Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Neue Gpik fleißig studiren. Wir freilich sind der Meinung, daß eine Sammlung von Nachdem er als Minnesänger und Schelm und Jäger mit Asi! und Neue Gpik fleißig studiren. Wir freilich sind der Meinung, daß eine Sammlung von Nachdem er als Minnesänger und Schelm und Jäger mit Asi! und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207958"/> <fw type="header" place="top"> Neue Gpik</fw><lb/> <p xml:id="ID_27" prev="#ID_26"> fleißig studiren. Wir freilich sind der Meinung, daß eine Sammlung von<lb/> Nachahmungen alter Kunstwerke nieder ein Museum noch ein Künstleratelier<lb/> sei, sondern nnr eine Antiguitätenhnndlung für die uneingeweihte Menge, die<lb/> die Mode der reichen Kenner nud Kunstliebhaber mitmachen will, ihre Zimmer<lb/> mit alten Werken zu zieren. Ohne Bild gesprochen: wir sind der Meinung,<lb/> daß der rechte Dichter nicht fremde Töne, und wären sie noch so sehr durch<lb/> die nationale Pietät geweiht, nachahmen dürfe; wer ein richtiger Sauger ist,<lb/> der muß sich, alle» toten und lebenden Sängern zum Trotz, seine eigne Weise<lb/> schaffen können. Aber Wolfs wird uns vermutlich auf den Gesamtgeist unsrer<lb/> Zeit verweisen, wie er z. B. auch in der Baukunst zu Tage tritt; auch unsre<lb/> Baukünstler stellen je »ach Belieben Gebäude in griechischem oder gothischem<lb/> oder schweizerischem Stile hin und uussen doch das Innere dieser Gebäude<lb/> ganz wohnlich zu machen nud alle bequemen Nebenräume anzubringen. Wenn<lb/> die Baukünstler eines originellen Stiles entbehren können, warum nicht auch<lb/> der Dichter, der Sprachkünstler? Diese haben es sogar viel leichter als die<lb/> Baumeister, die alten Stile ihrer Kunst nachzuahmen, denn die alte Litteratur<lb/> bietet eine noch größere Mannichfaltigkeit von stilistischen Formen, der Dichter<lb/> hat also eine größere Auswahl und kaun die Maskerade noch lustiger machen.<lb/> Ja, wenn die .Kunst eine Maskerade wäre, dann hätte Wolfs allerdings sehr<lb/> Recht. Wir meinen aber, daß es für den 'Künstler gar nichts Ernsteres gebe,<lb/> als sich seinen eignen Stil zu schaffen und zu bewahren, daß dieser Stil seinem<lb/> innersten Charakter angemessen sein müsse, daß er für jeden Künstler zugleich<lb/> etwas so keusches an sich haben müsse, daß der Künstler selbst ihn nicht einmal<lb/> viel beobachten darf, ohne ihm seine Reinheit, seine „Naivität" zu rauben und<lb/> durch Selbstbespiegelung zur Manier zu verzerren. Dein echten Dichter liegt<lb/> nichts ferner, als sich in großen Werken fremden Stils zu bedienen, ja nichts<lb/> ist ihm unangenehmer, als solche Nachahmung. Damit stehen wir freilich auf<lb/> einem der Meinung Wolffs schnurstracks entgegengesetzten Standpunkte.</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Nachdem er als Minnesänger und Schelm und Jäger mit Asi! und<lb/> Halali! eiuhergegnngen war, hat es ihm diesmal gefallen, in Koller und Kanonen,<lb/> in sausendem Galopp, den Degen gesenkt, eiuherzureiteu: Maskerade natürlich,<lb/> nnr daß sie ihm diesmal doch nicht so gut wie sonst steht. Wolff hat sich<lb/> eingelesen in die Soldaten- und Landsknechtslieder aus dem siebzehnten Jahr¬<lb/> hundert; er spricht so recht zum Tort für die Fremdwörterjäger das verwelschte<lb/> Deutsch, die schwülstige Militärsprache jener Zeit, und man muß sagen, „ganz<lb/> famos." Besonders hübsch macht sich das am Anfange des Buches. Das ist<lb/> aber auch das Beste, ja das einzig Gute, was man seinem „Reiterliede" nach¬<lb/> sagen kann. Man kann sagen: Julius Wolff hat eine Parodie auf sich selbst<lb/> geschrieben, indem er seiner Mustersammlung deutscher Stilnrten auch noch deu<lb/> Stil des Soldatenliedes angereiht hat. Durch die «ansehende Meisterschaft<lb/> dieser Nachahmung hat er seiner ganzen Kunstrichtung die Krone aufgesetzt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
Neue Gpik
fleißig studiren. Wir freilich sind der Meinung, daß eine Sammlung von
Nachahmungen alter Kunstwerke nieder ein Museum noch ein Künstleratelier
sei, sondern nnr eine Antiguitätenhnndlung für die uneingeweihte Menge, die
die Mode der reichen Kenner nud Kunstliebhaber mitmachen will, ihre Zimmer
mit alten Werken zu zieren. Ohne Bild gesprochen: wir sind der Meinung,
daß der rechte Dichter nicht fremde Töne, und wären sie noch so sehr durch
die nationale Pietät geweiht, nachahmen dürfe; wer ein richtiger Sauger ist,
der muß sich, alle» toten und lebenden Sängern zum Trotz, seine eigne Weise
schaffen können. Aber Wolfs wird uns vermutlich auf den Gesamtgeist unsrer
Zeit verweisen, wie er z. B. auch in der Baukunst zu Tage tritt; auch unsre
Baukünstler stellen je »ach Belieben Gebäude in griechischem oder gothischem
oder schweizerischem Stile hin und uussen doch das Innere dieser Gebäude
ganz wohnlich zu machen nud alle bequemen Nebenräume anzubringen. Wenn
die Baukünstler eines originellen Stiles entbehren können, warum nicht auch
der Dichter, der Sprachkünstler? Diese haben es sogar viel leichter als die
Baumeister, die alten Stile ihrer Kunst nachzuahmen, denn die alte Litteratur
bietet eine noch größere Mannichfaltigkeit von stilistischen Formen, der Dichter
hat also eine größere Auswahl und kaun die Maskerade noch lustiger machen.
Ja, wenn die .Kunst eine Maskerade wäre, dann hätte Wolfs allerdings sehr
Recht. Wir meinen aber, daß es für den 'Künstler gar nichts Ernsteres gebe,
als sich seinen eignen Stil zu schaffen und zu bewahren, daß dieser Stil seinem
innersten Charakter angemessen sein müsse, daß er für jeden Künstler zugleich
etwas so keusches an sich haben müsse, daß der Künstler selbst ihn nicht einmal
viel beobachten darf, ohne ihm seine Reinheit, seine „Naivität" zu rauben und
durch Selbstbespiegelung zur Manier zu verzerren. Dein echten Dichter liegt
nichts ferner, als sich in großen Werken fremden Stils zu bedienen, ja nichts
ist ihm unangenehmer, als solche Nachahmung. Damit stehen wir freilich auf
einem der Meinung Wolffs schnurstracks entgegengesetzten Standpunkte.
Nachdem er als Minnesänger und Schelm und Jäger mit Asi! und
Halali! eiuhergegnngen war, hat es ihm diesmal gefallen, in Koller und Kanonen,
in sausendem Galopp, den Degen gesenkt, eiuherzureiteu: Maskerade natürlich,
nnr daß sie ihm diesmal doch nicht so gut wie sonst steht. Wolff hat sich
eingelesen in die Soldaten- und Landsknechtslieder aus dem siebzehnten Jahr¬
hundert; er spricht so recht zum Tort für die Fremdwörterjäger das verwelschte
Deutsch, die schwülstige Militärsprache jener Zeit, und man muß sagen, „ganz
famos." Besonders hübsch macht sich das am Anfange des Buches. Das ist
aber auch das Beste, ja das einzig Gute, was man seinem „Reiterliede" nach¬
sagen kann. Man kann sagen: Julius Wolff hat eine Parodie auf sich selbst
geschrieben, indem er seiner Mustersammlung deutscher Stilnrten auch noch deu
Stil des Soldatenliedes angereiht hat. Durch die «ansehende Meisterschaft
dieser Nachahmung hat er seiner ganzen Kunstrichtung die Krone aufgesetzt,
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