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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Eduard von Bciuernfeld

der ohne Weib und Kind, aber von tausend verhätschelnden Freunden und
Freundinnen umgeben, in körperlicher Rüstigkeit und in genußreichen sg.?vir
vivro Jahrzehnte lang Wiens und Österreichs, ja ganz Deutschlands Liebling
war, wohnt nichts Tragisches inne, so viel auch in den Zeitungen von
"tiefen, wühlenden Schmerzen" zu lese,? war. Ihm war es vergönnt, weit
über ein halbes Jahrhundert hindurch die Menschen fröhlich zu macheu, und
zum Entgelt dafür ist ihm auch sein Leben von allen Seiten versüßt worden,
zumal die zweite Hälfte, wo er als anerkannt erster deutscher Lustspieldichter
seinen Ruhm mit jedem Tage wachsei?, niemals sich verringern sah. Lebendiger,
rühriger, weniger empfindlich, freilich auch weniger tief als sein großer Lands¬
mann Grillparzer, zog er sich nie grollend zurück, wenn einmal, was auch
ihm geschah, ein neues Stück geringere Ehren einbrachte, sondern änderte und
feilte nu dem mißlungenen so lauge, bis es wieder auf der Bühne oder
wenigstens im Druck erscheinen konnte. Bald schlug dann wohl ein sicherer
Treffer um so besser durch.

Von seinem Leben ist wenig zu berichten. Im Jahre 1802 zu Wien
geboren, schlug er sich kümmerlich, aber vergnügt durch die Studienjahre und
seine ersten Anstellungen hindurch. Er wurde "Kvnzeptspraktikant," später
Konzipist und Direktor bei verschiedenen Ämtern, und als ihm, dem schon
berühmten Schriftsteller, der Aktenstaub und die Nörgeleien zu viel der frischen
Luft entzogen, da ließ er sich mit bescheidenem Gehalt in den Ruhestand
versetzen, um fortan als gemütlicher Junggeselle bald hier bald dort, doch
niemals weit von Wien, seiner fröhlichen Kunst und seinen Freunden zu leben.
In ihrer Mitte, gepflegt von der zärtlichen Sorgfalt einer seiner zahlreichen
Verehrerinnen, ist er auch am 8. August dieses Jahres an den Folgen einer
Erkältung, eigentlich aber doch nur an seinen achtundachtzig Jahren schmerzlos
verschieden. Die Kaiserstadt hat ihrem Sohne ein glänzendes Begräbnis zu
Teil werden lassen.

Bauernfeld hat Schauspiele, Lustspiele, Novellen, einen Roman und viele
lyrische Gedichte, daneben auch memoirenartige Aufzeichnungen und zahlreiche
in die Tagesfragen eingreifende Aufsätze geschrieben. Gewöhnlich pflegt man
alles, was nicht zu feiner Bühneuthütigkeit gehört, in vornehmer Weise mit
der Bemerkung abzuthun, daß es neben seinen Lustspielen keine Bedeutung
habe. Auch mir fällt es nicht ein, für seine Novellen, sür seinen Roman
"Die Freigelassenen, eine Bildungsgeschichte aus Österreich" eine Trutzlanze
zu brechen, obwohl sich besonders dem letztern glückliche Charakteristik und
eine sichere, unbefangene Erfassung der Zeitverhältnisse nachrühmen lassen;
aber es verrät nur gedankenlose Bequemlichkeit, wenn der Lyriker Bauernfeld
in den Litteraturgeschichten so wenig Beachtung findet. Das sangbare Lied ist
ihm freilich versagt geblieben, Gedankenfülle, Schwermut, soutimvotK u. tgi.
hatte er sich vielleicht nur angekünstelt, dafür aber sprudeln die Kobolde des


Eduard von Bciuernfeld

der ohne Weib und Kind, aber von tausend verhätschelnden Freunden und
Freundinnen umgeben, in körperlicher Rüstigkeit und in genußreichen sg.?vir
vivro Jahrzehnte lang Wiens und Österreichs, ja ganz Deutschlands Liebling
war, wohnt nichts Tragisches inne, so viel auch in den Zeitungen von
„tiefen, wühlenden Schmerzen" zu lese,? war. Ihm war es vergönnt, weit
über ein halbes Jahrhundert hindurch die Menschen fröhlich zu macheu, und
zum Entgelt dafür ist ihm auch sein Leben von allen Seiten versüßt worden,
zumal die zweite Hälfte, wo er als anerkannt erster deutscher Lustspieldichter
seinen Ruhm mit jedem Tage wachsei?, niemals sich verringern sah. Lebendiger,
rühriger, weniger empfindlich, freilich auch weniger tief als sein großer Lands¬
mann Grillparzer, zog er sich nie grollend zurück, wenn einmal, was auch
ihm geschah, ein neues Stück geringere Ehren einbrachte, sondern änderte und
feilte nu dem mißlungenen so lauge, bis es wieder auf der Bühne oder
wenigstens im Druck erscheinen konnte. Bald schlug dann wohl ein sicherer
Treffer um so besser durch.

Von seinem Leben ist wenig zu berichten. Im Jahre 1802 zu Wien
geboren, schlug er sich kümmerlich, aber vergnügt durch die Studienjahre und
seine ersten Anstellungen hindurch. Er wurde „Kvnzeptspraktikant," später
Konzipist und Direktor bei verschiedenen Ämtern, und als ihm, dem schon
berühmten Schriftsteller, der Aktenstaub und die Nörgeleien zu viel der frischen
Luft entzogen, da ließ er sich mit bescheidenem Gehalt in den Ruhestand
versetzen, um fortan als gemütlicher Junggeselle bald hier bald dort, doch
niemals weit von Wien, seiner fröhlichen Kunst und seinen Freunden zu leben.
In ihrer Mitte, gepflegt von der zärtlichen Sorgfalt einer seiner zahlreichen
Verehrerinnen, ist er auch am 8. August dieses Jahres an den Folgen einer
Erkältung, eigentlich aber doch nur an seinen achtundachtzig Jahren schmerzlos
verschieden. Die Kaiserstadt hat ihrem Sohne ein glänzendes Begräbnis zu
Teil werden lassen.

Bauernfeld hat Schauspiele, Lustspiele, Novellen, einen Roman und viele
lyrische Gedichte, daneben auch memoirenartige Aufzeichnungen und zahlreiche
in die Tagesfragen eingreifende Aufsätze geschrieben. Gewöhnlich pflegt man
alles, was nicht zu feiner Bühneuthütigkeit gehört, in vornehmer Weise mit
der Bemerkung abzuthun, daß es neben seinen Lustspielen keine Bedeutung
habe. Auch mir fällt es nicht ein, für seine Novellen, sür seinen Roman
„Die Freigelassenen, eine Bildungsgeschichte aus Österreich" eine Trutzlanze
zu brechen, obwohl sich besonders dem letztern glückliche Charakteristik und
eine sichere, unbefangene Erfassung der Zeitverhältnisse nachrühmen lassen;
aber es verrät nur gedankenlose Bequemlichkeit, wenn der Lyriker Bauernfeld
in den Litteraturgeschichten so wenig Beachtung findet. Das sangbare Lied ist
ihm freilich versagt geblieben, Gedankenfülle, Schwermut, soutimvotK u. tgi.
hatte er sich vielleicht nur angekünstelt, dafür aber sprudeln die Kobolde des


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[0462] Eduard von Bciuernfeld der ohne Weib und Kind, aber von tausend verhätschelnden Freunden und Freundinnen umgeben, in körperlicher Rüstigkeit und in genußreichen sg.?vir vivro Jahrzehnte lang Wiens und Österreichs, ja ganz Deutschlands Liebling war, wohnt nichts Tragisches inne, so viel auch in den Zeitungen von „tiefen, wühlenden Schmerzen" zu lese,? war. Ihm war es vergönnt, weit über ein halbes Jahrhundert hindurch die Menschen fröhlich zu macheu, und zum Entgelt dafür ist ihm auch sein Leben von allen Seiten versüßt worden, zumal die zweite Hälfte, wo er als anerkannt erster deutscher Lustspieldichter seinen Ruhm mit jedem Tage wachsei?, niemals sich verringern sah. Lebendiger, rühriger, weniger empfindlich, freilich auch weniger tief als sein großer Lands¬ mann Grillparzer, zog er sich nie grollend zurück, wenn einmal, was auch ihm geschah, ein neues Stück geringere Ehren einbrachte, sondern änderte und feilte nu dem mißlungenen so lauge, bis es wieder auf der Bühne oder wenigstens im Druck erscheinen konnte. Bald schlug dann wohl ein sicherer Treffer um so besser durch. Von seinem Leben ist wenig zu berichten. Im Jahre 1802 zu Wien geboren, schlug er sich kümmerlich, aber vergnügt durch die Studienjahre und seine ersten Anstellungen hindurch. Er wurde „Kvnzeptspraktikant," später Konzipist und Direktor bei verschiedenen Ämtern, und als ihm, dem schon berühmten Schriftsteller, der Aktenstaub und die Nörgeleien zu viel der frischen Luft entzogen, da ließ er sich mit bescheidenem Gehalt in den Ruhestand versetzen, um fortan als gemütlicher Junggeselle bald hier bald dort, doch niemals weit von Wien, seiner fröhlichen Kunst und seinen Freunden zu leben. In ihrer Mitte, gepflegt von der zärtlichen Sorgfalt einer seiner zahlreichen Verehrerinnen, ist er auch am 8. August dieses Jahres an den Folgen einer Erkältung, eigentlich aber doch nur an seinen achtundachtzig Jahren schmerzlos verschieden. Die Kaiserstadt hat ihrem Sohne ein glänzendes Begräbnis zu Teil werden lassen. Bauernfeld hat Schauspiele, Lustspiele, Novellen, einen Roman und viele lyrische Gedichte, daneben auch memoirenartige Aufzeichnungen und zahlreiche in die Tagesfragen eingreifende Aufsätze geschrieben. Gewöhnlich pflegt man alles, was nicht zu feiner Bühneuthütigkeit gehört, in vornehmer Weise mit der Bemerkung abzuthun, daß es neben seinen Lustspielen keine Bedeutung habe. Auch mir fällt es nicht ein, für seine Novellen, sür seinen Roman „Die Freigelassenen, eine Bildungsgeschichte aus Österreich" eine Trutzlanze zu brechen, obwohl sich besonders dem letztern glückliche Charakteristik und eine sichere, unbefangene Erfassung der Zeitverhältnisse nachrühmen lassen; aber es verrät nur gedankenlose Bequemlichkeit, wenn der Lyriker Bauernfeld in den Litteraturgeschichten so wenig Beachtung findet. Das sangbare Lied ist ihm freilich versagt geblieben, Gedankenfülle, Schwermut, soutimvotK u. tgi. hatte er sich vielleicht nur angekünstelt, dafür aber sprudeln die Kobolde des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/462>, abgerufen am 29.06.2024.