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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische Frühliiigsbilder

gestoßen und stimmt in das Klagelied von der Vernichtung Roms ein. Aber
die Römer haben besseres Vertrauen ans die unverwüstliche, aus allen Wand¬
lungen immer wieder aufleuchtende Herrlichkeit ihrer ewigen Stadt, und in der
That, was wäre eine Ewigkeit, selbst in der kurzsichtig menschlichen Bedeutung
des Wortes, die durch zwei Jahrzehnte uoch so barbarischer und rücksichtsloser
Geschäftigkeit gefährdet werden könnte! So folgten den Stimmen, die kräftig
ihr Mißfallen an Neurvm ausdrückten, einige andre, die für eine hoffnungs¬
reichere Betrachtung wenigstens einzelner Schöpfungen nud Bauten der letzten
Jahre eintraten.

Wem es nur vergönnt war, ein paar genußreiche Monate in der Stadt
der Städte zu verleben, der sollte in diesem Streite nicht mitreden, wenigstens
kein entscheidendes Wort sprechen wollen. Nur den Eindruck, dessen er froh
geworden ist, darf er schildern. Und indem ich die wechselnde" Stunden eines
römischen Frühlings in der Erinnerung Vorübergleiten lasse, heben sich mit
lichtem Schimmer die Morgen und Abende hervor, die uns auf der Höhe und
in den Laubgängen der Passegiata Margherita, der schönsten Anlage des neuen
Roms, zu Teil wurden. Im Sonnenschein oder im Abendglmize liegt das einzige,
wundervolle Städtebild zu Füßen des Glücklichen, der vom alten Janiculus
über Trastevere und den Tiber, über Dächer und Kuppeln, über Paläste und
Kirchen, Gärten und Rinnen, alte Stadtmauern und neue Festungswerke weit
in die bergumkränzte römische Landschaft hinausschaut. Die ewige Stadt er¬
freut sich einer langen Reihe vielgepriesener Umschau- und Übersichten"kee,
und weder dem Monte Pincio, noch dein Monte Mario, noch dein antiken
begrünten Scherbeuhügel (Monte Tcstaceio) bei der Porta San Paolo, noch
auch der unvergleichlichen Kuppel von Sankt Peter soll ihr gutes Recht ab¬
gesprochen werden. Aber die zauberhafte Passegiata Margherita mit ihrem
reichen Bilde, das sich auf dein Gange über die Prachtstraße allmählich ver¬
schiebt und doch immer gleich fesselnd bleibt, läßt sie alle weit hinter sich.
Die baumbepflanzte Straße über den Hügelrücken von Süd nach Nord, von
San Pietro in Montorio bis hinab zur Porta San Spirito und dem großen
Petersplatze, gehört ohne Frage zu den schönsten Spaziergängen der Welt, bei
jedem Schritt wird der Fuß gefesselt, weil die Augen schwelgen wollen, und
die wundersame Stimmung, die den Menschen bei dem Anblick gegenwärtiger und
der Erinnerung an vergangne Herrlichkeit überschleicht, wird in jedem Augen¬
blick angeregt und gesteigert. Die tiefste, beglückeudste Einsamkeit, hoch über
dem geschäftig bunten Treiben der Stadt, kommt der Dauer solcher Stimmung
zu gute. Denn so schön und anziehend die neue ans dieser Höhe geschaffene
Promenade ist, sie liegt viel zu weit vou den Mittelpunkten des römischen
Lebens ab, sie bedeutet viel zu wenig für den Verkehr, um stark belebt oder
auch nur viel besucht zu sein. Selbst die zur Zeit geltende Gewohnheit, an zwei
Nachmittagen deu nahe gelegenen Prachtgärten der Villa Doria-Pamfili zur


Römische Frühliiigsbilder

gestoßen und stimmt in das Klagelied von der Vernichtung Roms ein. Aber
die Römer haben besseres Vertrauen ans die unverwüstliche, aus allen Wand¬
lungen immer wieder aufleuchtende Herrlichkeit ihrer ewigen Stadt, und in der
That, was wäre eine Ewigkeit, selbst in der kurzsichtig menschlichen Bedeutung
des Wortes, die durch zwei Jahrzehnte uoch so barbarischer und rücksichtsloser
Geschäftigkeit gefährdet werden könnte! So folgten den Stimmen, die kräftig
ihr Mißfallen an Neurvm ausdrückten, einige andre, die für eine hoffnungs¬
reichere Betrachtung wenigstens einzelner Schöpfungen nud Bauten der letzten
Jahre eintraten.

Wem es nur vergönnt war, ein paar genußreiche Monate in der Stadt
der Städte zu verleben, der sollte in diesem Streite nicht mitreden, wenigstens
kein entscheidendes Wort sprechen wollen. Nur den Eindruck, dessen er froh
geworden ist, darf er schildern. Und indem ich die wechselnde» Stunden eines
römischen Frühlings in der Erinnerung Vorübergleiten lasse, heben sich mit
lichtem Schimmer die Morgen und Abende hervor, die uns auf der Höhe und
in den Laubgängen der Passegiata Margherita, der schönsten Anlage des neuen
Roms, zu Teil wurden. Im Sonnenschein oder im Abendglmize liegt das einzige,
wundervolle Städtebild zu Füßen des Glücklichen, der vom alten Janiculus
über Trastevere und den Tiber, über Dächer und Kuppeln, über Paläste und
Kirchen, Gärten und Rinnen, alte Stadtmauern und neue Festungswerke weit
in die bergumkränzte römische Landschaft hinausschaut. Die ewige Stadt er¬
freut sich einer langen Reihe vielgepriesener Umschau- und Übersichten»kee,
und weder dem Monte Pincio, noch dein Monte Mario, noch dein antiken
begrünten Scherbeuhügel (Monte Tcstaceio) bei der Porta San Paolo, noch
auch der unvergleichlichen Kuppel von Sankt Peter soll ihr gutes Recht ab¬
gesprochen werden. Aber die zauberhafte Passegiata Margherita mit ihrem
reichen Bilde, das sich auf dein Gange über die Prachtstraße allmählich ver¬
schiebt und doch immer gleich fesselnd bleibt, läßt sie alle weit hinter sich.
Die baumbepflanzte Straße über den Hügelrücken von Süd nach Nord, von
San Pietro in Montorio bis hinab zur Porta San Spirito und dem großen
Petersplatze, gehört ohne Frage zu den schönsten Spaziergängen der Welt, bei
jedem Schritt wird der Fuß gefesselt, weil die Augen schwelgen wollen, und
die wundersame Stimmung, die den Menschen bei dem Anblick gegenwärtiger und
der Erinnerung an vergangne Herrlichkeit überschleicht, wird in jedem Augen¬
blick angeregt und gesteigert. Die tiefste, beglückeudste Einsamkeit, hoch über
dem geschäftig bunten Treiben der Stadt, kommt der Dauer solcher Stimmung
zu gute. Denn so schön und anziehend die neue ans dieser Höhe geschaffene
Promenade ist, sie liegt viel zu weit vou den Mittelpunkten des römischen
Lebens ab, sie bedeutet viel zu wenig für den Verkehr, um stark belebt oder
auch nur viel besucht zu sein. Selbst die zur Zeit geltende Gewohnheit, an zwei
Nachmittagen deu nahe gelegenen Prachtgärten der Villa Doria-Pamfili zur


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[0176] Römische Frühliiigsbilder gestoßen und stimmt in das Klagelied von der Vernichtung Roms ein. Aber die Römer haben besseres Vertrauen ans die unverwüstliche, aus allen Wand¬ lungen immer wieder aufleuchtende Herrlichkeit ihrer ewigen Stadt, und in der That, was wäre eine Ewigkeit, selbst in der kurzsichtig menschlichen Bedeutung des Wortes, die durch zwei Jahrzehnte uoch so barbarischer und rücksichtsloser Geschäftigkeit gefährdet werden könnte! So folgten den Stimmen, die kräftig ihr Mißfallen an Neurvm ausdrückten, einige andre, die für eine hoffnungs¬ reichere Betrachtung wenigstens einzelner Schöpfungen nud Bauten der letzten Jahre eintraten. Wem es nur vergönnt war, ein paar genußreiche Monate in der Stadt der Städte zu verleben, der sollte in diesem Streite nicht mitreden, wenigstens kein entscheidendes Wort sprechen wollen. Nur den Eindruck, dessen er froh geworden ist, darf er schildern. Und indem ich die wechselnde» Stunden eines römischen Frühlings in der Erinnerung Vorübergleiten lasse, heben sich mit lichtem Schimmer die Morgen und Abende hervor, die uns auf der Höhe und in den Laubgängen der Passegiata Margherita, der schönsten Anlage des neuen Roms, zu Teil wurden. Im Sonnenschein oder im Abendglmize liegt das einzige, wundervolle Städtebild zu Füßen des Glücklichen, der vom alten Janiculus über Trastevere und den Tiber, über Dächer und Kuppeln, über Paläste und Kirchen, Gärten und Rinnen, alte Stadtmauern und neue Festungswerke weit in die bergumkränzte römische Landschaft hinausschaut. Die ewige Stadt er¬ freut sich einer langen Reihe vielgepriesener Umschau- und Übersichten»kee, und weder dem Monte Pincio, noch dein Monte Mario, noch dein antiken begrünten Scherbeuhügel (Monte Tcstaceio) bei der Porta San Paolo, noch auch der unvergleichlichen Kuppel von Sankt Peter soll ihr gutes Recht ab¬ gesprochen werden. Aber die zauberhafte Passegiata Margherita mit ihrem reichen Bilde, das sich auf dein Gange über die Prachtstraße allmählich ver¬ schiebt und doch immer gleich fesselnd bleibt, läßt sie alle weit hinter sich. Die baumbepflanzte Straße über den Hügelrücken von Süd nach Nord, von San Pietro in Montorio bis hinab zur Porta San Spirito und dem großen Petersplatze, gehört ohne Frage zu den schönsten Spaziergängen der Welt, bei jedem Schritt wird der Fuß gefesselt, weil die Augen schwelgen wollen, und die wundersame Stimmung, die den Menschen bei dem Anblick gegenwärtiger und der Erinnerung an vergangne Herrlichkeit überschleicht, wird in jedem Augen¬ blick angeregt und gesteigert. Die tiefste, beglückeudste Einsamkeit, hoch über dem geschäftig bunten Treiben der Stadt, kommt der Dauer solcher Stimmung zu gute. Denn so schön und anziehend die neue ans dieser Höhe geschaffene Promenade ist, sie liegt viel zu weit vou den Mittelpunkten des römischen Lebens ab, sie bedeutet viel zu wenig für den Verkehr, um stark belebt oder auch nur viel besucht zu sein. Selbst die zur Zeit geltende Gewohnheit, an zwei Nachmittagen deu nahe gelegenen Prachtgärten der Villa Doria-Pamfili zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/176>, abgerufen am 26.06.2024.