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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Fürst Bismarc? "ut die bildende Amist

Absicht, hier in der Wiedergabe der Uniform, des Heims, der Orden n, s. w,
etwas mit dem wie gewöhnlich sorgsam und eingehend durchgeführten Kopf
übereinstimmendes zu schaffen, durchaus nicht gerecht geworden. Man thut
also Unrecht, Lenbach in dein Sinne den offizielle" Maler des Fürsten Vis-
marck zu nennen, als ob seine Bismarck-Bildnisse etwas von jener feierlichen
und förmlichen Jnszcniruug hätten, die man auf Porträts für Museen, für
die Festräume in öffentlichen Gebäuden u. s. w. zu sehen gewohnt ist. Im
Gegensatz zu einer solchen Auffassung hat Lenbach, dem Charakter seiner Kunst
entsprechend, mehr die innere, geistige Seite des Bismnrckfchen Wesens, freilich
ganz oder doch fast erschöpfend, gezeigt, den Bismarck im Hauskleide, nicht den
Kanzler im Waffenrock oder im Staatskleide.

Mehr in der zeichnerischen, bedächtig individualisirenden Richtung Hol-
beins bewegen sich das Ölbildnis und die Zeichnungen des englischen Malers
William Blake Richmond, der in seinem Vatcrlnnde für einen hervorragenden
Bildnismalcr und geistvollen Mann gilt. Er hat auch Bildnisse gemalt, die
diesen Ruf rechtfertigen und die namentlich in der Wiedergabe leuchtender,
seelenvoller Augen wirklich an Holbein erinnern. An dem Kopfe des Fürsten
Bismarck ist aber seine Kunst gescheitert. Er hat weder den mächtigen Ban
des Schädels richtig verstanden und zu wirksamer Anschauung gebracht, noch
hat er die charakteristischen Züge des Antlitzes energisch genug hervorgehoben.
In dem Ölgemälde sowohl wie in den Zeichnungen hat das Gesicht etwas
schwammiges, nwlluskeucirtiges, und auch der Fleischton schien vielen Beurteilern
verfehlt, obwohl wieder andre versicherten, daß das Antlitz des Fürsten während
seines Landaufenthalts, namentlich nach einem erfrischenden Morgenspaziergange,
wirklich diese zarte, rosige Färbung zeige. Im großen und ganzen konnte man
jedoch angesichts dieser Bilder die Verstimmung vieler Berliner Maler begreif¬
lich finden, die es tief beklagten, das; einem Künstler von so beschränkter Auf¬
fassungsgabe ein Vorzug zu Teil geworden war, der Begabteren und Bernseneren
leider versagt geblieben ist.

Auch diejenigen Gemälde, die den Fürsten Bismarck als Träger oder im
Mittelpunkte eiues bedeutsamen politischen, diplomatischen oder militärischen
Vorganges darstellen, find der Persönlichkeit des ersten deutschen Reichskanzlers
nicht so gerecht geworden, daß man eine dieser Darstellungen als eine solche
bezeichnen könnte, die allgemeine Befriedigung und Zustimmung hervorgerufen
hätte. Wir wollen dabei von den zahlreichen Gemälden und Zeichnungen ab¬
sehen, die entscheidende Augenblicke und Episoden ans dem österreichischen und
dem deutsch-französischen Kriege darstellen. Auf ihnen spielt die Person des
Fürsten meist nur eine nebensächliche Rolle. Er erscheint mit andern im Ge¬
folge seines Königs, wie z.B. ans den Gemälden, die die verschiednen Peri¬
petien in dem Drama von Königgrcitz schildern, auf den Darstellungen der
Schlachten bei Gmvelvtte und Sedan, ohne daß man gewahr würde, daß die


Fürst Bismarc? »ut die bildende Amist

Absicht, hier in der Wiedergabe der Uniform, des Heims, der Orden n, s. w,
etwas mit dem wie gewöhnlich sorgsam und eingehend durchgeführten Kopf
übereinstimmendes zu schaffen, durchaus nicht gerecht geworden. Man thut
also Unrecht, Lenbach in dein Sinne den offizielle» Maler des Fürsten Vis-
marck zu nennen, als ob seine Bismarck-Bildnisse etwas von jener feierlichen
und förmlichen Jnszcniruug hätten, die man auf Porträts für Museen, für
die Festräume in öffentlichen Gebäuden u. s. w. zu sehen gewohnt ist. Im
Gegensatz zu einer solchen Auffassung hat Lenbach, dem Charakter seiner Kunst
entsprechend, mehr die innere, geistige Seite des Bismnrckfchen Wesens, freilich
ganz oder doch fast erschöpfend, gezeigt, den Bismarck im Hauskleide, nicht den
Kanzler im Waffenrock oder im Staatskleide.

Mehr in der zeichnerischen, bedächtig individualisirenden Richtung Hol-
beins bewegen sich das Ölbildnis und die Zeichnungen des englischen Malers
William Blake Richmond, der in seinem Vatcrlnnde für einen hervorragenden
Bildnismalcr und geistvollen Mann gilt. Er hat auch Bildnisse gemalt, die
diesen Ruf rechtfertigen und die namentlich in der Wiedergabe leuchtender,
seelenvoller Augen wirklich an Holbein erinnern. An dem Kopfe des Fürsten
Bismarck ist aber seine Kunst gescheitert. Er hat weder den mächtigen Ban
des Schädels richtig verstanden und zu wirksamer Anschauung gebracht, noch
hat er die charakteristischen Züge des Antlitzes energisch genug hervorgehoben.
In dem Ölgemälde sowohl wie in den Zeichnungen hat das Gesicht etwas
schwammiges, nwlluskeucirtiges, und auch der Fleischton schien vielen Beurteilern
verfehlt, obwohl wieder andre versicherten, daß das Antlitz des Fürsten während
seines Landaufenthalts, namentlich nach einem erfrischenden Morgenspaziergange,
wirklich diese zarte, rosige Färbung zeige. Im großen und ganzen konnte man
jedoch angesichts dieser Bilder die Verstimmung vieler Berliner Maler begreif¬
lich finden, die es tief beklagten, das; einem Künstler von so beschränkter Auf¬
fassungsgabe ein Vorzug zu Teil geworden war, der Begabteren und Bernseneren
leider versagt geblieben ist.

Auch diejenigen Gemälde, die den Fürsten Bismarck als Träger oder im
Mittelpunkte eiues bedeutsamen politischen, diplomatischen oder militärischen
Vorganges darstellen, find der Persönlichkeit des ersten deutschen Reichskanzlers
nicht so gerecht geworden, daß man eine dieser Darstellungen als eine solche
bezeichnen könnte, die allgemeine Befriedigung und Zustimmung hervorgerufen
hätte. Wir wollen dabei von den zahlreichen Gemälden und Zeichnungen ab¬
sehen, die entscheidende Augenblicke und Episoden ans dem österreichischen und
dem deutsch-französischen Kriege darstellen. Auf ihnen spielt die Person des
Fürsten meist nur eine nebensächliche Rolle. Er erscheint mit andern im Ge¬
folge seines Königs, wie z.B. ans den Gemälden, die die verschiednen Peri¬
petien in dem Drama von Königgrcitz schildern, auf den Darstellungen der
Schlachten bei Gmvelvtte und Sedan, ohne daß man gewahr würde, daß die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/14>, abgerufen am 26.06.2024.