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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Litteratur

serner auf der Kanzel zu verkündigen sich unterstehen, werden mit der Exkommuni¬
kation bedroht. Über die erfolgte Unterwerfung Meletos giebt das bischöfliche
Archiv Aufschluß; wie streng das Urteil an seinen Schriften vollstreckt worden ist,
und daß sie wirklich verbrannt worden sind, soweit mau ihrer habhaft werden
konnte, läßt sich aus der geringen Zahl der jetzt noch vorhandenen Exemplare ent¬
nehmen. Am 17. März 1517 wurde der Synodalbeschlnß vom Papste bestätigt
und um 12. April veröffentlicht. Nach dieser Zeit wird der Mann nirgends mehr
erwähnt. Bongi hebt mit einiger Schadenfreude hervor, daß dem Professor Franz
Heinrich Reusch, der in seinem Werke über den Index doch alle nur aufzutreibenden
Nachrichten vou Bücherverbvte" zusammengetragen hat, jene florentinische Synode
entgangen sei: "so schwierig ist es selbst für den gelehrtesten Mann, alles zu kennen."


Die Quipows und ihre Zeit. Von Friedr. v. Klbden. Dritte Ausgabe, bearbeitet und
herausgegeben von Ernst Friede!. Erster Band. Berlin, Weidmaunsche Buchhandlung, 1889

Es war ein guter Gedanke, dieses seit längerem vergriffene Hauptwerk Kiöbenh
"en aufzulegen. Als es vor mehr als einem halben Jahrhundert zum erstenmal
erschien, durfte es kaum in Preußen auf allgemeines Interesse zählen, geschweige
über dessen Grenzen hinaus. Brandenburgische Geschichten aus dem vierzehnten
und fünfzehnten Jnhrhuudert, Natur- und Kulturbilder aus des heiligen Römischen
Reiches Streusandbüchse -- wer sollte sich darum kümmern! Heute liegen die Dinge
anders. Wen" auch hie und da uoch immer mit Widerstrebe", muß doch jeder
deutsche anerkennen, daß zu deu allerwichtigsten Abschnitten der deutschen Geschichte
liernde der hier geschilderte gehört, und daß aus seiner Kenntnis erst das Ver¬
ständnis für die Entwicklung der Geschichte des Reiches recht hervorgehen kann.
"ur zu lange haben die einzelnen Stämme die Erinnerung festgehalten, daß sie
einmal mächtiger waren als die Marken, diese unter den Söhnen Karls IV. fast
herrenlosen Landstriche, von denen jeder Nachbar sich Stücke aneignen konnte; und
^ in ziemlich nahe Zeit fristete sich die Hoffnung, die "Markgrafen von Branden¬
burg" wieder klein zu sehen. Jetzt begrüßt man die Größe und das Folgenreiche
des Wirkens jenes Burggrafen von Nürnberg, der sich sein Land und sein Volk
^se erobern und für den künftigen geschichtlichen Beruf erziehen mußte. Das Buch,
^ die Mark Brandenburg in der Zeit völliger Zerrissenheit und Verwahrlosung
^ zu den ersten Hohenzollern mit gründlichster Kenntnis der politischen und
Kulturgeschichte und der Örtlichkeiten schildert, wird daher ohne Zweifel zahlreiche
^ser finden und sie auch befriedigen, wenn sie sich einmal über das Fremdartige
der Darstellungsweise hinweggesetzt haben. Klöden selbst mußte erfahren, daß
le Vermischung von geschichtlicher Wahrheit und Dichtung auf verschiednen Seiten
^Stoß erregte; er verteidigt sich gegen das Mißverständnis, daß er einen historischen
^Man verfaßt habe, und der jetzige Herausgeber tritt ebenfalls und unter Be-
.^sung auf Thukydides, Livius und Tacitus für die Gattung der "kolorirten
^schichte" ein. Würde man es aber heutzutage billigen, wenn ein Historiker den
^ ^tsmännern und Feldherren Reden eigner Verfertigung in den Mund legen
U'ille? Die erfundnen Begebenheit^ und langen Gespräche, die Klöden benutzt,
'u dem Leser Bildungszustand, Glauben und Aberglauben, Sitten und Gebräuche,
des Reifens und Kriegswesens u. s. w. zu vernuschanlichen, gewähren dem,
^ unmer in Spannung gehalten sein will, zu wenig und stören andre. Das
"'>-vlvrit" würde auch, und ohne daß ein solches Zwitterding herausgekommen wäre,
^/'ehe worden sein, wenn der Verfasser die Ergebnisse seiner kulturgeschichtlichen
^bien an schicklicher Stelle eingeschaltet hätte. Die Auswüchse zu beschneiden


Litteratur

serner auf der Kanzel zu verkündigen sich unterstehen, werden mit der Exkommuni¬
kation bedroht. Über die erfolgte Unterwerfung Meletos giebt das bischöfliche
Archiv Aufschluß; wie streng das Urteil an seinen Schriften vollstreckt worden ist,
und daß sie wirklich verbrannt worden sind, soweit mau ihrer habhaft werden
konnte, läßt sich aus der geringen Zahl der jetzt noch vorhandenen Exemplare ent¬
nehmen. Am 17. März 1517 wurde der Synodalbeschlnß vom Papste bestätigt
und um 12. April veröffentlicht. Nach dieser Zeit wird der Mann nirgends mehr
erwähnt. Bongi hebt mit einiger Schadenfreude hervor, daß dem Professor Franz
Heinrich Reusch, der in seinem Werke über den Index doch alle nur aufzutreibenden
Nachrichten vou Bücherverbvte« zusammengetragen hat, jene florentinische Synode
entgangen sei: „so schwierig ist es selbst für den gelehrtesten Mann, alles zu kennen."


Die Quipows und ihre Zeit. Von Friedr. v. Klbden. Dritte Ausgabe, bearbeitet und
herausgegeben von Ernst Friede!. Erster Band. Berlin, Weidmaunsche Buchhandlung, 1889

Es war ein guter Gedanke, dieses seit längerem vergriffene Hauptwerk Kiöbenh
"en aufzulegen. Als es vor mehr als einem halben Jahrhundert zum erstenmal
erschien, durfte es kaum in Preußen auf allgemeines Interesse zählen, geschweige
über dessen Grenzen hinaus. Brandenburgische Geschichten aus dem vierzehnten
und fünfzehnten Jnhrhuudert, Natur- und Kulturbilder aus des heiligen Römischen
Reiches Streusandbüchse — wer sollte sich darum kümmern! Heute liegen die Dinge
anders. Wen» auch hie und da uoch immer mit Widerstrebe», muß doch jeder
deutsche anerkennen, daß zu deu allerwichtigsten Abschnitten der deutschen Geschichte
liernde der hier geschilderte gehört, und daß aus seiner Kenntnis erst das Ver¬
ständnis für die Entwicklung der Geschichte des Reiches recht hervorgehen kann.
"ur zu lange haben die einzelnen Stämme die Erinnerung festgehalten, daß sie
einmal mächtiger waren als die Marken, diese unter den Söhnen Karls IV. fast
herrenlosen Landstriche, von denen jeder Nachbar sich Stücke aneignen konnte; und
^ in ziemlich nahe Zeit fristete sich die Hoffnung, die „Markgrafen von Branden¬
burg" wieder klein zu sehen. Jetzt begrüßt man die Größe und das Folgenreiche
des Wirkens jenes Burggrafen von Nürnberg, der sich sein Land und sein Volk
^se erobern und für den künftigen geschichtlichen Beruf erziehen mußte. Das Buch,
^ die Mark Brandenburg in der Zeit völliger Zerrissenheit und Verwahrlosung
^ zu den ersten Hohenzollern mit gründlichster Kenntnis der politischen und
Kulturgeschichte und der Örtlichkeiten schildert, wird daher ohne Zweifel zahlreiche
^ser finden und sie auch befriedigen, wenn sie sich einmal über das Fremdartige
der Darstellungsweise hinweggesetzt haben. Klöden selbst mußte erfahren, daß
le Vermischung von geschichtlicher Wahrheit und Dichtung auf verschiednen Seiten
^Stoß erregte; er verteidigt sich gegen das Mißverständnis, daß er einen historischen
^Man verfaßt habe, und der jetzige Herausgeber tritt ebenfalls und unter Be-
.^sung auf Thukydides, Livius und Tacitus für die Gattung der „kolorirten
^schichte" ein. Würde man es aber heutzutage billigen, wenn ein Historiker den
^ ^tsmännern und Feldherren Reden eigner Verfertigung in den Mund legen
U'ille? Die erfundnen Begebenheit^ und langen Gespräche, die Klöden benutzt,
'u dem Leser Bildungszustand, Glauben und Aberglauben, Sitten und Gebräuche,
des Reifens und Kriegswesens u. s. w. zu vernuschanlichen, gewähren dem,
^ unmer in Spannung gehalten sein will, zu wenig und stören andre. Das
«'>-vlvrit« würde auch, und ohne daß ein solches Zwitterding herausgekommen wäre,
^/'ehe worden sein, wenn der Verfasser die Ergebnisse seiner kulturgeschichtlichen
^bien an schicklicher Stelle eingeschaltet hätte. Die Auswüchse zu beschneiden


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[0151] Litteratur serner auf der Kanzel zu verkündigen sich unterstehen, werden mit der Exkommuni¬ kation bedroht. Über die erfolgte Unterwerfung Meletos giebt das bischöfliche Archiv Aufschluß; wie streng das Urteil an seinen Schriften vollstreckt worden ist, und daß sie wirklich verbrannt worden sind, soweit mau ihrer habhaft werden konnte, läßt sich aus der geringen Zahl der jetzt noch vorhandenen Exemplare ent¬ nehmen. Am 17. März 1517 wurde der Synodalbeschlnß vom Papste bestätigt und um 12. April veröffentlicht. Nach dieser Zeit wird der Mann nirgends mehr erwähnt. Bongi hebt mit einiger Schadenfreude hervor, daß dem Professor Franz Heinrich Reusch, der in seinem Werke über den Index doch alle nur aufzutreibenden Nachrichten vou Bücherverbvte« zusammengetragen hat, jene florentinische Synode entgangen sei: „so schwierig ist es selbst für den gelehrtesten Mann, alles zu kennen." Die Quipows und ihre Zeit. Von Friedr. v. Klbden. Dritte Ausgabe, bearbeitet und herausgegeben von Ernst Friede!. Erster Band. Berlin, Weidmaunsche Buchhandlung, 1889 Es war ein guter Gedanke, dieses seit längerem vergriffene Hauptwerk Kiöbenh "en aufzulegen. Als es vor mehr als einem halben Jahrhundert zum erstenmal erschien, durfte es kaum in Preußen auf allgemeines Interesse zählen, geschweige über dessen Grenzen hinaus. Brandenburgische Geschichten aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jnhrhuudert, Natur- und Kulturbilder aus des heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse — wer sollte sich darum kümmern! Heute liegen die Dinge anders. Wen» auch hie und da uoch immer mit Widerstrebe», muß doch jeder deutsche anerkennen, daß zu deu allerwichtigsten Abschnitten der deutschen Geschichte liernde der hier geschilderte gehört, und daß aus seiner Kenntnis erst das Ver¬ ständnis für die Entwicklung der Geschichte des Reiches recht hervorgehen kann. "ur zu lange haben die einzelnen Stämme die Erinnerung festgehalten, daß sie einmal mächtiger waren als die Marken, diese unter den Söhnen Karls IV. fast herrenlosen Landstriche, von denen jeder Nachbar sich Stücke aneignen konnte; und ^ in ziemlich nahe Zeit fristete sich die Hoffnung, die „Markgrafen von Branden¬ burg" wieder klein zu sehen. Jetzt begrüßt man die Größe und das Folgenreiche des Wirkens jenes Burggrafen von Nürnberg, der sich sein Land und sein Volk ^se erobern und für den künftigen geschichtlichen Beruf erziehen mußte. Das Buch, ^ die Mark Brandenburg in der Zeit völliger Zerrissenheit und Verwahrlosung ^ zu den ersten Hohenzollern mit gründlichster Kenntnis der politischen und Kulturgeschichte und der Örtlichkeiten schildert, wird daher ohne Zweifel zahlreiche ^ser finden und sie auch befriedigen, wenn sie sich einmal über das Fremdartige der Darstellungsweise hinweggesetzt haben. Klöden selbst mußte erfahren, daß le Vermischung von geschichtlicher Wahrheit und Dichtung auf verschiednen Seiten ^Stoß erregte; er verteidigt sich gegen das Mißverständnis, daß er einen historischen ^Man verfaßt habe, und der jetzige Herausgeber tritt ebenfalls und unter Be- .^sung auf Thukydides, Livius und Tacitus für die Gattung der „kolorirten ^schichte" ein. Würde man es aber heutzutage billigen, wenn ein Historiker den ^ ^tsmännern und Feldherren Reden eigner Verfertigung in den Mund legen U'ille? Die erfundnen Begebenheit^ und langen Gespräche, die Klöden benutzt, 'u dem Leser Bildungszustand, Glauben und Aberglauben, Sitten und Gebräuche, des Reifens und Kriegswesens u. s. w. zu vernuschanlichen, gewähren dem, ^ unmer in Spannung gehalten sein will, zu wenig und stören andre. Das «'>-vlvrit« würde auch, und ohne daß ein solches Zwitterding herausgekommen wäre, ^/'ehe worden sein, wenn der Verfasser die Ergebnisse seiner kulturgeschichtlichen ^bien an schicklicher Stelle eingeschaltet hätte. Die Auswüchse zu beschneiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/151>, abgerufen am 27.12.2024.