solche
Maßregel, im Gedanken edel und schön, würde doch in der Durchführung die
Gefahr in sich bergen, das Strohmännertnm großzuziehen, mauches gute Wort
zurückhalten und die Sachlichkeit in der Behandlung öffentlicher Fragen mit¬
unter beeinträchtigen.

Vielleicht könnte man dadurch helfen, daß die Zulassung zum Beruf eines
Redakteurs von dem Nachweise der Befähigung abhängig gemacht werde.
Allein ein solcher Nachweis würde sich doch nur auf Kenntnisse, nicht auf den
Charakter erstrecken können.

Eine Lösung der Frage scheint mir nur dadurch möglich zu sein, daß
man die Wahrheit in der Presse unter strafrechtlichen Schutz stellt. Wie dies
nach meiner Meinung ausführbar ist, zeigt der nachfolgende Gesetzentwurf.

Z 1 Die Verbreitung unwahrer Thatsachen durch Druckschriften im Sinne des
L> 2 des Gesetzes über die Presse vom 7. Ma 1374 ist verboten.

Sie wird mit Geld bis zu 150 Mark bestraft. Ist die Geldstrafe nicht bei¬
zutreiben, so tritt an ihre Stelle eine entsprechende Haft bis zu sechs Wochen.

Ist die Verbreitung im guten Glauben und unter Anwendung pflichtmäßiger
Sorgfalt erfolgt, so ist der Angeschuldigte freizusprechen.'

Ist sie wider besseres Wissen erfolgt, so wird sie mit Geld bis zu ö00 Mark
oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.

Ist sie wider besseres Wissen und in gewinnsüchtiger Absicht erfolgt, so wird sie mit
Gefängnis bestraft, auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

In dem Urteil ist zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Berichtigung
der falschen Angabe erfolgen soll.

H 2 Ist die unwahre Angabe aus einer andern Druckschrift entnommen, so ist
die Strafbarkeit für die wiedergebende Druckschrift ausgeschlossen, wenn sie die erstere
genau bezeichnet und dabei bemerkt, das; sie für die Nichtigkeit der wiedergegebenen
Nachricht keine Gewähr übernehme.

§ 3 Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein.

Zur Stellung des Antrages ist jeder mündige, im Besitz der bürgerlichen
Ehrenrechte befindliche Angehörige des deutschen Reiches berechtigt.

Der Strafantrag ist bei derjenigen Staatsanwaltschaft zu stellen, in deren
Bezirk die für die Druckschrift verantwortliche Person (Z S) ihren Wohnsitz hat.

Der erste vorschriftsmäßig (Z 4) gestellte Strafantrag schließt alle spätem
gegen dieselbe Druckschrift in derselben Sache aus.

Der Strafantrag kann nur innerhalb dreier Monate nach der Verbreitung
gestellt werden.

Z 4 Der Antrag ans Strafverfolgung muß schriftlich eingereicht werden.
Die Eingabe muß enthalten:

1. die Bezeichnung der Angabe, wegen deren Strafantrag gestellt wird;
2. die Darstellung des wirklichen Thatbestandes;
3. die Bezeichnung der Beweismittel.

Grenzboten III 1890 68
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[0545] Zum Schlitze der ivahrheit in der Presse Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung die geistige und sittliche Ent¬ wicklung unsers Volkes schädigen würde. Soll man vorschreiben, daß alle Veröffentlichungen von dem Verfasser unterschrieben sein müssen? Eine solche Maßregel, im Gedanken edel und schön, würde doch in der Durchführung die Gefahr in sich bergen, das Strohmännertnm großzuziehen, mauches gute Wort zurückhalten und die Sachlichkeit in der Behandlung öffentlicher Fragen mit¬ unter beeinträchtigen. Vielleicht könnte man dadurch helfen, daß die Zulassung zum Beruf eines Redakteurs von dem Nachweise der Befähigung abhängig gemacht werde. Allein ein solcher Nachweis würde sich doch nur auf Kenntnisse, nicht auf den Charakter erstrecken können. Eine Lösung der Frage scheint mir nur dadurch möglich zu sein, daß man die Wahrheit in der Presse unter strafrechtlichen Schutz stellt. Wie dies nach meiner Meinung ausführbar ist, zeigt der nachfolgende Gesetzentwurf. Z 1 Die Verbreitung unwahrer Thatsachen durch Druckschriften im Sinne des L> 2 des Gesetzes über die Presse vom 7. Ma 1374 ist verboten. Sie wird mit Geld bis zu 150 Mark bestraft. Ist die Geldstrafe nicht bei¬ zutreiben, so tritt an ihre Stelle eine entsprechende Haft bis zu sechs Wochen. Ist die Verbreitung im guten Glauben und unter Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt erfolgt, so ist der Angeschuldigte freizusprechen.' Ist sie wider besseres Wissen erfolgt, so wird sie mit Geld bis zu ö00 Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Ist sie wider besseres Wissen und in gewinnsüchtiger Absicht erfolgt, so wird sie mit Gefängnis bestraft, auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. In dem Urteil ist zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Berichtigung der falschen Angabe erfolgen soll. H 2 Ist die unwahre Angabe aus einer andern Druckschrift entnommen, so ist die Strafbarkeit für die wiedergebende Druckschrift ausgeschlossen, wenn sie die erstere genau bezeichnet und dabei bemerkt, das; sie für die Nichtigkeit der wiedergegebenen Nachricht keine Gewähr übernehme. § 3 Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Zur Stellung des Antrages ist jeder mündige, im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindliche Angehörige des deutschen Reiches berechtigt. Der Strafantrag ist bei derjenigen Staatsanwaltschaft zu stellen, in deren Bezirk die für die Druckschrift verantwortliche Person (Z S) ihren Wohnsitz hat. Der erste vorschriftsmäßig (Z 4) gestellte Strafantrag schließt alle spätem gegen dieselbe Druckschrift in derselben Sache aus. Der Strafantrag kann nur innerhalb dreier Monate nach der Verbreitung gestellt werden. Z 4 Der Antrag ans Strafverfolgung muß schriftlich eingereicht werden. Die Eingabe muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Angabe, wegen deren Strafantrag gestellt wird; 2. die Darstellung des wirklichen Thatbestandes; 3. die Bezeichnung der Beweismittel. Grenzboten III 1890 68

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/545>, abgerufen am 29.06.2024.