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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-Ästafrika

waltnng des Schutzgebietes beschäftigte. Solche Körperschaften entstanden in
der Ostafrikanischen Plantagengesellschnft, die mir 24. November 1886, und
in der Deutschen Plantagengesellschaft, die am 19. November 1888 gegründet
wurde. Beide gaben Aktien zu 1000 Mark aus. Der erstern strömte das
Kapital reichlich zu, sodaß für sie schon im März 1887 125 000 und im
Februar des nächsten Jahres 175 000 Mark in das Handelsregister eingetragen
werden konnten. Sie kaufte 100 000 Morgen im Schutzgebiete von der Ost¬
afrikanischen Gesellschaft und bezahlte sie mit deren eignen Aktien, sodaß die
Interessen beider verschmolzen. Für diese und künftige Kolonisativnsunter-
uehmungen sollten die von der Ostafrikanischcn Gesellschaft angelegten achtzehn
Stationen als Stützpunkte dienen. Der Länderkomplex, der mit solchen bis
jetzt in Angriff genommen oder eingeschlossen ist, wird von Förster auf etwa
110 000 Quadratkilometer, das ganze deutsche Qstafrita mit seinem Interessen-
kreise, also von der Ostküste bis zum Tnnganika und vom Viktoria-Nyanza-
bis zum Nhassa-See und Rovuma-Flusse, auf ungefähr das Zehnfache angegeben.

Alle diese Erwerbungen und Einrichtungen hatten aber nur dann vollen
Wert, wenn man die Küste beherrschte, die dem Sultan von Sansibar gehörte,
oder wenn man wenigstens in einigen Häfen das Recht zur Mitbenutzung
übte. Dieses wurde der Oftafrikanischen Gesellschaft durch die deutsche Ne¬
gierung zunächst in Dar-es-Salam und Pangnni verschafft. Dann verhandelte
sie mit dem Sultan Said Bargasch über mehr. Die Erhebung von Zöllen
war für ihn der wichtigste Teil seiner Negierungsthätigkeit auf dem Festlande.
Überließ er diese den Deutschen zur Besorgung sür ihn, so war es leicht, noch
die Verwaltung, die Polizei und die Gerichtsbarkeit an der ganzen Küste zu
erlangen. Die Verhandlungen darüber zogen sich hin, bis der Sultan am
30. März 1888 starb. Sein Nachfolger Said Chalifa ließ sich von dem
deutschen Generalkonsul Michahelles bestimmen, den Vertrag vom 28. April
1888 zu unterzeichnen, der die Wünsche der Deutschen erfüllte, und durch den
die Zollverwaltung in den Häfen des Festlandes diesen übertragen wurde.
Sie sollte in seinem Namen und unter seiner Flagge stattfinden und ihm eine
Pachtsumme sowie 50 Prozent der Reineinnahme abwerfen. Die Gesellschaft
aber wurde durch den Vertrag ermächtigt, "Beamte einzusetzen, Gesetze zu er¬
lassen, Gerichtshöfe einzurichten, Verträge mit Häuptlingen zu schließen, alles
noch nicht in Besitz genommene Land zu erwerben, Steuern, Abgaben und
Zölle zu erheben, Vorschriften für Handel und Verkehr zu erlassen, die Einfuhr
von Waffen und andern Waren, die nach ihrer Meinung der öffentlichen
Ordnung schaden, zu verhindern und alle Häfen in Besitz zu nehmen."

Die Durchführung des Küstenvertrages und die Besitzergreifung des Küsten¬
strichs durch die Deutschen veranlaßte den Aufstand vom August 1888. Es
verdroß die Araber, daß Europäer hier Richter und Verwaltnngsbenmte er¬
nennen sollten, sie fürchteten, daß diese die bisherigen Mißbräuche bei der


Deutsch-Ästafrika

waltnng des Schutzgebietes beschäftigte. Solche Körperschaften entstanden in
der Ostafrikanischen Plantagengesellschnft, die mir 24. November 1886, und
in der Deutschen Plantagengesellschaft, die am 19. November 1888 gegründet
wurde. Beide gaben Aktien zu 1000 Mark aus. Der erstern strömte das
Kapital reichlich zu, sodaß für sie schon im März 1887 125 000 und im
Februar des nächsten Jahres 175 000 Mark in das Handelsregister eingetragen
werden konnten. Sie kaufte 100 000 Morgen im Schutzgebiete von der Ost¬
afrikanischen Gesellschaft und bezahlte sie mit deren eignen Aktien, sodaß die
Interessen beider verschmolzen. Für diese und künftige Kolonisativnsunter-
uehmungen sollten die von der Ostafrikanischcn Gesellschaft angelegten achtzehn
Stationen als Stützpunkte dienen. Der Länderkomplex, der mit solchen bis
jetzt in Angriff genommen oder eingeschlossen ist, wird von Förster auf etwa
110 000 Quadratkilometer, das ganze deutsche Qstafrita mit seinem Interessen-
kreise, also von der Ostküste bis zum Tnnganika und vom Viktoria-Nyanza-
bis zum Nhassa-See und Rovuma-Flusse, auf ungefähr das Zehnfache angegeben.

Alle diese Erwerbungen und Einrichtungen hatten aber nur dann vollen
Wert, wenn man die Küste beherrschte, die dem Sultan von Sansibar gehörte,
oder wenn man wenigstens in einigen Häfen das Recht zur Mitbenutzung
übte. Dieses wurde der Oftafrikanischen Gesellschaft durch die deutsche Ne¬
gierung zunächst in Dar-es-Salam und Pangnni verschafft. Dann verhandelte
sie mit dem Sultan Said Bargasch über mehr. Die Erhebung von Zöllen
war für ihn der wichtigste Teil seiner Negierungsthätigkeit auf dem Festlande.
Überließ er diese den Deutschen zur Besorgung sür ihn, so war es leicht, noch
die Verwaltung, die Polizei und die Gerichtsbarkeit an der ganzen Küste zu
erlangen. Die Verhandlungen darüber zogen sich hin, bis der Sultan am
30. März 1888 starb. Sein Nachfolger Said Chalifa ließ sich von dem
deutschen Generalkonsul Michahelles bestimmen, den Vertrag vom 28. April
1888 zu unterzeichnen, der die Wünsche der Deutschen erfüllte, und durch den
die Zollverwaltung in den Häfen des Festlandes diesen übertragen wurde.
Sie sollte in seinem Namen und unter seiner Flagge stattfinden und ihm eine
Pachtsumme sowie 50 Prozent der Reineinnahme abwerfen. Die Gesellschaft
aber wurde durch den Vertrag ermächtigt, „Beamte einzusetzen, Gesetze zu er¬
lassen, Gerichtshöfe einzurichten, Verträge mit Häuptlingen zu schließen, alles
noch nicht in Besitz genommene Land zu erwerben, Steuern, Abgaben und
Zölle zu erheben, Vorschriften für Handel und Verkehr zu erlassen, die Einfuhr
von Waffen und andern Waren, die nach ihrer Meinung der öffentlichen
Ordnung schaden, zu verhindern und alle Häfen in Besitz zu nehmen."

Die Durchführung des Küstenvertrages und die Besitzergreifung des Küsten¬
strichs durch die Deutschen veranlaßte den Aufstand vom August 1888. Es
verdroß die Araber, daß Europäer hier Richter und Verwaltnngsbenmte er¬
nennen sollten, sie fürchteten, daß diese die bisherigen Mißbräuche bei der


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[0066] Deutsch-Ästafrika waltnng des Schutzgebietes beschäftigte. Solche Körperschaften entstanden in der Ostafrikanischen Plantagengesellschnft, die mir 24. November 1886, und in der Deutschen Plantagengesellschaft, die am 19. November 1888 gegründet wurde. Beide gaben Aktien zu 1000 Mark aus. Der erstern strömte das Kapital reichlich zu, sodaß für sie schon im März 1887 125 000 und im Februar des nächsten Jahres 175 000 Mark in das Handelsregister eingetragen werden konnten. Sie kaufte 100 000 Morgen im Schutzgebiete von der Ost¬ afrikanischen Gesellschaft und bezahlte sie mit deren eignen Aktien, sodaß die Interessen beider verschmolzen. Für diese und künftige Kolonisativnsunter- uehmungen sollten die von der Ostafrikanischcn Gesellschaft angelegten achtzehn Stationen als Stützpunkte dienen. Der Länderkomplex, der mit solchen bis jetzt in Angriff genommen oder eingeschlossen ist, wird von Förster auf etwa 110 000 Quadratkilometer, das ganze deutsche Qstafrita mit seinem Interessen- kreise, also von der Ostküste bis zum Tnnganika und vom Viktoria-Nyanza- bis zum Nhassa-See und Rovuma-Flusse, auf ungefähr das Zehnfache angegeben. Alle diese Erwerbungen und Einrichtungen hatten aber nur dann vollen Wert, wenn man die Küste beherrschte, die dem Sultan von Sansibar gehörte, oder wenn man wenigstens in einigen Häfen das Recht zur Mitbenutzung übte. Dieses wurde der Oftafrikanischen Gesellschaft durch die deutsche Ne¬ gierung zunächst in Dar-es-Salam und Pangnni verschafft. Dann verhandelte sie mit dem Sultan Said Bargasch über mehr. Die Erhebung von Zöllen war für ihn der wichtigste Teil seiner Negierungsthätigkeit auf dem Festlande. Überließ er diese den Deutschen zur Besorgung sür ihn, so war es leicht, noch die Verwaltung, die Polizei und die Gerichtsbarkeit an der ganzen Küste zu erlangen. Die Verhandlungen darüber zogen sich hin, bis der Sultan am 30. März 1888 starb. Sein Nachfolger Said Chalifa ließ sich von dem deutschen Generalkonsul Michahelles bestimmen, den Vertrag vom 28. April 1888 zu unterzeichnen, der die Wünsche der Deutschen erfüllte, und durch den die Zollverwaltung in den Häfen des Festlandes diesen übertragen wurde. Sie sollte in seinem Namen und unter seiner Flagge stattfinden und ihm eine Pachtsumme sowie 50 Prozent der Reineinnahme abwerfen. Die Gesellschaft aber wurde durch den Vertrag ermächtigt, „Beamte einzusetzen, Gesetze zu er¬ lassen, Gerichtshöfe einzurichten, Verträge mit Häuptlingen zu schließen, alles noch nicht in Besitz genommene Land zu erwerben, Steuern, Abgaben und Zölle zu erheben, Vorschriften für Handel und Verkehr zu erlassen, die Einfuhr von Waffen und andern Waren, die nach ihrer Meinung der öffentlichen Ordnung schaden, zu verhindern und alle Häfen in Besitz zu nehmen." Die Durchführung des Küstenvertrages und die Besitzergreifung des Küsten¬ strichs durch die Deutschen veranlaßte den Aufstand vom August 1888. Es verdroß die Araber, daß Europäer hier Richter und Verwaltnngsbenmte er¬ nennen sollten, sie fürchteten, daß diese die bisherigen Mißbräuche bei der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/66>, abgerufen am 23.07.2024.