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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Litteratur

eine so schöne Gelegenheit nicht entgehen lassen. Personen aber, denen die Börse
Gymnasium, Universität und Gesellschaft ist, können doch glauben, guter Ton sei
der, in dein erhitzte Jobber in schwierigen Augenblicken mit einander zu Verkehren
lieben. Und muß es endlich nicht solche Biedermänner kränken, daß auch jetzt, wo
der Abscheuliche, der die Bamberger und Richter nicht hat ans Staatsruder
kommen lassen, zurückgetreten ist, in der weiten Welt niemand an die Staatsmänner
der freisinnigen Fraktion denkt? Muß das Blut der Gesinnungsstruppigen nicht in.
Waldung geraten, wenn überall, wo eine Zeitung gedruckt wird, wahre Hymnen
ans den ersten Kanzler des deutschen Reiches erscheinen, und nichts als Hymnen?
Da galt es zu zeigen, ,,daß Niedertracht auf Erden uoch uicht ausgestorben" sei.
Und das ist vollständig gelungen. Wir bedauern nnr das eine, daß die Zeitungs¬
expeditionen und die Postämter nicht die Gewohnheit haben, die Pränumeranden-
listen zu veröffentlichen; wie interessant wäre es, zu erfahren, welches Publikum
an solchen Leistungen Gefallen findet!




Litteratur
Hans Ulrich Freiherr von Schaffqotsch. Ein Lebensbild ans der Zeit des dreißig¬
jährigen Krieges von G. Krebs. Brest-in, W. G. Korn, 1890

Der Lcbenslnnf eines in schwankender Zeit schwankend gesinnten. Unter der
berühmten Erklärung der wallensteinschen Offiziere in Pilsen von: 12. Januar 1634,
deren Schlußsätze und Unterschriften diesem Buche in einer Lichtdrnckkvpie beigegeben
sind, steht als Dritter zwischen Jlvw und Ottavio Piccolomini Hans Ulrich Schaff-
gotsch; und da von so vielen Unterzeichnern gerade er diese Unterschrift mit dem
Leben büßen mußte, könnte man glauben, er habe zu den Vertrautesten des Fried-
länders gehört. Doch legt diese Schrift in überzeugender Weise dar, daß seine
eigentliche Schuld nur Charakterschwäche war. Der durch Abstammung und Besitz
in Schlesien einflußreiche, Protestant nahm Dienste in dem Heere des Kaisers, der
die Ausrottung der Ketzerei im deutschen Reiche, als seine Herrscherpflicht betrachtete;
wohl eben als Schlesier mochte er für Waldslein von höherm Werte sein, als
durch seine, wie es scheint, nicht sehr hervorragenden militärischen Eigenschaften,
und eben deshalb werden die dem Wiener Hofe ergebenen Gellerale. ihn mißtrauisch
beobachtet haben -- wer die böhmische Krone gewann, hatte ans Schlesien Anspruch.
Über Waldsteins Absichten mußte Schaffgotsch durch deu Aufenthalt in Pilsen auf¬
geklärt werden, allein er wollte nicht klar sehen, um freie Entschließung zu behalten,
auf welche Seite er sich je nach den Aussichten schlagen solle; er nahm eine Ab¬
schrift der Pilsener Erklärung mit zurück nach Schlesien, um sie seinen Offizieren
zur Unterzeichnung vorzulegen, zögerte hiermit, bis der rechte Zeitpunkt versäumt
war, luit rückte mit dem Schriftstück heraus, als in Eger bereits die Entscheidung
gefallen war u. f. w. Auch unglückliche Zufälle kamen hinzu, um ihn scheinbar


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eine so schöne Gelegenheit nicht entgehen lassen. Personen aber, denen die Börse
Gymnasium, Universität und Gesellschaft ist, können doch glauben, guter Ton sei
der, in dein erhitzte Jobber in schwierigen Augenblicken mit einander zu Verkehren
lieben. Und muß es endlich nicht solche Biedermänner kränken, daß auch jetzt, wo
der Abscheuliche, der die Bamberger und Richter nicht hat ans Staatsruder
kommen lassen, zurückgetreten ist, in der weiten Welt niemand an die Staatsmänner
der freisinnigen Fraktion denkt? Muß das Blut der Gesinnungsstruppigen nicht in.
Waldung geraten, wenn überall, wo eine Zeitung gedruckt wird, wahre Hymnen
ans den ersten Kanzler des deutschen Reiches erscheinen, und nichts als Hymnen?
Da galt es zu zeigen, ,,daß Niedertracht auf Erden uoch uicht ausgestorben" sei.
Und das ist vollständig gelungen. Wir bedauern nnr das eine, daß die Zeitungs¬
expeditionen und die Postämter nicht die Gewohnheit haben, die Pränumeranden-
listen zu veröffentlichen; wie interessant wäre es, zu erfahren, welches Publikum
an solchen Leistungen Gefallen findet!




Litteratur
Hans Ulrich Freiherr von Schaffqotsch. Ein Lebensbild ans der Zeit des dreißig¬
jährigen Krieges von G. Krebs. Brest-in, W. G. Korn, 1890

Der Lcbenslnnf eines in schwankender Zeit schwankend gesinnten. Unter der
berühmten Erklärung der wallensteinschen Offiziere in Pilsen von: 12. Januar 1634,
deren Schlußsätze und Unterschriften diesem Buche in einer Lichtdrnckkvpie beigegeben
sind, steht als Dritter zwischen Jlvw und Ottavio Piccolomini Hans Ulrich Schaff-
gotsch; und da von so vielen Unterzeichnern gerade er diese Unterschrift mit dem
Leben büßen mußte, könnte man glauben, er habe zu den Vertrautesten des Fried-
länders gehört. Doch legt diese Schrift in überzeugender Weise dar, daß seine
eigentliche Schuld nur Charakterschwäche war. Der durch Abstammung und Besitz
in Schlesien einflußreiche, Protestant nahm Dienste in dem Heere des Kaisers, der
die Ausrottung der Ketzerei im deutschen Reiche, als seine Herrscherpflicht betrachtete;
wohl eben als Schlesier mochte er für Waldslein von höherm Werte sein, als
durch seine, wie es scheint, nicht sehr hervorragenden militärischen Eigenschaften,
und eben deshalb werden die dem Wiener Hofe ergebenen Gellerale. ihn mißtrauisch
beobachtet haben — wer die böhmische Krone gewann, hatte ans Schlesien Anspruch.
Über Waldsteins Absichten mußte Schaffgotsch durch deu Aufenthalt in Pilsen auf¬
geklärt werden, allein er wollte nicht klar sehen, um freie Entschließung zu behalten,
auf welche Seite er sich je nach den Aussichten schlagen solle; er nahm eine Ab¬
schrift der Pilsener Erklärung mit zurück nach Schlesien, um sie seinen Offizieren
zur Unterzeichnung vorzulegen, zögerte hiermit, bis der rechte Zeitpunkt versäumt
war, luit rückte mit dem Schriftstück heraus, als in Eger bereits die Entscheidung
gefallen war u. f. w. Auch unglückliche Zufälle kamen hinzu, um ihn scheinbar


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[0054] Litteratur eine so schöne Gelegenheit nicht entgehen lassen. Personen aber, denen die Börse Gymnasium, Universität und Gesellschaft ist, können doch glauben, guter Ton sei der, in dein erhitzte Jobber in schwierigen Augenblicken mit einander zu Verkehren lieben. Und muß es endlich nicht solche Biedermänner kränken, daß auch jetzt, wo der Abscheuliche, der die Bamberger und Richter nicht hat ans Staatsruder kommen lassen, zurückgetreten ist, in der weiten Welt niemand an die Staatsmänner der freisinnigen Fraktion denkt? Muß das Blut der Gesinnungsstruppigen nicht in. Waldung geraten, wenn überall, wo eine Zeitung gedruckt wird, wahre Hymnen ans den ersten Kanzler des deutschen Reiches erscheinen, und nichts als Hymnen? Da galt es zu zeigen, ,,daß Niedertracht auf Erden uoch uicht ausgestorben" sei. Und das ist vollständig gelungen. Wir bedauern nnr das eine, daß die Zeitungs¬ expeditionen und die Postämter nicht die Gewohnheit haben, die Pränumeranden- listen zu veröffentlichen; wie interessant wäre es, zu erfahren, welches Publikum an solchen Leistungen Gefallen findet! Litteratur Hans Ulrich Freiherr von Schaffqotsch. Ein Lebensbild ans der Zeit des dreißig¬ jährigen Krieges von G. Krebs. Brest-in, W. G. Korn, 1890 Der Lcbenslnnf eines in schwankender Zeit schwankend gesinnten. Unter der berühmten Erklärung der wallensteinschen Offiziere in Pilsen von: 12. Januar 1634, deren Schlußsätze und Unterschriften diesem Buche in einer Lichtdrnckkvpie beigegeben sind, steht als Dritter zwischen Jlvw und Ottavio Piccolomini Hans Ulrich Schaff- gotsch; und da von so vielen Unterzeichnern gerade er diese Unterschrift mit dem Leben büßen mußte, könnte man glauben, er habe zu den Vertrautesten des Fried- länders gehört. Doch legt diese Schrift in überzeugender Weise dar, daß seine eigentliche Schuld nur Charakterschwäche war. Der durch Abstammung und Besitz in Schlesien einflußreiche, Protestant nahm Dienste in dem Heere des Kaisers, der die Ausrottung der Ketzerei im deutschen Reiche, als seine Herrscherpflicht betrachtete; wohl eben als Schlesier mochte er für Waldslein von höherm Werte sein, als durch seine, wie es scheint, nicht sehr hervorragenden militärischen Eigenschaften, und eben deshalb werden die dem Wiener Hofe ergebenen Gellerale. ihn mißtrauisch beobachtet haben — wer die böhmische Krone gewann, hatte ans Schlesien Anspruch. Über Waldsteins Absichten mußte Schaffgotsch durch deu Aufenthalt in Pilsen auf¬ geklärt werden, allein er wollte nicht klar sehen, um freie Entschließung zu behalten, auf welche Seite er sich je nach den Aussichten schlagen solle; er nahm eine Ab¬ schrift der Pilsener Erklärung mit zurück nach Schlesien, um sie seinen Offizieren zur Unterzeichnung vorzulegen, zögerte hiermit, bis der rechte Zeitpunkt versäumt war, luit rückte mit dem Schriftstück heraus, als in Eger bereits die Entscheidung gefallen war u. f. w. Auch unglückliche Zufälle kamen hinzu, um ihn scheinbar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/54>, abgerufen am 27.12.2024.