Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches einen Ausweg. Da es Abend wird, steigt sie auf einen hohen Baum und sieht Nun gesteht allerdings Felir Bobertag, der neueste Herausgeber der Interessant Ware nur zu wissen, ob das Märchen vom "Erdküliu" weiter Maßgebliches und Unmaßgebliches einen Ausweg. Da es Abend wird, steigt sie auf einen hohen Baum und sieht Nun gesteht allerdings Felir Bobertag, der neueste Herausgeber der Interessant Ware nur zu wissen, ob das Märchen vom „Erdküliu" weiter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207345"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_130" prev="#ID_129"> einen Ausweg. Da es Abend wird, steigt sie auf einen hohen Baum und sieht<lb/> „ein Reinh reuchlin," dem sie nachgeht. In wenig Stunden kommt sie „an das ort,<lb/> da dann der rauch außgiuge, das war el» kleines heußliu, darinn niemants wonet,<lb/> dann nur ein erdküliu. Das meitlin kam fürs thürlin vnd klopffet um, begert man<lb/> solle es einlassen. Das erdtkülin antwort, ich laß dich warlich nicht herein, dn<lb/> verheissest mir dann dein lebtag bei mir zu bleiben, vnd mich nimmermehr znner-<lb/> meren, welches sine das meitlin gelobt, vnd alsbald ward es von dein erdtkülin<lb/> eingelassen, vnd das erdtkülin sagt. Wolan du darffst nichts thun, weder eben<lb/> mich des nbents vnd morgens meinten, darnach löschen die selbig miles vonn mir,<lb/> so tönt ich dir seiden vnd Samnad genug zntrageir, daruon mach dir schone kleider<lb/> ivie du sie begerest, geternt aber vnnd side das du mich nicht vermerest." Zwei<lb/> Jahre lebt nun Gretlin glücklich und reichbeschenkt im Walde bei dem „erdküliu,"<lb/> bis zufällig ihr Schwesterlein Annelin zu ihr kommt, sie um Verzeihung bittet<lb/> und altes von ihr erfährt. Daheim macht nnn Annelin mit der Stiefmutter einen<lb/> Plan, das „erdtkülin samt dem Gretlin" heimzuführen und das „Min" zu metzger<lb/> und zu essen. „Solches alles das erdtkülin wol wust, vnd als es des abends<lb/> spat heim kam, sagt es wainendt zum meitlin, und ach mein aller liebsts Gredtlin,<lb/> was hastu gedhon, das dn dem falsche Schwester hast eingelassen, vnd jr gesagt bei<lb/> wein dn bist?" Da nun Grellin'jammert und weint, „tröstet es das erdtkülin"<lb/> und giebt ihm den Rat, vom Metzger des „Mins schwantz," dann „das ein Horn"<lb/> und endlich das „schnellt" zu verlangen und dann einzugraben; daraus werde ein<lb/> Baum wachsen, der solle Sommer und Winter die schönsten Apfel tragen, die dann<lb/> niemand als sie allein sollte abbrechen können. Das geschieht. „Ein gewaltiger<lb/> Herr" mit seinem tranken Sohn kommt vorüber, und da sie das Wunder erschauen,<lb/> nehmen sie die Jungfrau und den Brum mit und lassen „ihr schalckhafftige muter<lb/> vnd Schwester sitzen."</p><lb/> <p xml:id="ID_131"> Nun gesteht allerdings Felir Bobertag, der neueste Herausgeber der<lb/> Gartengesellschaft (Kürschners Deutsche Aationatlitteratur, Band 24, Seite 244),<lb/> er könne über dieses Tier und den damit zusammenhängenden Aberglauben keine<lb/> Auskunft geben. Aber das ist für uns nicht so wichtig als das Märchen selbst.<lb/> Wäre nicht denkbar, das; Frau Aja, die mnrcheukuudige, ihrem Wolf auch vom<lb/> „ErdMin" erzählt hätte, und das; dieser nun darauf anspielte? Mau denke seine<lb/> Situation: er schläft zum erstenmale in seinem Gartenhaus, das ferne von der<lb/> Stadt, uuzugnnglich und einsam gelegen, wohl den Eindruck des Häuschens im<lb/> Walde hervorrufen lonnie. Goethe gedenkt des Märchens und bemerkt die Ähnlich¬<lb/> keit mit der Situation des Gretlin; wie dieses glücklich werden sollte, wenn es<lb/> ganz beim „erdtkülin" blieb, so sagt Goethe von sich „und nun ErdMin für ewig."<lb/> Es wird nach dem Gesagten wohl nicht zu kühn sein, wen» ich für den Goethischen<lb/> Brief die Lesart- „ErdMin" vorschlage. Wer weiß, ob das nicht sogar in Goethes<lb/> Handschrift steht.</p><lb/> <p xml:id="ID_132" next="#ID_133"> Interessant Ware nur zu wissen, ob das Märchen vom „Erdküliu" weiter<lb/> verbreitet ist, was ich leider mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln nicht<lb/> festzustellen vermag. Mau darf aus den Grimmscheu Kinder- und Hausmärchen<lb/> vor allem „Häusel und Gretel" anführen, dann „Die zwölf Brüder," „Brüderchen<lb/> mit Schivestercheii," „Die drei Männlein im Walde," „Frau Holle," endlich aber<lb/> auch „Einttugiein, Zweiäuglein und Dreiänglein" für deu Schlich des Märchens.<lb/> Das hat nichts Auffallendes, denn alte Märchen haben gewisse Züge, die sich immer<lb/> wiederholen, die Phantasie des Volles bedient sich eben einiger feststehenden Kunst-<lb/> mittel, ohne an der Wiederholung Anstoß zu nehmen. Wenn uns also das von</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
einen Ausweg. Da es Abend wird, steigt sie auf einen hohen Baum und sieht
„ein Reinh reuchlin," dem sie nachgeht. In wenig Stunden kommt sie „an das ort,
da dann der rauch außgiuge, das war el» kleines heußliu, darinn niemants wonet,
dann nur ein erdküliu. Das meitlin kam fürs thürlin vnd klopffet um, begert man
solle es einlassen. Das erdtkülin antwort, ich laß dich warlich nicht herein, dn
verheissest mir dann dein lebtag bei mir zu bleiben, vnd mich nimmermehr znner-
meren, welches sine das meitlin gelobt, vnd alsbald ward es von dein erdtkülin
eingelassen, vnd das erdtkülin sagt. Wolan du darffst nichts thun, weder eben
mich des nbents vnd morgens meinten, darnach löschen die selbig miles vonn mir,
so tönt ich dir seiden vnd Samnad genug zntrageir, daruon mach dir schone kleider
ivie du sie begerest, geternt aber vnnd side das du mich nicht vermerest." Zwei
Jahre lebt nun Gretlin glücklich und reichbeschenkt im Walde bei dem „erdküliu,"
bis zufällig ihr Schwesterlein Annelin zu ihr kommt, sie um Verzeihung bittet
und altes von ihr erfährt. Daheim macht nnn Annelin mit der Stiefmutter einen
Plan, das „erdtkülin samt dem Gretlin" heimzuführen und das „Min" zu metzger
und zu essen. „Solches alles das erdtkülin wol wust, vnd als es des abends
spat heim kam, sagt es wainendt zum meitlin, und ach mein aller liebsts Gredtlin,
was hastu gedhon, das dn dem falsche Schwester hast eingelassen, vnd jr gesagt bei
wein dn bist?" Da nun Grellin'jammert und weint, „tröstet es das erdtkülin"
und giebt ihm den Rat, vom Metzger des „Mins schwantz," dann „das ein Horn"
und endlich das „schnellt" zu verlangen und dann einzugraben; daraus werde ein
Baum wachsen, der solle Sommer und Winter die schönsten Apfel tragen, die dann
niemand als sie allein sollte abbrechen können. Das geschieht. „Ein gewaltiger
Herr" mit seinem tranken Sohn kommt vorüber, und da sie das Wunder erschauen,
nehmen sie die Jungfrau und den Brum mit und lassen „ihr schalckhafftige muter
vnd Schwester sitzen."
Nun gesteht allerdings Felir Bobertag, der neueste Herausgeber der
Gartengesellschaft (Kürschners Deutsche Aationatlitteratur, Band 24, Seite 244),
er könne über dieses Tier und den damit zusammenhängenden Aberglauben keine
Auskunft geben. Aber das ist für uns nicht so wichtig als das Märchen selbst.
Wäre nicht denkbar, das; Frau Aja, die mnrcheukuudige, ihrem Wolf auch vom
„ErdMin" erzählt hätte, und das; dieser nun darauf anspielte? Mau denke seine
Situation: er schläft zum erstenmale in seinem Gartenhaus, das ferne von der
Stadt, uuzugnnglich und einsam gelegen, wohl den Eindruck des Häuschens im
Walde hervorrufen lonnie. Goethe gedenkt des Märchens und bemerkt die Ähnlich¬
keit mit der Situation des Gretlin; wie dieses glücklich werden sollte, wenn es
ganz beim „erdtkülin" blieb, so sagt Goethe von sich „und nun ErdMin für ewig."
Es wird nach dem Gesagten wohl nicht zu kühn sein, wen» ich für den Goethischen
Brief die Lesart- „ErdMin" vorschlage. Wer weiß, ob das nicht sogar in Goethes
Handschrift steht.
Interessant Ware nur zu wissen, ob das Märchen vom „Erdküliu" weiter
verbreitet ist, was ich leider mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln nicht
festzustellen vermag. Mau darf aus den Grimmscheu Kinder- und Hausmärchen
vor allem „Häusel und Gretel" anführen, dann „Die zwölf Brüder," „Brüderchen
mit Schivestercheii," „Die drei Männlein im Walde," „Frau Holle," endlich aber
auch „Einttugiein, Zweiäuglein und Dreiänglein" für deu Schlich des Märchens.
Das hat nichts Auffallendes, denn alte Märchen haben gewisse Züge, die sich immer
wiederholen, die Phantasie des Volles bedient sich eben einiger feststehenden Kunst-
mittel, ohne an der Wiederholung Anstoß zu nehmen. Wenn uns also das von
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