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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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I^pg, NktÄNS

pfeifen rauchen durften, die er natürlich selbst lieferte, ja einmal machte er es
möglich, durch einen Bekannten, der in dem grönländischen Handelsdepartement
angestellt war, seine Freunde mit eingekochtem Walroßfleisch und Eisbär-
koteletteu zu traktiren, merkwürdigerweise ohne zu verlangen, daß wir Thrmi
dazu trinken sollten. Eines Abends war ein kleiner verwelkter Philosoph, der
Imsen hieß, zugegen und hielt einen ziemlich langen und ganz unmorivirten
Vortrug über die l<Z8lion,g,s, die über einem griechischen Symposion ausgebreitet
gewesen sein müsse, wo die Teilnehmer mit Epheukränzen um das lockige Haar
deu edeln Sast der Tranben und geistreiche Gespräche genossen hätten, und
wo die Grenze der Schönheit niemals überschritten worden sei.

Aber wir, sagte Imsen, wir sind aller Schönheit bar!

In wir sind es! Wir sitzen und trinken prosaisches Vier oder fusligen
Portwein, und wollen wir uns zu etwas Höherem, Idealerem aufschwingen, so
können wir das nur erreichen, indem wir uns in die Schriften der Alten ver¬
tiefen. Ich z. B., ich habe ausschließlich meine schöne humane Lebensanschaung
der Bekanntschaft der Alten zu verdanken.

Blau, der nie eine Gelegenheit versäumte, seine Theorie anzubringen und
zu entwickeln, daß man die Schönheit nur in der Welt der Wirklichkeit suchen
dürfe, und nicht in toten Büchern, erklärte sogleich, daß, wenn es wirklich so
schön gewesen sei, ein Symposion zu halten, wie Imsen behaupte, so solle mau
dies halten, anstatt dazusitzen und drüber zu lesen oder zu schwadroniren,
und im Handumdrehen sandte er nach einem echten griechischen Wein -- Mcmro-
daphue -- ließ Kränze von den eignen Epheustöcken binden, die wir auf¬
setzen mußten, wir mochten wollen oder nicht, und nun begann das Symposion,
von dem ich übrigens einen stärkern Eindruck des guten Weines als des geist¬
reichen Gespräches behielt. Der kleine Imsen geriet in einen sehr bedenklichen
Zustand, sodaß er, als wir andern gingen, auf das Sofa gelegt werden mußte;
aber Blau lachte gutmütig, und indem er den Schlummernden ansah, dessen
Gesichtsfarbe einem klassischen Marmorantlitz ähnelte, sagte er zu uns andern:
Ich finde gerade nicht, daß über dem kleinen Imsen jetzt, nachdem er bei
einem Symposion gewesen ist, mehr Schönheit ruhe als sonst! Was
meint Ihr?

Ein andresmal kam das Gespräch auf Reisen ins Ausland, und als einer
"der der andre sich in hohen Tönen erging, wie herrlich es doch sein müsse,
reisen zu können, so war das für Otus Blan mehr als genug, um zu erklären,
daß alles an deu ausländischen Reisen Einbildung sei: Man kann ja genau
dasselbe Vergnügen haben, wenn man zu Hause bleibt und doch reist! behauptete
er. Wieso?' rief der ganze Chor. Nun, ich lade euch alle zusammen ein
-- wir waren vier bis fünf Mann --, außer Landes morgen früh mit mir zu
reifem Wir treffen uns auf der Valbystation, und dann spielen wir "Fremde
in Kopenhagen." Wir bilden uns ein, daß Nur Ausländer wären, gehen ans


I^pg, NktÄNS

pfeifen rauchen durften, die er natürlich selbst lieferte, ja einmal machte er es
möglich, durch einen Bekannten, der in dem grönländischen Handelsdepartement
angestellt war, seine Freunde mit eingekochtem Walroßfleisch und Eisbär-
koteletteu zu traktiren, merkwürdigerweise ohne zu verlangen, daß wir Thrmi
dazu trinken sollten. Eines Abends war ein kleiner verwelkter Philosoph, der
Imsen hieß, zugegen und hielt einen ziemlich langen und ganz unmorivirten
Vortrug über die l<Z8lion,g,s, die über einem griechischen Symposion ausgebreitet
gewesen sein müsse, wo die Teilnehmer mit Epheukränzen um das lockige Haar
deu edeln Sast der Tranben und geistreiche Gespräche genossen hätten, und
wo die Grenze der Schönheit niemals überschritten worden sei.

Aber wir, sagte Imsen, wir sind aller Schönheit bar!

In wir sind es! Wir sitzen und trinken prosaisches Vier oder fusligen
Portwein, und wollen wir uns zu etwas Höherem, Idealerem aufschwingen, so
können wir das nur erreichen, indem wir uns in die Schriften der Alten ver¬
tiefen. Ich z. B., ich habe ausschließlich meine schöne humane Lebensanschaung
der Bekanntschaft der Alten zu verdanken.

Blau, der nie eine Gelegenheit versäumte, seine Theorie anzubringen und
zu entwickeln, daß man die Schönheit nur in der Welt der Wirklichkeit suchen
dürfe, und nicht in toten Büchern, erklärte sogleich, daß, wenn es wirklich so
schön gewesen sei, ein Symposion zu halten, wie Imsen behaupte, so solle mau
dies halten, anstatt dazusitzen und drüber zu lesen oder zu schwadroniren,
und im Handumdrehen sandte er nach einem echten griechischen Wein — Mcmro-
daphue — ließ Kränze von den eignen Epheustöcken binden, die wir auf¬
setzen mußten, wir mochten wollen oder nicht, und nun begann das Symposion,
von dem ich übrigens einen stärkern Eindruck des guten Weines als des geist¬
reichen Gespräches behielt. Der kleine Imsen geriet in einen sehr bedenklichen
Zustand, sodaß er, als wir andern gingen, auf das Sofa gelegt werden mußte;
aber Blau lachte gutmütig, und indem er den Schlummernden ansah, dessen
Gesichtsfarbe einem klassischen Marmorantlitz ähnelte, sagte er zu uns andern:
Ich finde gerade nicht, daß über dem kleinen Imsen jetzt, nachdem er bei
einem Symposion gewesen ist, mehr Schönheit ruhe als sonst! Was
meint Ihr?

Ein andresmal kam das Gespräch auf Reisen ins Ausland, und als einer
»der der andre sich in hohen Tönen erging, wie herrlich es doch sein müsse,
reisen zu können, so war das für Otus Blan mehr als genug, um zu erklären,
daß alles an deu ausländischen Reisen Einbildung sei: Man kann ja genau
dasselbe Vergnügen haben, wenn man zu Hause bleibt und doch reist! behauptete
er. Wieso?' rief der ganze Chor. Nun, ich lade euch alle zusammen ein
— wir waren vier bis fünf Mann —, außer Landes morgen früh mit mir zu
reifem Wir treffen uns auf der Valbystation, und dann spielen wir „Fremde
in Kopenhagen." Wir bilden uns ein, daß Nur Ausländer wären, gehen ans


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/291>, abgerufen am 26.06.2024.