Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Litteratur im alltäglichen Leben verstanden wird, und hier hat man much die Ursache der
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur im alltäglichen Leben verstanden wird, und hier hat man much die Ursache der
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208089"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_416" prev="#ID_415"> im alltäglichen Leben verstanden wird, und hier hat man much die Ursache der<lb/> großen Liebe zu suchen, die Pichler dem großen Florentiner Dante weiht. Der<lb/> Gestalt dieses Mannes fühlt er sich wahlverwandt, und darum ist auch das Gedicht<lb/> „Dante in Ravenna" das rührendste und schönste Stück des Buches. In der<lb/> Einsamkeit aber hat sich Pichler die Liebe zum Volke und die Liebe zur Henne, die<lb/> Begeisterung für die Kunst und die Empfänglichkeit für die erhabene Natur seiner<lb/> Heimat bewahrt. Darum schließt sein Buch mit dem schonen Gedichte „Das letzte<lb/> Lied der Lerche," das wir uoch hierher setzen wollen.</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_23" type="poem"> <l> Verschwimmt im Osten der Morgenstern?<lb/> Ist trüb meines Auges Licht?<lb/> Noch einmal regt' ich die Schwinge gern,<lb/> Die schon das Alter zerbricht.</l> <l> Du steigst mir, Sonne, zum letztenmal<lb/> Ans feurigem Morgenrot:<lb/> Ich will mich wärmen ein deinem Strahl,<lb/> Dann fasse mich der Tod.</l> <l> So manche Hymnen sang ich dir<lb/> Laut schmetternd hinaus in die Luft —<lb/> Bald trifft much sterbend der Abend hier,<lb/> Die Nacht weint auf die Gruft.</l> <l> Und wenn das Grün zum Golde reift.<lb/> Zur Ernte der Schnitter geht —<lb/> Eh noch die Sichel die Ähre streift<lb/> Bin ich zu Stande verweht.</l> <l> Dann fallt die Chane, fällt der Mohn<lb/> Als Todesopfer der Flur;<lb/> Ich lebte so viele Lenze schon —<lb/> Die Blume blüht einen nur.</l> <l> So flute der Jahreszeiten Strom<lb/> Im Wechsel stets auf und ab.<lb/> So wölbe sich ewig des Himmels Dom<lb/> Auf meinem bescheidenen Grab!</l> <l> Und wenn mein Lied auf Erden schweigt —<lb/> Sie bleibt ja nicht stumm und tot;<lb/> Denn eine andere Lerche steigt<lb/> Und jubelt im Morgenrot.</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0152]
Litteratur
im alltäglichen Leben verstanden wird, und hier hat man much die Ursache der
großen Liebe zu suchen, die Pichler dem großen Florentiner Dante weiht. Der
Gestalt dieses Mannes fühlt er sich wahlverwandt, und darum ist auch das Gedicht
„Dante in Ravenna" das rührendste und schönste Stück des Buches. In der
Einsamkeit aber hat sich Pichler die Liebe zum Volke und die Liebe zur Henne, die
Begeisterung für die Kunst und die Empfänglichkeit für die erhabene Natur seiner
Heimat bewahrt. Darum schließt sein Buch mit dem schonen Gedichte „Das letzte
Lied der Lerche," das wir uoch hierher setzen wollen.
Verschwimmt im Osten der Morgenstern?
Ist trüb meines Auges Licht?
Noch einmal regt' ich die Schwinge gern,
Die schon das Alter zerbricht. Du steigst mir, Sonne, zum letztenmal
Ans feurigem Morgenrot:
Ich will mich wärmen ein deinem Strahl,
Dann fasse mich der Tod. So manche Hymnen sang ich dir
Laut schmetternd hinaus in die Luft —
Bald trifft much sterbend der Abend hier,
Die Nacht weint auf die Gruft. Und wenn das Grün zum Golde reift.
Zur Ernte der Schnitter geht —
Eh noch die Sichel die Ähre streift
Bin ich zu Stande verweht. Dann fallt die Chane, fällt der Mohn
Als Todesopfer der Flur;
Ich lebte so viele Lenze schon —
Die Blume blüht einen nur. So flute der Jahreszeiten Strom
Im Wechsel stets auf und ab.
So wölbe sich ewig des Himmels Dom
Auf meinem bescheidenen Grab! Und wenn mein Lied auf Erden schweigt —
Sie bleibt ja nicht stumm und tot;
Denn eine andere Lerche steigt
Und jubelt im Morgenrot.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |