Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Sittenrichter

it seinem neuesten Buche Der Villcuhof (Dresden, Minden) hat
Fritz Manthner den Cyklus seiner drei Romane Berlin
abgeschlossen, sodaß wir sie nnn im Zusammenhange betrachten
können. Solche Romnncyklen sind meist auf Zvlas Beispiel
zurückzuführen; Manthners Cyklus wohl aiuch, wenn er auch keine
Nachahmung des Zolaischen ist, keine Geschichte einer Familie giebt, überhaupt
"ur sparsam naturalistische Elemente in seine Darstellung aufnimmt (die meisten
"Villenhof"). Mnuthners Form scheint ein Kompromiß zwischen alten und
neuen Ansprüchen der Romandichter und des Publikums zu sein. Noch Spiel¬
hagen stellt die Forderung auf, daß der Roman sich über drei Bände erstrecken
Würfel für die episch-behagliche Schilderung der Zustände müsse der Roman-
achter auch genügenden Raum haben. Nachdem sich aber gezeigt hat, das;
>naht blos; französische, sondern mich deutsche Romandichter in einem einzigen
^ante einen reichen Stoff wohl zu bewältige" vermögen (z. B. Scheffel im
"Ekkehard") ist das Publikum der Romanungetüme älterer Zeit schnell satt
geworden und nimmt nicht leicht mehr einen Roman zur Hand, der den Ra-
t"ug eines Bandes überschreitet, was schließlich sogar Spielhagen zu berück¬
sichtigen lernte. So schrieb anch Mauthuer (in etwa sechs Jahren) seine drei
uwuine, deren jeder für sich ein abgeschlossenes Ganze bildet, und die doch
"Ul einander ziemlich eng verknüpft sind. Das gesamte Bild des Berliner
Westens ist ans "Quartett," "Fanfare" und "Villenhof" verteilt, sie ergänzen
Zander, ohne einander zu brauchen. In diesem Unternehmen, das neue Berlin
schildern, ist übrigens Manthner keineswegs original. Es bedarf nur der
^umeruug an Paul Lindaus "Zug nach dem Westen," den Manthners
MUS allerdings in mancher Hinsicht übertrifft; andre Schriftsteller haben
"Ut ihren Berliner Romanen schon eine Bibliothek aufgestapelt, aber Manthner
^>ne eigenartige Persönlichkeit bekundet, und diese wollen wir nun charak-
^risiren.

, Die Zusammengehörigkeit der drei Romane ist nicht bloß durch die Ge-
^nsnmkeit des Ortes der Handlung und der Gesellschaft, die geschildert wird,
sondern auch dadurch, daß sie alle drei dieselbe Frauengestalt, Leontine




Sittenrichter

it seinem neuesten Buche Der Villcuhof (Dresden, Minden) hat
Fritz Manthner den Cyklus seiner drei Romane Berlin
abgeschlossen, sodaß wir sie nnn im Zusammenhange betrachten
können. Solche Romnncyklen sind meist auf Zvlas Beispiel
zurückzuführen; Manthners Cyklus wohl aiuch, wenn er auch keine
Nachahmung des Zolaischen ist, keine Geschichte einer Familie giebt, überhaupt
"ur sparsam naturalistische Elemente in seine Darstellung aufnimmt (die meisten
„Villenhof"). Mnuthners Form scheint ein Kompromiß zwischen alten und
neuen Ansprüchen der Romandichter und des Publikums zu sein. Noch Spiel¬
hagen stellt die Forderung auf, daß der Roman sich über drei Bände erstrecken
Würfel für die episch-behagliche Schilderung der Zustände müsse der Roman-
achter auch genügenden Raum haben. Nachdem sich aber gezeigt hat, das;
>naht blos; französische, sondern mich deutsche Romandichter in einem einzigen
^ante einen reichen Stoff wohl zu bewältige» vermögen (z. B. Scheffel im
"Ekkehard") ist das Publikum der Romanungetüme älterer Zeit schnell satt
geworden und nimmt nicht leicht mehr einen Roman zur Hand, der den Ra-
t"ug eines Bandes überschreitet, was schließlich sogar Spielhagen zu berück¬
sichtigen lernte. So schrieb anch Mauthuer (in etwa sechs Jahren) seine drei
uwuine, deren jeder für sich ein abgeschlossenes Ganze bildet, und die doch
"Ul einander ziemlich eng verknüpft sind. Das gesamte Bild des Berliner
Westens ist ans „Quartett," „Fanfare" und „Villenhof" verteilt, sie ergänzen
Zander, ohne einander zu brauchen. In diesem Unternehmen, das neue Berlin
schildern, ist übrigens Manthner keineswegs original. Es bedarf nur der
^umeruug an Paul Lindaus „Zug nach dem Westen," den Manthners
MUS allerdings in mancher Hinsicht übertrifft; andre Schriftsteller haben
"Ut ihren Berliner Romanen schon eine Bibliothek aufgestapelt, aber Manthner
^>ne eigenartige Persönlichkeit bekundet, und diese wollen wir nun charak-
^risiren.

, Die Zusammengehörigkeit der drei Romane ist nicht bloß durch die Ge-
^nsnmkeit des Ortes der Handlung und der Gesellschaft, die geschildert wird,
sondern auch dadurch, daß sie alle drei dieselbe Frauengestalt, Leontine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207620"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341851_207294/figures/grenzboten_341851_207294_207620_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Sittenrichter</head><lb/>
          <p xml:id="ID_900"> it seinem neuesten Buche Der Villcuhof (Dresden, Minden) hat<lb/>
Fritz Manthner den Cyklus seiner drei Romane Berlin<lb/>
abgeschlossen, sodaß wir sie nnn im Zusammenhange betrachten<lb/>
können.  Solche Romnncyklen sind meist auf Zvlas Beispiel<lb/>
zurückzuführen; Manthners Cyklus wohl aiuch, wenn er auch keine<lb/>
Nachahmung des Zolaischen ist, keine Geschichte einer Familie giebt, überhaupt<lb/>
"ur sparsam naturalistische Elemente in seine Darstellung aufnimmt (die meisten<lb/>
&#x201E;Villenhof"). Mnuthners Form scheint ein Kompromiß zwischen alten und<lb/>
neuen Ansprüchen der Romandichter und des Publikums zu sein. Noch Spiel¬<lb/>
hagen stellt die Forderung auf, daß der Roman sich über drei Bände erstrecken<lb/>
Würfel für die episch-behagliche Schilderung der Zustände müsse der Roman-<lb/>
achter auch genügenden Raum haben.  Nachdem sich aber gezeigt hat, das;<lb/>
&gt;naht blos; französische, sondern mich deutsche Romandichter in einem einzigen<lb/>
^ante einen reichen Stoff wohl zu bewältige» vermögen (z. B. Scheffel im<lb/>
"Ekkehard") ist das Publikum der Romanungetüme älterer Zeit schnell satt<lb/>
geworden und nimmt nicht leicht mehr einen Roman zur Hand, der den Ra-<lb/>
t"ug eines Bandes überschreitet, was schließlich sogar Spielhagen zu berück¬<lb/>
sichtigen lernte.  So schrieb anch Mauthuer (in etwa sechs Jahren) seine drei<lb/>
uwuine, deren jeder für sich ein abgeschlossenes Ganze bildet, und die doch<lb/>
"Ul einander ziemlich eng verknüpft sind.  Das gesamte Bild des Berliner<lb/>
Westens ist ans &#x201E;Quartett," &#x201E;Fanfare" und &#x201E;Villenhof" verteilt, sie ergänzen<lb/>
Zander, ohne einander zu brauchen. In diesem Unternehmen, das neue Berlin<lb/>
schildern, ist übrigens Manthner keineswegs original.  Es bedarf nur der<lb/>
^umeruug an Paul Lindaus &#x201E;Zug nach dem Westen," den Manthners<lb/>
MUS allerdings in mancher Hinsicht übertrifft; andre Schriftsteller haben<lb/>
"Ut ihren Berliner Romanen schon eine Bibliothek aufgestapelt, aber Manthner<lb/>
^&gt;ne eigenartige Persönlichkeit bekundet, und diese wollen wir nun charak-<lb/>
^risiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_901" next="#ID_902"> , Die Zusammengehörigkeit der drei Romane ist nicht bloß durch die Ge-<lb/>
^nsnmkeit des Ortes der Handlung und der Gesellschaft, die geschildert wird,<lb/>
sondern auch dadurch, daß sie alle drei dieselbe Frauengestalt, Leontine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0325] [Abbildung] Sittenrichter it seinem neuesten Buche Der Villcuhof (Dresden, Minden) hat Fritz Manthner den Cyklus seiner drei Romane Berlin abgeschlossen, sodaß wir sie nnn im Zusammenhange betrachten können. Solche Romnncyklen sind meist auf Zvlas Beispiel zurückzuführen; Manthners Cyklus wohl aiuch, wenn er auch keine Nachahmung des Zolaischen ist, keine Geschichte einer Familie giebt, überhaupt "ur sparsam naturalistische Elemente in seine Darstellung aufnimmt (die meisten „Villenhof"). Mnuthners Form scheint ein Kompromiß zwischen alten und neuen Ansprüchen der Romandichter und des Publikums zu sein. Noch Spiel¬ hagen stellt die Forderung auf, daß der Roman sich über drei Bände erstrecken Würfel für die episch-behagliche Schilderung der Zustände müsse der Roman- achter auch genügenden Raum haben. Nachdem sich aber gezeigt hat, das; >naht blos; französische, sondern mich deutsche Romandichter in einem einzigen ^ante einen reichen Stoff wohl zu bewältige» vermögen (z. B. Scheffel im "Ekkehard") ist das Publikum der Romanungetüme älterer Zeit schnell satt geworden und nimmt nicht leicht mehr einen Roman zur Hand, der den Ra- t"ug eines Bandes überschreitet, was schließlich sogar Spielhagen zu berück¬ sichtigen lernte. So schrieb anch Mauthuer (in etwa sechs Jahren) seine drei uwuine, deren jeder für sich ein abgeschlossenes Ganze bildet, und die doch "Ul einander ziemlich eng verknüpft sind. Das gesamte Bild des Berliner Westens ist ans „Quartett," „Fanfare" und „Villenhof" verteilt, sie ergänzen Zander, ohne einander zu brauchen. In diesem Unternehmen, das neue Berlin schildern, ist übrigens Manthner keineswegs original. Es bedarf nur der ^umeruug an Paul Lindaus „Zug nach dem Westen," den Manthners MUS allerdings in mancher Hinsicht übertrifft; andre Schriftsteller haben "Ut ihren Berliner Romanen schon eine Bibliothek aufgestapelt, aber Manthner ^>ne eigenartige Persönlichkeit bekundet, und diese wollen wir nun charak- ^risiren. , Die Zusammengehörigkeit der drei Romane ist nicht bloß durch die Ge- ^nsnmkeit des Ortes der Handlung und der Gesellschaft, die geschildert wird, sondern auch dadurch, daß sie alle drei dieselbe Frauengestalt, Leontine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/325
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/325>, abgerufen am 27.12.2024.